Im vernetzten Haus hat die Zukunft bereits begonnen

Die erste Familie, die dauerhaft in einem vernetzten Haus lebt, heißt Steiner und wohnt im Schweizer Kanton Zug. Die Steiners haben dabei schon Dinge erlebt, die sie bisweilen an der "Intelligenz" ihres Hauses zweifeln ließ.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 182 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Verena Wolff
  • dpa

Wenn die Gewitterwolken vor dem Bürofenster dichter und dunkler werden, nagt bei vielen die Ungewissheit: Sind zu Hause die Fenster zu, die Jalousien heruntergefahren? Geht es nach dem Willen einiger Forscher, senken sich die Rollläden schon bald automatisch -- und auch sonst wird daheim mit Hilfe der Technik einiges komfortabler und sicherer. Ambient Intelligence ist wieder einmal ein neuer Name für die Technik, die dahinter steht. Sie wird derzeit in verschiedenen Städten in Prototypen der Zukunftshäuser erprobt.

Die erste Familie, die dauerhaft in einem solchen vernetzten Haus lebt, heißt Steiner und wohnt im Schweizer Kanton Zug. Die Steiners haben dabei schon Dinge erlebt, die sie bisweilen an der "Intelligenz" ihres Hauses zweifeln ließ. Beispielsweise standen der Informatiker und die Lehrerin eines kalten Abends vor der verschlossenen Eingangstür mit biometrischem Türöffner. Doch der Sensor erkannte ihre Fingerabdrücke nicht. "Wir kennen diese Sensoren nur aus den Hochsicherheitsbereichen bei Banken", erklärt Beat Schertenleib, Sprecher des Projekts FutureLife. Dort sind Temperatur und Luftfeuchtigkeit vorhersehbar und konstant -- auf Minusgrade war das Gerät nicht eingestellt.

Aber das Positive überwiegt Familie Steiner zufolge: "Es ist angenehm, sich unabhängig zu fühlen, da wir unser Haus mobil bedienen, abfragen und steuern können." Eine Maschine bewässert automatisch den Rasen, und auch um den Wochenendeinkauf müssen sie sich keine Sorgen machen. Die so genannte Skybox kann Pakete und Lebensmittel in Empfang nehmen, auch wenn niemand da ist. Der Zugang wird mit einem elektronischen Schlüssel oder einer Karte mit einem Zugangscode geregelt -- der Besitzer bekommt eine SMS, sobald die Ware da ist.

Was in der Schweiz das Projekt FutureLife ist, sind in Duisburg das inHaus und in Eindhoven das HomeLab. In diesen Haushalten wird jedoch nur zur Probe gewohnt. Diplom-Ingenieur Klaus Scherer vom Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) in Duisburg macht darauf aufmerksam, dass ein Teil dieser Zukunftsmusik bereits heute in normalen Häusern gespielt werden kann. "Die Komponenten und Geräte hierzu sind bereits am Markt."

Energieeinsparung ist damit genauso möglich wie die Telebedienung von Hausfunktionen über das Internet oder ein kombiniertes Sicherheitssystem mit vernetzten Rauch- und Bewegungssensoren. "Damit werden Brände, Einbrüche und Notlagen von hilflosen Personen erkannt und gemeldet", erläutert Projektleiter Scherer.

Dabei legen die Wissenschaftler nach eigenen Angaben Wert darauf, dass die fortgeschrittene Technik für die Nutzer nicht zu kompliziert wird. "Beim smarten Wohnen befinden wir uns zwischen der Phase des Komplizierten mit starken Tendenzen zum Einfachen." So verfügt das inHaus nicht mehr über viele Fernbedienungen für die verschiedenen Geräte, sondern nur noch über eine "integrierte Systembedienung". Damit lässt sich Klaus Scherer zufolge zum Beispiel sowohl die Raumtemperatur einstellen als auch die Jalousie herunterfahren.

Serienreif und im Handel erhältlich ist bereits der Multimedia-Kühlschrank von LG Electronics. Er schlägt Alarm, wenn Verfallsdaten erreicht sind und meldet ausgehende Lebensmittel. Mit dieser Kühlbox wird die Küche außerdem zur Schaltzentrale des Haushalts -- andere Geräte lassen sich über den Kühlschrank steuern. Außerdem spielt das Gerät Musik und Filme ab.

Auch wenn das smarte Wohnen theoretisch bereits möglich ist, beschränkt sich die Vernetzung im Haus in der Praxis meist noch auf die Unterhaltungselektronik. In diesem Bereich können viele Geräte dank WLAN bereits miteinander kommunizieren. "Im Wohnzimmer führen wir die IT- und die AV-Welt immer stärker zusammen", erklärt Nils Seib, Pressesprecher bei Sony in Köln.

Dabei kommt das Herzstück meist aus der Informationstechnologie: "Der Computer ist der Server und das Archiv des Heimnetzwerks -- er spielt die zentrale Rolle als digitaler Schuhkarton, in dem alles gesammelt wird", so Seib. Alle multimedialen Inhalte, die auf dem Server liegen, werden über den Network Media Receiver, eine kleine silberne Box, an die audiovisuellen (AV) Geräte im Haus verteilt -- mit und ohne Kabel.

Der Nutzer kann über ein Menü auf dem Fernseher alle angeschlossenen Geräte bedienen. Im Gegensatz zu manchen anderen Herstellern haben sich die Japaner nicht für eine so genannte proprietäre Lösung entschieden. Das heißt, der Network Media Receiver kann nicht nur zusammen mit anderen Sony-Komponenten betrieben werden. "Man ist völlig frei, was die Ausgabegeräte angeht", so Seib.

Philips verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Allerdings können bei der niederländischen Firma mit Deutschlandsitz in Hamburg die Geräte auch ohne Hilfe eines Computers miteinander agieren. Mit einem digitalen drahtlosen Medienempfänger, der einem flachen DVD-Player gleicht, werden hier die Medienbrüche überwunden. Das vernetzte Unterhaltungszentrum läuft dort serienmäßig drahtlos, die Inhalte werden vom PC oder aus dem Internet gestreamt.

Auch Philips hält nach Angaben von Pressesprecher Jean-Philippe Roman nichts von geschlossenen Lösungen. "Wir haben bewusst keine eigenen Standards entwickelt, denn niemand hat Geräte nur von einem Hersteller." Viel wichtiger sei die Bedienerfreundlichkeit, auch bei sehr komplexen Geräten. "Man muss mit den Geräten zurechtkommen, ohne Computerexperte zu sein."(Verena Wolff, dpa)/ (tol)