Landwirtschaft: Grundlagen fürs Hacken schaffen
Forschungsprojekte zeigen, wie Pestizideinsatz mit Drohnenbildern, Künstlicher Intelligenz und Hackrobotern verringert werden könnte.
Flugdrohne und Controller vor einem Sorghumfeld
(Bild: Tobias Hase/StMELF)
Glaubt man Lobpreisungen von Innovationsevangelisten, Politikern und natürlich Anbietern, dann soll Künstliche Intelligenz für alles Mögliche irgendwie hilfreich sein. Doch wie sieht es in der Praxis aus, wenn KI-Anwendungen auf Realität treffen und ihre Nützlichkeit beweisen müssen?
Ausgerechnet im Ackerbau schießen im Windschatten von ChatGPT, Gemini, Claude und LLaMA Start-ups aus dem Boden. Die Wahrheit liegt auf dem Feld, wie ein Forschungsprojekt aus Bayern zeigt. Denn Herbizide kommen in der Landwirtschaft nach wie vor in großen Mengen zum Einsatz, trotz Ökolandbau und verschärften Grenzwerten. Ihr Einsatz soll reduziert werden. In Bayern etwa soll der Pestizideinsatz bis 2028 halbiert werden. Kann Digitalisierung helfen? Ansätze dazu werden erforscht – und sind vielversprechend.
Videos by heise
Die Landwirtschaft von heute ist bereits an vielen Stellen auf digitale Technik umgestellt. Von Boden- und Wetterdaten über die Saatoptimierung bis hin zur Ernteertragsmessung – ohne Computer geht im Landmaschinenzoo von heute kaum noch etwas. Die Skala der digitalen, landwirtschaftlichen Geräte reicht von großen Ernteungetümen bis hin zum kleinen Hackroboter, der weitgehend autonom über das Feld fährt. Und hacken soll er, was aus Landwirtssicht nicht dorthin gehört – fachsprachlich Beikräuter, landläufig Unkraut genannt. Doch woher soll die Maschine genau wissen, was dort nicht wachsen soll?
Sorghum ist eine Hirseart und Energiepflanze. Laut Daten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist es das fünftwichtigste Getreide der Welt, gemessen an der Anbaufläche (nach Weizen, Mais, Reis und Gerste). Sorghum erfreut sich unter Veganern und Vegetariern wachsender Beliebtheit. Bei deutschen Landwirten steht die Pflanze als nachwachsender Rohstoff für Biogasanlagen, die weniger Wasser als Mais erfordert, mit Dürreperioden gut umgehen kann und nicht viel Dünger benötigt, hoch im Kurs. Der Nachteil: Sorghum wächst zu Beginn relativ langsam. Das führt dazu, dass andere Pflanzen es überwuchern. Wie können Bauern das verhindern, ohne massenhaft Herbizide einzusetzen oder den Tag mit der Hacke auf dem Feld zu verbringen?
KI bis der Hacker kommt
In einem mehrjährigen Verbundprojekt haben Wissenschaftler der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, der Technischen Universität München, dem Technologie und Förderzentrum für Nachwachsende Rohstoffe und der Landesanstalt für Landwirtschaft Bayern die Beikrautbekämpfung am Beispiel der Sorghum-Pflanze erforscht. Die Zutaten: Flugdrohnen, KI und Robotik, drei Versuchsfelder und die Sorghum-Hirse. "Können wir mit Drohnen über Felder fliegen und Beikräuterherde kartieren? Können wir mithilfe intelligenter Robotik dann effizienter entfernen?", schildert Dominik Grimm die Fragestellung. Denn die Hack-Roboter seien bislang noch nicht in der Lage, hektarweise die Äcker abzufahren. "Fahrt dahin und entfernt das Unkraut", diese Information aus Drohnenbildern zu generieren ist das Ziel, erklärt Grimm, Professor für Bioinformatik an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Technischen Universität München.
Die Schwierigkeiten dabei sind nicht zu unterschätzen: False Positives führen zu weniger Ernteerträgen, False Negatives ebenfalls, wenn dann das falsche Kraut auf dem Acker wächst. Die Pflanzen verändern im Laufe der Zeit ihr Aussehen teils gewaltig, sowohl die erwünschten als auch die unerwünschten. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Zu viel zu hacken könnte vor allem an Hängen zu Bodenerosion führen, was auch nicht wünschenswert ist. Also ein bunter Strauß an Herausforderungen unterschiedlicher Art.
Keine GPU-Cluster nötig
Die allererste Schwierigkeit allerdings liegt schon beim Drohneneinsatz selbst. Für ihr Forschungsvorhaben setzten die Forscher mit voller Absicht auf handelsübliche Hardware: Kommerzielle Kleindrohnen kamen zum Einsatz, zwei DJI-Modelle unterschiedlicher Preisklassen.
Auch bei den verwendeten und getesteten Modellen für die Bilderkennung haben sie sich auf bereits vorhandene Machine-Learning-Algorithmen wie UNet, DeepLabv3+ und FCN konzentriert, erklärt Dominik Grimm. Dazu wurden vortrainierte Merkmaldatensätze aus allgemeinen, nicht landwirtschaftlichen Bilddaten eingesetzt.
Für diesen Anwendungsfall sei es unverhältnismäßig und nicht sinnvoll, nicht vortrainierte Algorithmen einzusetzen. Durch die getroffene Modellauswahl konnten die Forscher relativ schmale Grafikkarten aus dem Verbrauchersegment mit 24 Gigabyte Speicher einsetzen. Selbst auf einer RTX3060 würde es funktionieren, wenn man die Parameter etwas herunterschraubt, sagt Bioinformatiker Grimm: "Wir brauchen keine H100-Super-GPU-Cluster, um gute Ergebnisse zu produzieren."