Europäischer Gerichtshof: Google muss Android Auto prinzipiell für Dritte öffnen

Der EuGH stuft die Weigerung von Google, Dritten Zugang zu Android Auto zu gewähren, potenziell als missbräuchlich ein. Das System müsse interoperabel sein.

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(Bild: achinthamb / Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat geurteilt, dass Google seine Fahrzeug-Plattform Android Auto grundsätzlich für Dritte öffnen muss. Laut dem Beschluss missbraucht ein Unternehmen wie die Alphabet-Tochter potenziell seine marktbeherrschende Stellung, wenn es mit seinem Verhalten den Zugang eines Drittanbieters zu der Plattform ausschließt, behindert oder verzögert. Ein solcher Wettbewerbsverstoß sei nicht darauf beschränkt, dass ein zentraler Dienst wie Android Auto für die Ausübung von Tätigkeiten Dritter unerlässlich ist. Missbräuchlich könne es schon sein, keine Interoperabilität zu gewährleisten, wenn eine App externer Anbieter durch die Integration auf die Plattform "für die Verbraucher attraktiver" würde.

In dem Fall geht es um einen sich schon seit Jahren hinziehenden Streit zwischen dem italienischen Energiekonzern Enel und Google über den Zugang für die Stromlade-App JuicePass zu Android Auto. Der Stromanbieter will es Nutzern mit dem Begehr ermöglichen, direkt über den Bordbildschirm von Fahrzeugen auf seine Smartphone-Anwendung zuzugreifen. Der Android-Hersteller weigerte sich und begründete dies unter anderem damit, dass er über die Erteilung der prinzipiellen Einwilligung hinaus ein Software-Template entwickeln müsste, das den spezifischen Bedürfnissen der Enel-Tochter X Rechnung trage. Eigentlich seien nur Medien- und Messaging-Apps mit Android Auto kompatibel. Daher kämen auch Sicherheitserwägungen dazu.

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Die italienische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (AGCM) war der Ansicht, dass dieses Verhalten einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle. Er verhängte gegen Google eine Geldbuße von über 102 Millionen Euro. Der Android-Hersteller focht diese Entscheidung bis zum italienischen Staatsrat an, der den Fall dem EuGH vorlegte. Dieser entschied nun in der Rechtssache C-233/23, dass die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die Interoperabilität einer von ihm entwickelte Plattform mit einer von einem Dritten entwickelten App zu gewährleisten, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann.

Der Staatsrat muss jetzt unter anderem prüfen, ob das Nein von Google dazu führte, dass der US-Konzern seine Stellung auf dem Markt mit Android Auto ausbauen konnte. Dafür spräche laut dem EuGH etwa, dass durch die verweigerte Interoperabilität der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt behindert worden sein könnte. Angemessen wäre die Haltung von Google nur, wenn das benötigte Template die Integrität der Plattform oder die Sicherheit ihrer Nutzung gefährden würde oder dessen Entwicklung technisch gar nicht möglich wäre. Andernfalls müsse Google die Software-Vorlage "innerhalb eines angemessenen Zeitraums und gegebenenfalls gegen eine angemessene finanzielle Gegenleistung" programmieren. Dabei seien die Bedürfnisse von Enel, die tatsächlichen Kosten der Entwicklung und das Recht von Google, daraus einen angemessenen Nutzen zu erzielen, zu berücksichtigen.

Die Luxemburger Richter folgten damit im Kern der Empfehlung der EuGH-Generalanwältin Laila Medina vom September. Auch diese meinte, der von Google zu leistende Mehraufwand allein könne eine Zugangsverweigerung zumindest dann nicht rechtfertigen, wenn für die Entwicklung ein angemessener Zeitrahmen zur Verfügung stehe und dem beherrschenden Unternehmen eine angemessene Vergütung gezahlt werde. Schon 2021 erklärte der EuGH ein Recht auf Reverse Engineering: Der rechtmäßige Käufer eines Computerprogramms darf dieses ganz oder teilweise dekompilieren, um Funktionsfehler zu beheben und Interoperabilität sicherzustellen. Weitere höchstgerichtliche Entscheidungen sind vor allem rund um die neuen weitreichenden Interoperabilitätsvorgaben des Digital Markets Act (DMA) für "Torwächter" zu erwarten.

(emw)