Der Rust-DMA-Streit beim Linux-Kernel – ein Analyseversuch
Linus Torvalds hat endlich Stellung zu den aktuellen Streitigkeiten bezogen – aber erst, nachdem diese zwei Linux-Entwickler zum Rückzug veranlassten.
(Bild: Erstellt mit KI in Bing Designer durch heise online / dmk)
Linux-Gründer und -Hauptentwickler Linus Torvalds hat zu seit zwei Wochen köchelnden Streitigkeiten jetzt endlich Stellung genommen und klargestellt: Den Widerstand gegen die DMA-Schnittstellen für Rust-Kernel-Code wird er übergehen. Betreuer von Teilbereichen des Kernels, die sich nicht in die Rust for Linux einbringen, haben ihm zufolge schlicht kein Mitspracherecht, wie andere Teile des Kernels diesen Code nutzen.
Reichlich Schaden hat die ganze Sache derweil schon angerichtet, denn in ihrem Verlauf haben zwei Linux-Entwickler ihren Hut genommen. In beiden Fällen geht es kaum mehr um die Rust-DMA-Blockade – sondern vorwiegend um schon seit Jahrzehnten immer wieder kritisierte Faktoren bei der Entwicklung und Projektführung des Linux genannten Kernels. Der folgende Text versucht einige Aspekte der Situation einzuordnen, doch vorweg noch einmal kurz die vier wohl wichtigsten Faktoren zur aktuellen Lage:
Blockadehaltung beim Rust-DMA-Code bringt Lawine in Gang
Der langjährige und an viel zentralem Linux-Code mitarbeitende Christoph Hellwig hat sich kürzlich öffentlich gegen die Aufnahme von Rust-Code ausgesprochen, über den Rust-Treiber den von ihm betreuten C-Code für Direct Memory Access (DMA) nutzen können. Hellwig stört sich daran, mit mehreren Programmiersprachen in einem Projekt hantieren zu müssen – und will verhindern, dass dieser "Krebs" in Kernbereiche des Kernels vordringt.
Asahi-GrĂĽnder schmeiĂźt hin
An den Aussagen hat sich unter anderem Hector Martin ("marcan") gestört, der Asahi Linux und die allgemeinen Bestrebungen in Gang gebracht hat, Linux-basierte Betriebssysteme auf Apple-Systemen mit den hauseigenen ARM-Prozessoren zu betreiben. Dazu setzt Asahi Linux unter anderem einen in Rust geschriebenen und DMA-nutzenden Kernel-Grafiktreiber ein. Der stammt vornehmlich von anderen Entwicklern. Martin hat aber haufenweise anderen Kernel-Code für Apple-M-Prozessoren und damit gebaute Systeme geschrieben. Teile davon konnte er auch in den Hauptentwicklungzweig von Linux einbringen – bei vielem ist das aus verschiedensten Gründen aber bislang nicht gelungen.
Martin kritisiert nicht nur Hellwigs Aussagen, sondern führte wie schon mehrfach in den Monaten zuvor an, wie mühselig es ist, Code zu Linux beizusteuern. Diese Kritik äußerte er auf Linux-Mailinglisten, zugleich stellte er die Lage aber auch auf Mastodon an den Pranger ("shaming on social media", wie er es selbst bezeichnete). Dafür kritisierten ihn zwei bekannte Kernel-Entwickler des Grafiktreibercodes von Linux öffentlich.
Wenig später trat Martin als Betreuer des Kernel-Codes für Apple-Systeme mit ARM-basierter CPU zurück. Kurz darauf war auch sein Mastodon-Account, der viele tausend Follower hatte, nicht mehr abrufbar. Eine knappe Woche danach erklärte er in einem längeren Blog-Post seinen Rücktritt als leitender Entwickler von Asahi Linux. Parallel erschien ein Blog-Post der neuen Projektleitung, die aus sieben bekannten Asahi-Entwicklern besteht. Die haben sich ganz oben auf die Fahnen geschrieben, die Wartung zu vereinfachen, indem sie viele der für Asahi nötigen Änderungen am Kernel in den Hauptentwicklungszweig von Linux einbringen wollen. Die ohnehin noch nicht angegangene Arbeit zum Support neuer Apple-Computer mit M3- und M4-Prozessoren stellt das Team dadurch noch weiter zurück.
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Weiterer Linux-Entwickler zieht sich zurĂĽck
Wenig später legte Karol Herbst seinen Posten als Mitbetreuer des Kernel-Treibers Nouveau nieder. Dabei betonte er, schon länger nicht mehr recht in der Kernel-Community bei der Begutachtung und Betreuung des Treibers aktiv gewesen zu sein. Zugleich erwähnte er den letzten Auslöser für seinen Rückzug: Die Verwendung des in den USA von einigen ultra-rechten Gruppierungen verwendeten Begriffs beziehungsweise Symbols "the blue line" innerhalb der Rust-DMA-Diskussion durch Theodore Ts'o ("tytso"), einem zentralen und alteingesessenen Kernel-Entwickler.
Torvalds schweigt lange
Linus Torvalds hat während der ganzen Scharade anfangs nur zweimal öffentlich das Wort zu den Vorgängen ergriffen: In Antworten auf Mails von Hector Martin rund um das an-den-Pranger-stellen. Dort merkt der Linux-Gründer unter anderem an, der Ashai-Gründer sei womöglich selbst das Problem (1, 2).
Wie Hellwig vor ein paar Tagen veröffentlichte, hat Torvalds im Privaten aber gesagt, Maintainer-Veto zu Rust-Kernel-Code bei Bedarf zu übergehen. Am Freitagmorgen äußerte sich der Linux-Gründer und Hauptentwickler dann auch selbst in einer längeren Mail. In dieser kritisierte er Hellwigs Haltung – und betonte, sich aus den Rust-Arbeiten heraushaltende Maintainer hätten keinerlei Mitspracherecht bei Rust-Code zur Nutzung ihres C-Codes.