Bundesrat noch uneins über pauschale Telekommunikations-Überwachung

Just der Innenausschuss des Ländergremiums hat sich Bedenkzeit genommen in der neuen Diskussion um die Vorratsspeicherung sämtlicher TK-Daten. Der Rechtsausschuss begrüßt die entsprechende Vorlage aus Brüssel dagegen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 116 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Beim heftig umstrittenen Thema der Vorratsspeicherung sämtlicher bei der Telekommunikationsnutzung anfallender Daten zeichnet sich im Bundesrat noch keine klare Linie ab. Just der Innenausschuss der Länderkammer hat die Beratungen über eine Brüsseler Vorlage der Länder Frankreich, Irland, Großbritannien und Schweden zur Herbeiführung eines verbindlichen EU-weiten Rahmenbeschlusses vertagt. Der Rechtsausschuss ist dagegen in einer knappen Abstimmung dem Votum seines Unterausschusses gefolgt. Er empfiehlt dem Plenum des Bundesrats, den Vorstoß zur pauschalen und verdachtslosen Überwachung der TK-Nutzer "für die Zwecke der Vorbeugung, Untersuchung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich Terrorismus," zu begrüßen.

Die Initiative aus dem Rat der Europäischen Union schlägt vor, dass Internetprovider und andere TK-Anbieter der Mitgliedsstaaten die bei der Nutzung ihrer Dienste anfallenden Daten ein bis drei Jahre speichern müssen. Vor allem Bayern drängt im Bundesrat darauf, eine solche Vorratsspeicherung "für einen effektiven Einsatz von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation zu Strafverfolgungszwecken" einzuführen und die Bundesregierung zur "Schaffung einer entsprechenden innerstaatlichen Verpflichtung" anzuhalten. Bundesrat und Bundestag hatten sich im Vermittlungsausschuss zum Telekommunikationsgesetz (TKG) nach hartem Ringen darauf verständigt, nicht zuletzt aus rein wirtschaftlichen Gründen die Jagd auf die immensen und völlig unstrukturierten Datenmassen abzublasen. Die Argumente Bayerns sollen im Innenausschuss nun zunächst vor diesem Hintergrund "nochmals geprüft" werden. Mit einer Entscheidung ist somit frühestens im September nach der Sommerpause zu rechnen.

Zuvor hatte der Berichterstatter der Innenpolitiker aus Nordrhein-Westfalen verdeutlicht, dass sämtliche so genannten "Verkehrs- und Standort-, Nutzer- und Teilnehmerdaten, die bei der Verwendung von Telekommunikations- und Multimediadiensten anfallen", von der Brüsseler Vorlage betroffen wären. Erfasst würden also zum einen Daten, die beim normalen Telefonieren entstehen. Zum anderen aber auch solche, die bei "SMS-Kurzmitteilungen, elektronischen Mediendiensten und Multimedia-Datentransferdiensten, die als Teil eines Telefondienstes angeboten werden", anfallen. Schließlich ginge es um die Daten, die bei der Nutzung von "Internet-Protokollen, einschließlich E-Mail, Protokollen für Sprachübermittlung über das Internet, World Wide Web, Dateiübertragungsprotokollen, Netzübertragungsprotokollen, Hypertextübertragungsprotokollen, Sprachübermittlung über Breitband und Subsets von Internet-Protokoll-Nummern" zu Stande kommen. Auch "Daten zur Umsetzung der Netzadresse" seien zu speichern.

In den Rechtsausschüssen, in denen Bayern die Berichterstattung übernommen hatte, blieb das Ausmaß der betroffenen Datenmengen dagegen weitgehend unklar. Laut der Interpretation des Freistaats erstreckt sich die Initiative aus dem EU-Rat nur auf Daten, die Provider und Telcos sowieso bereits zur Abrechnung vorhalten. Experten sehen dies völlig anders. So gab denn auch ein Vertreter Schleswig-Holsteins im Rechtsausschuss zu Protokoll, dass der vorgeschlagene Rahmenbeschluss dem Grundsatz der Datensparsamkeit widerspreche und gegen das in Grundgesetz geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße.

Die Datentypen, die gespeichert werden sollen, "beschränken sich nicht auf das Notwendige", heißt es in der Erklärung aus dem hohen Norden weiter. Sie würden weit über das hinaus gehen, was nach der derzeitigen Strafprozessordnung im Falle einer Sicherungsspeicherung erlaubt sei. Zudem widerspreche es dem deutschen Strafrechtssystem, allein für Zwecke der Vorbeugung von Straftaten Daten aufzubewahren beziehungsweise auf sie zuzugreifen. Ein Antrag aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, der einen anstehenden Brüsseler Rahmenbeschluss ablehnte, fand trotzdem nicht die erforderliche Mehrheit. Er wurde bei Enthaltung der Länder Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit sieben zu sechs Stimmen aus dem Rennen gekickt. (Stefan Krempl) / (jk)