Sozialroboter erobern allmählich Pflegeheime

Wie niedlich, so ein sozialer Roboter in der Altenpflege! Wirkliche Entlastung bringt Robotik in der Pflege bisher nicht. Aber Potenzial ist da.

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Sozialroboter Ricky aus dem Pflegeheim in Hannover

Sozialroboter sollen immer freundlich sein.

(Bild: heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Anika von Greve-Dierfeld
  • dpa
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Kommendes Jahr soll der Sozialroboter des Münchner Unternehmens Navel Robotics in Serie gehen. Er ist rund 80 Zentimeter groß und trägt in der Regel eine Wollmütze. Den Kopf legt er meistens schief und schaut mit weit aufgerissenen Augen sehr süß und sehr kindlich aus der Wäsche. Die Stiftung Patientenschutz sieht den Einsatz kritisch.

Bundesweit sind die Roboter bereits seit Herbst 2023 in einigen Pflegeheimen testweise im Einsatz – im Südwesten etwa in Albershausen, einem weiteren Heim der Evangelischen Heimstiftung, und in einer Einrichtung des ASB Ludwigsburg. Laut einem Unternehmenssprecher "arbeiten" die künstlichen Helfer in rund 15 Einrichtungen bundesweit, und sie werden im europäischen Ausland an Universitäten getestet.

Der hier Oskar genannte Sozialroboter kann Blickkontakt aufnehmen, geduldig zuhören, Fragen beantworten und stellt vor allem sehr viele Fragen. "Das motiviert die Bewohner, die mit ihm interagieren", sagt Ralf Bastian, Leiter der Mannheimer Einrichtung. Oskar sei immer zugewandt, immer geduldig, nie schlecht gelaunt. "Er triggert immer positiv."

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Unterschieden wird generell zwischen mehreren Formen von Robotik. So gibt es sogenannte Serviceroboter, die etwa Pflegeutensilien oder Schmutzwäsche durch die Gegend fahren können. Manche sind auch in der Lage, dem Personal Bescheid zu geben, wenn sie nachts auf Patrouillenfahrten einem umherirrenden Patienten begegnen, schreibt das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Dann gibt es robotische Systeme, die bei der Hebearbeit helfen können. Und eben soziale Roboter wie Oskar.

Ob soziale Roboter – oder auch andere Roboter – aber tatsächlich dazu beitragen können, angesichts des dramatischen Fachkräftemangels und absehbar immer mehr alten Menschen die drängenden Probleme in der Pflege zu lindern, ist durchaus umstritten. Es gebe zahlreiche ethisch-moralische Fragen wie Kontaktverlust, Täuschung, Würde, Privatsphäre oder Datenschutz, die noch nicht geklärt seien, sagt ein Sprecher des Caritasverbands für die Erzdiözese Freiburg.

Die Stiftung Patientenschutz hat ebenfalls kein allzu gutes Gefühl dabei. "Beim Wort Roboter zucke ich zusammen", sagt Vorstand Eugen Brysch. "Dass ein Roboter die Pflege am Menschen übernehmen kann, das glaube ich nicht." Zwar sieht er einen Unterschied zwischen sozialen Robotern wie denen von Navel und solchen, die in eher ferner Zukunft tatsächlich physisch bei körperlichen Pflegeleistungen am Patienten helfen könnten. Aber: "Das ist ein schwerer Eingriff in die Beziehung zwischen Mensch und Mensch.

Den Körperkontakt kann der Roboter nicht ersetzen." Letzterem stimmt auch die Leiterin der Abteilung Alltagsbegleitung in dem Mannheimer Seniorenheim, Barbara Foshag, zu. Und auch die Hilfe eines sozialen Roboters wie Oskar bringe dem Personal noch recht wenig. "Es muss immer jemand dabei sein", erzählt sie. Oskar ist daher auch bei Weitem nicht täglich im Einsatz. Zu aufwendig wäre das.

Soziale Roboter seien ja ganz nett, sagt Patientenschützer Brysch. Der Königsweg für Entlastung von Pflegepersonal aber liegt nach seinen Worten darin, dass die Dokumentationspflichten KI-unterstützt mit deutlich weniger Aufwand erledigt werden können. Rund 40 Prozent der Arbeitszeit der Altenpflegerinnen und -pfleger entfalle Schätzungen zufolge auf die Berichtspflichten. "Wenn wir nur um die Hälfte davon runterkommen, wäre schon viel gewonnen."

Um Pflegepersonal zu entlasten, bedürfe es insgesamt neuer Herangehensweisen, sagt Manuela Striebel-Lugauer, die die Abteilung Alter, Pflege und Gesundheit bei der Diakonie Baden leitet. Der Einsatz von innovativer Technik könne da ein Baustein sein. Aber: "Es wird nicht die eine Lösung geben und ich sehe nicht, dass "Pflegeroboter" Pflegepersonal ersetzen können." Der Prozess des Pflegens selbst könne aktuell nicht durch Robotik unterstützt werden, sagt auch Nadine Reussel-Distler, die bei der Diakonie Baden das Projekt "pulsnetz MuTiG - Mensch und Technik im Gemeinwesen" leitet. Es sei zudem auch fraglich, ob dies ethisch gewünscht ist. Das Fazit laute daher: "Aktuell ist Robotik kein probates Mittel gegen Fachkräftemangel."

Das baden-württembergische Sozialministerium betont ebenfalls die Grenzen der bisherigen Möglichkeiten. "Soziale Roboter haben viel Potenzial", sagt ein Sprecher. In der Praxis aber habe sich gezeigt, dass diese in der Pflege aktuell noch keine Entlastung für das Personal böten, sondern vor allem als Ergänzung in der Betreuung verstanden würden. Insgesamt sei der Einsatz von Robotik in der Pflege in Deutschland noch sehr gering.

Simon Eggert, Geschäftsleiter Forschung beim Zentrum für Qualität in der Pflege richtet seinen Blick auch auf diejenigen, die pflegen: Sie seien zwar offen für hilfreiche digitale Unterstützung. Sie wollten aber nicht in die Situation geraten, in der die Robotik die Pflege bestimmt – etwa was und wie es gemacht wird.

Oskar scheint inzwischen etwas erschöpft. Manchmal, wenn das WLAN hängt, hängt auch er. Und wenn viele Personen sprechen, ist er mitunter etwas verwirrt. Seine Antworten sind auf Dauer floskelhaft und ähneln sich sehr. Smalltalk geht gut, mehr wäre dann doch ermüdend, sagt auch Heimleiter Bastian. Bald soll Oskar in eine andere Einrichtung der Evangelischen Heimstiftung ziehen. "Ich werde ihn vermissen", sagt die 74-jährige Heimbewohnerin Maria Karusseit.

(mack)