EU-Kommission will Lieferkettengesetz deutlich aufweichen
Die EU-Kommission will den Kompromiss des EU-Lieferkettengesetzes neu verhandeln. 80 Prozent der Unternehmen würden aus der Transparenzpflicht entlassen.
(Bild: Daniel AJ Sokolov)
Das EU-Lieferkettengesetz möge später greifen, dann nur noch ein Fünftel der derzeit vorgesehenen Unternehmen betreffen und weniger Informationen zutage fördern. Darum bittet die EU-Kommission. Zur Begründung verweist sie auf den von den EU-Staatschefs beschlossenen Auftrag zu Bürokratieabbau, speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Ziele sind stärkere Resilienz und bessere Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR).
Der am Mittwoch veröffentlichte Vorschlag enthält bereits detaillierte Vorschläge zur Anpassung vierer Richtlinien: der Buchprüfungsrichtlinie, der Bilanzrichtlinie, der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) und der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) selbst. Letztere sollte ab 2027 in drei Wellen (je nach Unternehmensgröße) Wirkung entfalten. Die zweite und dritte Welle der Lieferkettenrichtlinie möchte die EU-Kommission um zwei Jahre verschieben lassen.
Videos by heise
Die im Vorjahr beschlossene Lieferkettenrichtlinie soll die Wirtschaftsmacht des EWR in den Dienst von Menschenrechten und Umweltschutz stellen. Durch Transparenzpflichten sollen Unternehmen, die beispielsweise von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren, zur Rechenschaft gezogen werden können. Größere Unternehmen sollen zudem ihr Geschäftsmodell an das Pariser Abkommen zum Klimawandel anpassen. Auch ausländische Unternehmen, die im EWR viel Umsatz machen, sind einbezogen. Bislang ausgenommen sind KMU, die weder im Finanzbereich tätig noch börsennotiert sind, sowie alle Kleinstunternehmen. Letztere sind definiert durch eine einstellige Anzahl an Mitarbeitern und entweder weniger als 450.000 Euro Bilanzsumme oder weniger als 900.000 Euro Jahresumsatz.
Diese Grenzen möchte die EU-Kommission auf 1.000 Mitarbeiter und entweder 25 Millionen Euro Bilanzsumme oder 50 Millionen Euro Umsatz anheben. Sofort wären etwa 80 Prozent der bislang Erfassten befreit. Nur etwa 6.000 EU-Unternehmen und 900 von außerhalb blieben übrig. Zudem ist die EU-Kommission gegen branchenspezifische Vorgaben für die Berichterstattung; diese sind bislang für Risikobranchen gedacht, in deren Lieferketten es häufig zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden kommt.
Für den Rest soll es einfacher werden
Auch für die großen, weiterhin erfassten Unternehmen soll es einfacher werden. Sie sollen nicht mehr dazu angehalten werden, Informationen bei nicht von dem Transparenzgebot erfassten KMUs einzuholen, um die Lieferkette beschreiben zu können. Will heißen: Nur wenn große Unternehmen bei anderen großen Unternehmen einkaufen, die das Gelieferte selbst verantworten, müssen sie auf Menschenrechte und Umweltschutz im Sinne dieser Richtlinien achten.
Eine weitere Erleichterung betrifft die Form der Berichterstattung: Manche Themen sollen nicht mehr umfasst sein. Bei anderen sollen die Firmen, anstatt Dinge zu erläutern, bloß Zahlen angeben. Zudem möchte die EU-Kommission auf Standards für die Offenlegungen gänzlich verzichten. Stattdessen soll es unverbindliche Richtlinien geben, und die nur für einzelne Themengebiete. Komplett entfallen soll eine für die Zukunft als Option vorgesehene Vertiefung der Transparenz.
Deutschland hat bereits ein Lieferkettengesetz. Die EU-Version geht aber über dessen Vorgaben hinaus. So ist im deutschen Gesetz ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind.
(ds)