Fliegen mit Google [Update]

Der Internetkonzern kauft die in den USA dominante Firma zum Sammeln und Auswerten von Flugreise-Informationen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Fliegen mit Google: Der Internetkonzern setzt in großem Stil auf das Online-Geschäft mit Flugtickets. Der Suchmaschinen-Primus kauft für 700 Millionen Dollar den amerikanischen Software-Anbieter ITA, der auf das Sammeln und Auswerten von Flugreise-Informationen spezialisiert ist. Google wolle Internet-Nutzern die Suche nach passenden Flugtickets erleichtern, kündigte der Konzern an.

Der hohe Kaufpreis zeugt unmissverständlich davon, dass Google mit glänzenden Geschäftsaussichten in diesem Bereich rechnet. Heute werde knapp jedes zweite Flugticket online gekauft, betonte Google-Managerin Marissa Mayer laut dpa. Es würden schnell immer mehr werden. Und Google-Chef Eric Schmidt meinte, ITA biete ein beindruckendes Produkt zur Organisation von Fluginformationen: "Ihre Technik eröffnet uns faszinierende Möglichkeiten, um Usern einfachere Wege zu bieten, Fluginformationen online zu finden." Es sei unwahrscheinlich, dass das, was Google mit ITA anstellen werde, dem ähneln werde, was heutzutage bereits verfügbar sei, betonte Schmidt zu der Übernahme.

ITA Software aus Boston sammelt Informationen über verfügbare Flüge und ihre Preise. Die Firma ist vor allem in den USA aktiv; sie lizenziert ihre Technik an Websites, über die man Flüge buchen kann, darunter etwa Expedia oder auch die Buchungssites einzelner Airlines. Das Geschäftsvolumen in Europa sei so gering, dass die Übernahme nicht bei den hiesigen Wettbewerbshütern angemeldet werden müsse, hieß es. Auch in den USA sollte es keine Bedenken der Wettbewerbshüter geben, meint man bei Google, da man bislang nicht mit ITA konkurriert habe und nicht auf diesem Geschäftsfeld aktiv gewesen sei. Das sehen allerdings nicht alle Beobachter so: In US-Kommentaren hieß es bereits, die Verbindung der größten Web-Suchsite mit der marktbeherrschende Site für die Suche nach Fluginformationen dürfte die Kartellwächter sehr wohl interessieren.

[Update]:
Pikant an der Übernahme ist, dass auch die Suchmaschine Bing des Google-Rivalen Microsoft zu den ITA-Kunden zählt. Laut dpa beeilte sich Google zu betonen, dass alle bisherigen Verträge erfüllt werden. Allerdings machen sich die Reise-Anbieter große Sorgen, schon seitdem es im April erste Medienberichte über Gespräche zwischen ITA und Google gegeben hatte. Dem Wall Street Journal zufolge sollen Expedia sowie die Wettbewerber Kayak, Travelport und Amadeus in den vergangenen Monaten gemeinsam versucht haben, ITA vor Google wegzuschnappen, die von wenigen Aktionären kontrollierte Firma ließ sie aber abblitzen.

Die bisherigen Eigentümer sollen nach Informationen der Zeitung zunächst eine Milliarde Dollar verlangt haben, Google habe aber den Preis gedrückt. ITA war in den 90er Jahren von Computerspezialisten gegründet worden und wird in der Branche hoch geschätzt. Flugreise-Informationen auszuwerten, ist ein hartes Geschäft: Die Preismodelle der Airlines sind oft verwirrend komplex, viele Passagiere in einem Flugzeug bezahlen völlig unterschiedliche Preise für ihren Flug. (jk)