Gigabitförderung: Immer mehr Länder geben Förderbescheide zurück
Die Förderung von schnellem Internet schiebt eine Milliarden-Euro-Bugwelle vor sich her. Und immer häufiger werden Förderbescheide zurückgegeben.
(Bild: juerginho/Shutterstock.com)
Von den 8,3 Milliarden Euro, die zur Förderung des Glasfaser-Ausbaus bewilligt wurden, sind für die Förderjahre 2021 bis 2024 gerade einmal 91 Millionen Euro tatsächlich kassenwirksam geworden, also von den Antragstellern auch wirklich abgerechnet worden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor.
Die Fördermittel werden erst ausgezahlt, nachdem die geförderten Ausbauarbeiten abgeschlossen wurden und die Rechnungen vorliegen. Für die Haushälter des Bundes ist die Langsamkeit von Prozess und Baufortschritt daher kostensparend: Solange die Mittel nicht real in Anspruch genommen sind, muss der Bund für diese auch keine Kredite aufnehmen und es fallen auch keine Zinsen an. Im Haushaltsdeutsch heißen solche Mittel "gebunden", weil sie fest zugesagt sind. Allerdings heißt es vor allem auch eines: von den geplanten Maßnahmen ist ein sehr großer Anteil auch nach Jahren nicht abgeschlossen.
Besonders auffällig ist der Unterschied bei den bewilligten und abgeflossenen Mitteln bei vier Bundesländern: Für Mecklenburg-Vorpommern wurden über die Jahre zwar fast 500 Millionen Euro zugesagt – tatsächlich genutzt und abgerechnet wurden aber gerade einmal 28.146 Euro. Auch Brandenburg schafft es offenkundig nicht, seine Breitbandprojekte umzusetzen: von gut 500 Millionen Euro sind hier erst 50.000 Euro tatsächlich abgerufen. Doch auch in den anderen Bundesländern ist die Diskrepanz zwischen bewilligt und bezahlt enorm: rechnerisch am besten stehen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg da, die immerhin jeden 55. beziehungsweise jeden 66. Förder-Euro abgerufen haben. Doch im Fall von Baden-Württemberg ist das keineswegs Ausweis eines gut voranschreitenden Breitbandausbaus.
Länder geben Förderbescheide zurück
Insgesamt 1,65 Millionen Anschlüsse sollen in den Förderprogrammen Gigabit und Gigabit 2.0 gefördert werden – und dabei sind bereits jene 42.000 Anschlüsse herausgerechnet, bei denen die Antragsteller zwischenzeitlich zurückgezogen haben. Bayern ist mit erst bewilligten und dann zurückgezogenen Anträgen für insgesamt 115 Millionen Euro Spitzenreiter. Das zweite Flächenland Baden-Württemberg folgt mit 31,4 Millionen Euro, das einwohnerstärkste Bundesland NRW hat 18,7 Millionen Euro für nicht mehr notwendig erklärt und das vergleichsweise kleine Thüringen gab Fördermittel von fast 16 Millionen Euro wieder frei.
Für die Branche ist das keine Überraschung: "Die Umsetzung von Förderprojekten dauert durchschnittlich sieben Jahre und ist sehr komplex", sagt Sven Knapp, Leiter des Hauptstadtbüros des Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Die Idee, dass die staatliche Ausbauhilfe den Gigabit-Ausbau beschleunigen würde, sei falsch, meint er – sie sei aber für sonst unwirtschaftliche Gebiete die einzige Möglichkeit, die aber nach wie vor zu kompliziert sei. "Die nächste Bundesregierung sollte die Vorgaben für die Gigabitförderung vereinfachen und an die Ausbaupraxis anpassen und ausschließlich und zielgerichtet in Gebieten fortsetzen, in denen die Internetversorgung besonders schlecht und ein eigenwirtschaftlicher Ausbau unwirtschaftlich ist", fordert Knapp.
Fast alle Breitbandverbände forderten immer wieder, dass die Mittel für den Breitbandausbau gekürzt werden. Digitalminister Volker Wissing (parteilos) hat für die Ampelkoalition die Förderung umgestellt und 2023 ein neues System für Förderanträge auf den Weg gebracht, die sogenannte Potenzialanalyse. Damit sollten Förderungen stärker nach Bedarfskriterien ermittelt werden.
Norden schlägt Süden
Seit der Umstellung der Förderung auf Mindestens-Gigabit-Anschlüsse, in der Regel also Glasfaseranschlüsse, steht insbesondere dieser Teil im Fokus. Spitzenreiter in der Gigabit-Versorgung (FTTH oder FTTB) ist laut der Bundesregierung derzeit der Norden: Hamburg weist demnach 73,15 Prozent FTTH/B-Quote auf, das Doppelküstenland Schleswig-Holstein 62,24, gefolgt von Niedersachsen mit 59,53 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit etwa 45 Prozent und Bremen mit gut 40 Prozent.
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Während die bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen (35,32 Prozent), Bayern (31,8 Prozent), Hessen (27,54 Prozent) und Baden-Württemberg (22,59 Prozent) bereits deutlich dahinter liegen, dürfen Thüringen und das Saarland sich um die rote Laterne balgen: im Freistaat sind gerade einmal 15,77 Prozent mit FTTB oder FTTH erschlossen, im Saarland 16,38 Prozent. Offenbar haben landespolitische Entscheidungen hier einen massiven Unterschied gemacht. Was die Bundesregierung allerdings nicht weiß: wie viele der Anschlüsse auch tatsächlich genutzt werden – "Homes Activated" seien nicht separat erfasst.
Vollkommen unklar ist derzeit, wie die wahrscheinliche nächste Bundesregierung mit diesen Themen umgehen will. Im Sondierungspapier zwischen CDU/CSU und SPD ist die digitale Infrastruktur kein Thema – dass die Gigabitförderung ganz eingestellt wird, ist allerdings nicht wahrscheinlich. Und vorerst sind ja auch noch genug offene Baustellen abzurechnen.
(olb)