Bit-Rauschen: Es kracht kräftig in der KI-Branche
Für KI-Firmen, deren Kunden und Aktionäre sowie für mehrere europäische Staaten mit KI-Ambitionen war es ein denkwürdiger Januar.
- Christof Windeck
Die überhitzte KI-Branche wurde in den vergangenen Wochen kräftig durchgerüttelt. Noch vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar schockte die Biden-Regierung sowohl Investoren als auch viele Staaten, weil sie den Verkauf von KI-Chips drastisch einschränken will. Künftig sollen nur noch 18 Nationen unbeschränkten Zugriff auf Rechenbeschleuniger von Nvidia, AMD, Intel, Cerebras und anderen US-Firmen erhalten. Die meisten anderen Länder bekommen lediglich beschränkte Kontingente, dürfen aber bei der US-Regierung um Nachschlag betteln. Das trifft sogar EU-Länder wie Polen, Portugal, Griechenland und Luxemburg sowie die Schweiz.
Weil die neuen Exportbeschränkungen das Marktpotenzial von KI-Chips beträchtlich reduzieren, sackten die Aktienkurse von Firmen wie Nvidia, AMD, Broadcom und Marvell ab. Diese Unternehmen hatten zuvor vom KI-Hype profitiert.
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Die unfreundliche Chipblockade bedroht auch einige Supercomputerprojekte, etwa die von der EU geplanten "KI-Fabriken" (AI Factories), darunter Meluxina-AI in Luxemburg und Pharos in Griechenland. Im schweizerischen Supercomputer Alps stecken alleine fast 11.000 Nvidia-Beschleuniger.
(Bild:Â The White House/YouTube)
Dann trieb es Donald Trump noch doller: Direkt am Tag nach seinem Amtsantritt kündigte er das gigantische KI-Projekt Stargate an, das 500 Milliarden US-Dollar verschlingt. Ein Verbund großer Rechenzentren soll die Vormacht der USA bei KI sichern und den Weg zur künstlichen allgemeinen Intelligenz (Artificial General Intelligence, AGI) ebnen. Die Vorstellung von Stargate warf schon etliche Fragen auf – dazu gleich mehr –, als wenige Tage später die chinesische Firma DeepSeek eine Bombe platzen ließ: Ihr generatives KI-Modell braucht viel weniger Ressourcen als konkurrierende Modelle der einschlägigen US-Marktführer.
Die DeepSeek-Vorstellung vernichtete mehrere Hundert Milliarden US-Dollar Börsenwert von KI-Chipherstellern wie Nvidia auf einen Schlag. Denn plötzlich scheint es so, als ob große generative KI-Modelle mit viel weniger der sündteuren Rechenbeschleuniger auskommen könnten. Ob das wirklich so stimmt, muss sich zwar erst noch zeigen. Falls es jedoch zutrifft, schwächt das womöglich nicht nur die Dominanz von Nividia bei KI-Chips, sondern auch die der USA bei KI-Technik. Das wiederum könnte weitere Einschränkungen von Exporten nach China triggern, sowohl von KI-Hardware als auch von Maschinen und Vorprodukten für die Chipfertigung.
Nicht im Bild
Denkwürdig war auch die Ankündigungszeremonie des Projekts Stargate. Denn außer Donald Trump waren dabei drei Firmenkapitäne anwesend: OpenAI-Chef Sam Altman, Oracle-Chef Larry Ellison sowie Masayoshi Son, Leiter des japanischen Konzerns SoftBank. Letzterer hält weiterhin die Aktienmehrheit am britischen CPU-Entwickler ARM. Son wird Vorstandsvorsitzender bei Projekt Stargate, in das auch der Fonds MGX investiert, der der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate gehört.
Überraschend daran: Weder waren Vertreter von Nvidia oder Microsoft bei der Stargate-Ankündigung anwesend, noch spielte Trump-Berater Elon Musk eine Rolle. Dabei ist Nvidia das derzeit herausragende Unternehmen der KI-Branche, Microsoft ist bislang der größte OpenAI-Investor und Musks Firma xAI betreibt mit Colossus einen der bisher größten KI-Cluster der USA.
Musk teilte prompt via X gegen Stargate aus und behauptete, die Finanzierung sei nicht gesichert. Microsoft steht als Verlierer da, weil OpenAI bisher erhebliche Kapazitäten bei Microsoft Azure bucht. Zwar betont OpenAI, das weiter tun zu wollen, doch anscheinend läuft Stargate an Microsoft vorbei. Dabei tauchten schon im März 2024 Gerüchte auf, laut denen Microsoft an Stargate beteiligt sei.
Tatsächlich ist Stargate längst im Bau, und zwar im texanischen Abilene. Dort stehen schon die ersten Hallen, gebaut von der Firma Lancium in Kooperation mit Crusoe Energy. Letztere wollte zuvor billigen texanischen Windstrom zum Schürfen von Kryptowährungen verheizen. Bevor offiziell Projekt Stargate als Nutzer des Lancium Clean Campus ausgerufen wurde, galt die Oracle-Sparte Cloud Infrastructure (OCI) dort als Pilotkunde – und im Grunde stimmt beides.
Interessant sind weitere Verbindungen zwischen Oracle, OpenAI und SoftBank. Einerseits ist Oracle sowohl der wichtigste Kunde als auch der größte Investor von Ampere Computing, dem derzeit einzigen Hersteller frei verkäuflicher ARM-Server-CPUs. Und OpenAI wiederum tüftelt angeblich eifrig an hauseigenen KI-Rechenbeschleunigern. Dazu passend hat SoftBank außer seinem ARM-Anteil auch noch die britische KI-Chipfirma Graphcore im Portfolio. Projekt Stargate könnte also noch für weitere Überraschungen sorgen.
Zum Bit-Rauschen gibt es regelmäßig auch einen Podcast.
(ciw)