Datenschutz verbietet österreichische Wetter-Webcam
Eine Panorama-Webcam zeigt Straßen und Häuser Zwettls. Auf Beschwerde eines Anrainers untersagt die österreichische Datenschutzbehörde die Webcam in der Form.
Ein EigentĂĽmer eines im Bild befindlichen Wohnhauses nimmt AnstoĂź an dem minĂĽtlichen Webcam-Bild.
(Bild: webcam.zwettl.cc)
Vielen österreichischen Webcams droht das Aus. Grund ist eine Entscheidung der Datenschutzbehörde des Landes. Sie trägt dem Betreiber einer Wetter-Webcam auf, diese so einzustellen, dass das Haus eines Beschwerdeführers nicht mehr erfasst wird. Das kommt einem Betriebsverbot gleich.
Denn egal wie die Webcam gedreht würde, irgendein Wohnhaus wäre immer im Blickfeld – außer, sie würde gen Himmel gerichtet. "Ob das interessant ist, darüber kann man geteilter Auffassung sein", meinte der geschäftsführende Gesellschafter der TZ-COM Thomas Zimmermann Computer GmbH, im Gespräch mit heise online. Zimmermanns Firma betreibt die Webcam in der niederösterreichischen Kleinstadt Zwettl seit 2017, um den Tourismus der Stadt zu fördern. Eigeninteresse verfolge die Firma keines.
Videos by heise
Es dürfte die einzige öffentliche Webcam der Stadt sein. In einem minütlich erneuerten Standbild sind zwei öffentliche Straßen, ein beschrankter Bahnübergang, der Himmel sowie das Stadtpanorama mit diversen Liegenschaften zu sehen. Die aktuelle Lufttemperatur wird im Bild eingeblendet, nebst Datum und Uhrzeit. Wer möchte, kann sich anhand der Webcambilder über Wetterlage und Straßensituation informieren und sehen, ob der Bahnschranken gerade geöffnet ist. Einen Livestream gibt es ebenso wenig wie Zoom- oder Schwenkfunktion. Ein Bildarchiv stellt der Betreiber nicht zur Verfügung, zumal er laut eigenen Angaben die Aufnahmen auch selbst nicht speichert.
Kennzeichen oder Personen unkenntlich
Die Auflösung der minütlichen Bilder beschränkt sich auf 1279 × 723 Pixel. Damit ist es nicht möglich, Autokennzeichen zu erkennen, Aufschriften zu lesen oder Personen zu identifizieren. Hingewiesen wird auf die Betreiberfirma, sonst gibt es keine Werbeschaltungen, also auch keinen Umsatz. Ein Lokalmedium hat 2017 und erneut im Mai 2024 positiv über die Webcam berichtet.
In den Jahren dazwischen wurde auf einer der im Bild befindlichen Liegenschaften ein neues Wohnhaus samt Parkmöglichkeit gebaut. Dessen Eigentümer hat sich im Mai 2024, wenige Tage nach dem zweiten Medienbericht über die Webcam, bei der österreichischen Datenschutzbehörde beschwert. Er gesteht dabei zwar ein, dass es sich "nicht um Überwachung im eigentlichen Sinn" handelt. Allerdings stört er sich daran, dass sein Gebäude, Autos und gegebenenfalls brennendes Licht im Bild sind. Die ganze Welt könne sehen, ob jemand zu Hause sei, "mit Vorahnung" könnten auch Personen zugeordnet werden.
(Bild:Â webcam.zwettl.cc)
Mit einem am 26. Februar signierten Bescheid, der heise online anonymisiert vorliegt, gibt die Datenschutzbehörde der Beschwerde statt, verhängt aber keine Geldstrafe. Sie verweist auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und Paragraph 1 des österreichischen Datenschutzgesetzes. Dieser verbrieft Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, "soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht." Ausgeschlossen ist dieses Recht für allgemein verfügbare Daten, oder wenn sie nicht auf den Betroffenen zurückgeführt werden können.
Bescheid: "Kamera verletzt Recht auf Geheimhaltung"
Die Behörde stellt fest, dass die Kamera das Recht auf Geheimhaltung verletzt, "indem der Aufnahmebereich der (…) Kamera auch das Wohnhaus des Beschwerdeführers erfasst." Daher sei die Kamera so einzustellen, dass das Wohnhaus des Beschwerdeführers nicht mehr erfasst werde. Das wäre vielleicht möglich, aber nur, bis sich der nächste Anrainer beschwert.
Daher sieht der Betreiber keine andere Möglichkeit, als die Webcam abzuschalten, sollte der Bescheid rechtskräftig werden. Diesen kann Zimmermann nicht nachvollziehen: "Das würde sehr viele Webcams betreffen, denn in sehr vielen Fällen sind irgendwelche Gebäude oder irgendwelche Parkplätze erkennbar." Obwohl seine Firma mit der Webcam nichts verdient, möchte er den Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht prüfen lassen. Ziel sei, "Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Behörden bisweilen Bescheide erlassen, denen man logisch nicht folgen kann." Groll zwischen den Beteiligten gäbe es keinen, betont Zimmermann. Man kenne einander in Zwettl und möchte einfach feststellen lassen, wie die Rechtslage sei. Österreichische Judikatur zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Wettercams ist heise online nicht bekannt.
Vor Inkrafttreten der DSGVO hat sich die damalige Datenschutzkommission, soweit bekannt, einmal mit einem ähnlichen Fall befasst. Dabei empfahl sie 2013, eine Webcam mit stündlichem Archiv so einzustellen, dass ein bestimmtes Gebäude nicht erfasst wird (Gz. K212.780/0004-DSK/2013). Allerdings stellte die Behörde damals auch fest, dass eine solche Webcam Datenschutzrecht nur dann verletzt, "wenn das Informationsinteresse mit einem gelinderen Mittel befriedigt werden kann und doch ein nicht unbeträchtlicher Eingriff in datenschutzrechtlich geschützte Rechtspositionen vorliegt."
Da der Bescheid der Redaktion nur anonymisiert vorliegt, war es nicht möglich, eine Stellungnahme des Beschwerdeführers einzuholen. Er ist der Redaktion nicht bekannt.
(ds)