KI-Update kompakt: NOYB-Beschwerde, Open Source, Apple Intelligence, KI-Brücke
Das "KI-Update" liefert werktäglich eine Zusammenfassung der wichtigsten KI-Entwicklungen.
- Isabel Grünewald
- The Decoder
ChatGPT macht Mann zu Mörder
Der Datenschutzverein Noyb hat bei der norwegischen Datenschutzbehörde Beschwerde gegen OpenAI eingereicht. Grund ist der Fall eines Norwegers namens Arve Hjalmar Holmen, über den ChatGPT fälschlicherweise behauptete, er habe zwei seiner drei Kinder ermordet und sei zu 21 Jahren Haft verurteilt worden. Die Beschwerde des Datenschutzvereins Noyb betrifft die Falschbehauptungen von ChatGPT.
Die Antwort des KI-Systems enthielt zwar einige korrekte Fakten wie Holmens Heimatort sowie Anzahl, Geschlecht und Alter seiner Kinder. Die Behauptungen über angebliche Morde sind jedoch vollständig erfunden. Wie ChatGPT zu diesen falschen Informationen kam, ist unklar.
OpenAI beruft sich darauf, dass ChatGPT mit einem Hinweis auf mögliche Fehler versehen sei. Noyb argumentiert jedoch, dass ein solcher "winziger Hinweis" nicht ausreicht, um gesetzliche Verpflichtungen zur Datenrichtigkeit zu umgehen. Die DSGVO sieht vor, dass Menschen ein Recht haben, gegen Unwahrheiten über ihre Person vorzugehen und Richtigstellungen zu verlangen.
Ein technisches Problem dabei: Bei KI-Modellen lassen sich Daten nicht nachträglich löschen oder ändern. Es können lediglich bestimmte Prompts oder Themen gesperrt werden. Holmen selbst äußerte Sorge, dass Menschen denken könnten, "es gibt keinen Rauch ohne Feuer".
Noyb fordert ein Bußgeld, um die Ernsthaftigkeit des Problems mit KI-Halluzinationen zu verdeutlichen. Die norwegische Datenschutzbehörde muss nun über den Fall entscheiden.
KI-Modelle auf Basis von Gehirnsimulationen
Microsoft und das Schweizer Start-up Inait haben eine Zusammenarbeit angekündigt, um KI-Modelle auf Basis von Gehirnsimulationen zu entwickeln. Die Technologie soll Microsoft helfen, sein KI-Angebot für Geschäftskunden zu erweitern, mit Schwerpunkt auf Anwendungen in der Finanzbranche und Robotik. Die Inait-Technologie basiert nach eigenen Angaben auf zwanzig Jahren Hirnforschung und umfasst 18 Millionen Codezeilen zur Simulation von Säugetiergehirnen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen KI-Systemen soll sie aus realen Erfahrungen statt nur aus vorhandenen Daten lernen können. Die gehirnbasierten KI-Modelle versprechen mehrere Vorteile: Sie sollen energiesparender arbeiten, schneller lernen als bestehende Systeme und auch nach der Auslieferung an Kunden weiterlernen können. Im Finanzsektor will man fortschrittliche Handelsalgorithmen und Risikomanagement-Tools entwickeln, bei der Robotik geht es um Industrieroboter, die sich besser an komplexe Umgebungen anpassen können.
Open-Sora 2.0 soll viel Leistung für "wenig" Geld liefern
Das Start-up HPC-AI Tech hat mit Open-Sora 2.0 ein KI-Modell zur Videogenerierung entwickelt, das qualitativ hochwertige Clips bei deutlich niedrigeren Trainingskosten erzeugen kann. Mit geschätzten 200.000 US-Dollar für das Training benötigt es nur etwa ein Zehntel der Kosten vergleichbarer Systeme. In Tests erreicht das Modell allerdings eine ähnliche Qualität wie etablierte kommerzielle Systeme. Die Benchmarks zeigen, dass Open-Sora 2.0 nur noch knapp hinter OpenAIs Sora liegt. Die geringe Kostenbasis basiert auf einem dreistufigen Trainingsverfahren und einem neuen Video-Autoencoder zur Komprimierung.
Das System erreicht höhere Kompressionsraten als bisherige Methoden und beschleunigt dadurch das Training um mehr als das Fünffache, während die Inferenzgeschwindigkeit um das Zehnfache steigt. Open-Sora 2.0 unterstützt die Generierung von Videos sowohl aus Textbeschreibungen als auch aus Einzelbildern. Das System könnte einen ähnlichen Effekt auf den Videomarkt haben wie DeepSeek bei Sprachmodellen: Es bietet vergleichbare Leistung wie kommerzielle Anbieter, senkt aber durch intelligente Trainingsmethoden die Kosten erheblich – was langfristig zu Preiskämpfen im Bereich der KI-Videogenerierung führen könnte.
Open Source ist das digitale Fundament der Weltwirtschaft
Eine neue Studie der Harvard Business School zeigt, dass Open-Source-Software (OSS) einen enormen wirtschaftlichen Wert darstellt. Unternehmen müssten ohne sie 3,5-mal mehr für Software ausgeben. Dabei erzeugen nur 5 Prozent der Entwickler 96 Prozent des gesamten Wertes.
Open-Source-Software (OSS) – Programme, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist und die oft dezentral entwickelt werden – bildet heute das Fundament der digitalen Wirtschaft. Laut der Studie ist OSS in 96 Prozent aller Codebasen vertreten und manche kommerzielle Software besteht bis zu 99,9 Prozent aus frei verfügbaren OSS-Komponenten.
Doch wie viel ist dieses digitale Gemeingut tatsächlich wert? Die Bewertung von OSS stellt Ökonomen vor ein grundsätzliches Problem: Da der Preis in der Regel Null ist und die Nutzungshäufigkeit schwer zu messen ist, lässt sich der Wert nicht mit der klassischen Formel "Preis mal Menge" berechnen.
Die Forscher nutzten zwei sich ergänzende Datensätze, um sowohl die interne als auch die externe Nutzung von OSS in Unternehmen zu erfassen. Daraus errechneten sie zwei Werte: den Angebotswert (was es kosten würde, alle weitverbreiteten OSS-Pakete einmal neu zu schreiben) und den Nachfragewert (was es kosten würde, wenn jedes Unternehmen, das OSS nutzt, diese selbst entwickeln müsste).
Nach ihren Berechnungen beträgt der Angebotswert 4,15 Milliarden US-Dollar. Der Nachfragewert übertrifft ihn jedoch mit geschätzten 8,8 Billionen Dollar um mehr als das 2000-Fache. Zum Vergleich: Die weltweiten Ausgaben für Software im Jahr 2020 belaufen sich laut Studie auf rund 3,4 Billionen Dollar. Ohne OSS müssten Unternehmen also das 3,5-Fache für Software ausgeben.
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Meta AI startet in der EU
Meta führt seinen KI-Assistenten "Meta AI" schrittweise auch in Deutschland und der EU ein. Der Dienst wird in WhatsApp, Facebook, Messenger und Instagram verfügbar und kann direkt in Chats angesprochen werden.
Der KI-Assistent ist über ein blaues, rundes Symbol in den Apps erreichbar. In WhatsApp kann er in bestehenden Chats durch die Eingabe von "@Meta AI" gefolgt vom Prompt aktiviert werden. In anderen Diensten muss er zunächst als eigenständiger Chat genutzt werden, wobei die Integration in Gruppenchats folgen soll.
Meta AI hat Zugang zum Internet und kann Fragen in Echtzeit beantworten. Zudem kann der Assistent themenrelevante Inhalte aus den verschiedenen Meta-Plattformen zusammenstellen, etwa bei der Urlaubsplanung.
Die Funktionen sind in der EU jedoch eingeschränkter als in den USA, wo Meta AI auch über die Smart-Brillen von Ray-Ban per Sprachbefehl nutzbar ist und zusätzliche Funktionen wie Bildgenerierung und Personalisierung bietet. Als Grund für die verzögerte und eingeschränkte Einführung in Europa nennt Meta die "komplexen regulatorischen Systeme". Das Unternehmen plant jedoch, das Angebot langfristig auf den gleichen Stand wie in den USA zu bringen.
Stability AI macht aus Fotos 3D-Modelle samt Kamerafahrt
Die neue Stable Virtual Camera soll aus 2D-Bildern 3D-Ansichten machen. Stability AI spricht von einer "Multi-View-Video-Generation mit 3D-Kamera-Kontrolle". Gemeint ist ein KI-Modell, das Fotos in 3D-Modelle umwandeln kann. Diese wiederum kann man rundherum anschauen, was eine immersive Ansicht ermöglicht. Um die 3D-Videos zu erstellen, nutzt Stability AI ein Diffusion-Modell. Das sind KI-Modelle, bei denen mittels eines Rauschens Bilder Punkt für Punkt erzeugt werden. Als Eingabe dient wahlweise ein einzelnes Foto oder bis zu 32 Bilder.
Die generierten Videos gibt es mit verschiedenen Kamerapfaden, etwa "dynamisch", "Spirale", "Dolly Zoom", "Schwenken" und mehr. Der Anbieter spricht im Blogbeitrag von "realistischer Tiefe und Perspektive – ohne komplexe Rekonstruktionen und szenenabhängigen Optimierungen". Das Konzept hinter dem Modell entspringt den Bedürfnissen von digitalen Kameras beim Filmemachen und bei 3D-Animationen. Nur sei dank KI deutlich weniger Input und Arbeit notwendig. Noch handelt es sich bei Stable Virtual Camera um eine Research Preview. Darum ist das Tool nur für Forschende unter einer nicht kommerziellen Lizenz auf HuggingFace oder über Github verfügbar.
Apple bleibt ein weiteres KI-Tool schuldig
Apple hat ein bei der Entwicklerkonferenz WWDC im Juni 2024 angekündigtes KI-Tool für Programmierer bis heute nicht geliefert. Das als "SwiftAssist" vorgestellte Werkzeug sollte in der Programmierumgebung Xcode 16 die Erstellung von App-Prototypen vereinfachen und Experimente mit Apples neuesten Entwicklerwerkzeugen erleichtern.
Laut der ursprünglichen Ankündigung sollte SwiftAssist mit zwei Vorteilen punkten: zum einen mit Apples eigenem Fachwissen zu Swift und SwiftUI, zum anderen mit einem strengen Datenschutzkonzept. Nutzerangaben sollten nicht zum Training von KI-Modellen verwendet und nicht auf Servern gespeichert werden.
Obwohl Xcode mittlerweile bei Version 16.3 angelangt ist, fehlt von SwiftAssist jede Spur. In Apples Entwicklerforen wächst der Unmut. Ein Nutzer kritisiert, dass die vorhandene Code-Vervollständigung im Vergleich zu Microsofts Copilot unzureichend sei. Ein anderer beklagt, dass alternative KI-Tools bei SwiftUI-Problemen nicht weiterhelfen könnten und nur Apple über das nötige Fachwissen verfüge.
Dies ist nicht das einzige KI-Versprechen, das Apple bisher schuldig geblieben ist. Auch die angekündigten Verbesserungen für den Sprachassistenten Siri wurden bislang nicht vollständig umgesetzt.
KI-Brücke soll Zustand in Echtzeit übermitteln
Dramatische Einstürze wie der Zusammenbruch der Carolabrücke im September in Dresden sollen künftig mit verbesserter Messtechnik und einer Datenauswertung durch Künstliche Intelligenz vermieden werden. Dazu wurde jetzt ein Pilotprojekt gestartet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat am Mittwoch eine 45 Meter lange und 4,5 Meter breite Forschungsbrücke in Bautzen zusammen mit Vertretern der Sächsischen Landesregierung, des Landkreises, der Technischen Universität Dresden (TUD) und der Firma Hentschke Bau eingeweiht. Die OpenLAB getaufte Straßenverbindung ist laut Wissing weltweit einmalig: Sie ist mit über 200 Sensoren ausgestattet, die eine lückenlose Zustandsüberwachung in Echtzeit erlauben sollen.
Die Messgeräte erfassen Temperatur, Neigung, Bewegung und weitere Einflussfaktoren für die strukturelle Integrität des Bauwerks. Mithilfe von KI sollen die so erhobenen Daten analysiert werden. Die Technik schlägt dem Plan nach dann Alarm, wenn sie Schäden frühzeitig erkennt. So sollen Instandhaltungsmaßnahmen zielgerichtet eingeleitet werden können. Die Spannbetonbrücke ist Teil des 2022 gestarteten Forschungsprojekts "Automatisierte Bewertung der Monitoringdaten von Infrastrukturbauwerken" (IDA-KI), das die TU Dresden koordiniert. Das Bundesverkehrsministerium fördert IDA-KI mit rund 3,8 Millionen Euro. "Künstliche Intelligenz ist ein Game-Changer, auch für den Erhalt unserer Straßen und Brücken", betonte Wissing. OpenLab liefere entscheidende Ansatzpunkte für eine "effizientere und kostengünstigere Wartung". Der scheidende Minister erhofft sich davon auch wertvolle Erkenntnisse für "die Modernisierung unserer Brücken und die Sanierung unserer gesamten Infrastruktur".
(igr)