Elektronische Patientenakte: Bundesweiter Rollout ab April unrealistisch
Vor einem Start der elektronischen Patientenakte fordern Ärzte mehr Zeit für Tests. Der vom BMG angekündigte Monat April sei nicht realistisch.
(Bild: Thanadon88/Shutterstock.com)
Vor einem bundesweiten Rollout der elektronischen Patientenakte (ePA 3.0) fordern Ärzte mehr Zeit für Funktions- und Lasttests. Zwar wurde inzwischen für alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte angelegt, sofern sie nicht widersprochen haben, bisher ist jedoch nicht sichergestellt, dass die ePA im Alltag der Ärzte funktioniert. Eigentlich sollte die Pilotphase zum 15. Januar starten, nach Verzögerungen läuft sie allerdings bis jetzt nicht richtig an. Darum fordern die Kassenärztlichen Vereinigungen Bayerns, Hamburg, Nordrhein und Westfalen-Lippe vom Bundesgesundheitsministerium, "den Zeitplan für den Rollout der ePA zu strecken", wie aus einer gemeinsamen Pressemitteilung hervorgeht.
Testphase läuft in der Praxis nicht
Demnach gibt es Berichte aus den rund 300 Testpraxen in Franken, Hamburg und Teilen Nordrhein-Westfalens, dass es derzeit zu "fehlenden technischen Voraussetzungen oder Komplikationen" kommt, "die ein wirksames Testen der ePA verhindern". Das Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) folgt als Reaktion auf einen Brief des Bundesgesundheitsministeriums an die Gesellschafter der Gematik, wonach ein neuer Starttermin für den bundesweiten Rollout ab April möglich sei.
Daher appellieren die KVen an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, für die Tests ausreichende Kapazitäten einzuräumen. Zwar sehen die KVen Potenzial in einer "datensichere[n] und datenschutzkonforme[n] elektronische[n] Patientenakte", allerdings sei die "Grundvoraussetzung [...] eine ausgereifte, fehlerfreie und hochsichere Akte", die Ärzte und Psychotherapeuten einfach bedienen können. "Ein übereiltes Ausrollen der ePA führt zu Frust in den Praxen und aufgrund unerfüllter Erwartungen zu Verärgerung bei den Versicherten. Im schlimmsten Fall lehnen Praxen und Patienten die ePA dann einhellig ab", heißt es dazu von den Vorständen der KV Bayern.
Für die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Hamburg, Caroline Roos, ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Rollout ab April überhaupt in Erwägung gezogen wird. Zunächst müssten Fehler und Sicherheitsdefizite abgestellt werden. "Es ist unbedingt notwendig, die Testphase zu verlängern und die Testung auf weitere Teilnehmende und Testszenarien auszuweiten [...]. Software-Herstellern, Praxen und allen weiteren beteiligten Institutionen sollte hierfür die nötige Vorbereitungszeit eingeräumt werden", verlangt Roos.
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Testkriterien unklar
Unklar ist bislang, nach welchen Kriterien der bundesweite Rollout startet. Diese vermisst auch der Vorstand der KV Nordrhein, Dr. Frank Bergmann: "Wir vermissen einen Katalog von, mit der Vertragsärzteschaft konsentierten, Abnahmebedingungen, die die Systeme im Rahmen der Testungen erfüllen und nachweisen müssen. Die letzten fünf Wochen waren ernüchternd und drehten sich leider ausschließlich um die rein technische Machbarkeit." Wirkliche Testergebnisse für die ePA-Nutzung in der Praxis habe es nicht gegeben. Vergangene Woche zeigte sich unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erleichtert darüber, dass die angepeilten Starttermine des BMG zumindest etwas nach hinten verschoben wurden. Dennoch wies auch die KBV darauf hin, dass die ePA erst nach einer erfolgreichen Testphase für Ärzte in ganz Deutschland starten sollte.
"Zum Start der Pilotphase konnten in Westfalen-Lippe nur wenige der teilnehmenden Praxen die elektronische Patientenakte befüllen. Die Ursachen hierfür waren vielschichtig. So gab es beispielsweise Herausforderungen beim Zugriff auf die entsprechenden Aktensysteme", so Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVWL. Derzeit funktioniert auch die elektronische Medikationsliste nicht in allen Fällen einwandfrei. "Zum Teil werden die Daten gar nicht oder nur unvollständig übertragen. Auch der erhöhte Beratungsbedarf im Arzt-Patienten-Verhältnis darf nicht unterschätzt werden", mahnt Schrage. Bisher seien ein Drittel der Pilotpraxen in Westfalen-Lippe nicht in der Lage, die ePA zu testen, weil das dafür notwendige ePA-Modul fehle. Bereits mit Bekanntwerden der ePA-Vorhaben hatten sich Vertreter der Gesundheits-IT dazu geäußert, dass das Vorhaben des BMG sehr sportlich sei.
(mack)