Oberlandesgericht: Lidl muss Elektroschrott kostenlos zurücknehmen

Lidl wollte die gesetzliche Rücknahmepflicht von Elektro-Altgeräten für Lebensmittelhändler als verfassungswidrig einstufen lassen. Vorerst wird daraus nichts.

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(Bild: Morten B/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat auf Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) entschieden: Lidl muss in größeren Läden ausgediente Elektrokleingeräte unentgeltlich zurücknehmen. Bei Testbesuchen der DUH hatten Verkäufer von Lidl-Märkten zuvor die seit mehreren Jahren gesetzlich vorgeschriebene Entgegennahme elektrischer Kleingeräte in Form eines alten Kopfhörers sowie eines Ladegeräts und eines -kabels verweigert.

Der Bundestag beschloss 2021 die Reform des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG). Damit sind Lebensmittelhändler, Supermärkte und Discounter mit einer Verkaufsfläche von mindestens 800 Quadratmetern verpflichtet, beim Verkauf elektronischer Apparate wie Rasierer, Handys oder Powerbanks diese auch zurückzunehmen. Bis zu einer Kantenlänge von 25 cm soll das Rückgaberecht nicht davon abhängen, ob die Kunden auch ein neues Gerät kaufen.

Die Norm sei verfassungswidrig, führte Lidl ins Feld, weil sie Lebensmittelhändler im Vergleich zu anderen Einzelhändlern sachwidrig ungleich behandele und damit gegen Artikel 3 Grundgesetz verstoße. So seien vor allem Drogeriemärkte, die gleichfalls Elektroartikel im Sortiment haben, grundlos von der Rücknahmepflicht ausgenommen. Das Unternehmen verlangte daher, die Klage abzuweisen oder sie dem Bundesverfassungsgericht beziehungsweise dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen.

Die Berufung von Lidl "hat keinen Erfolg", entschied das OLG in seinem jetzt veröffentlichten Urteil vom 11. März (Az.: 9 U 1090/24). Das Elektrogesetz diene der Umsetzung der Richtlinie. Es gehe darum, Sammelquoten zu erhöhen und die Umweltschutzleistung aller in den Lebenszyklus einbezogenen Beteiligten inklusive Hersteller, Vertreiber, Verbraucher und der unmittelbar mit der Sammlung und Behandlung von Elektronik-Altgeräten Befassten zu verbessern.

Der EU-Gesetzgeber habe dafür nur Mindestnormen aufgestellt, betonen die Richter. Er lasse den Mitgliedstaaten offen, darüber hinausgehende Vorschriften zur Rücknahme von Elektrogeräten zu treffen, um die geforderten Sammelquoten tatsächlich zu erreichen. Das sei derart offenkundig, "dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt". Der EuGH sei daher nicht gefordert.

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Auch einen Verstoß gegen das Grundgesetz kann das OLG nicht feststellen. Zur Erhöhung der Sammelquote dürfe sich der Gesetzgeber zunutze machen, dass Verbraucher regelmäßig Einzelhändler für ihre Lebensmitteleinkäufe aufsuchen. Lebensmittelhändler trügen mit ihrem regelmäßigen, großen und für sie gewinnsteigernden Elektroangebot auch eine Produktverantwortung mit. Eine willkürliche Ungleichbehandlung mit vergleichbaren Verkaufsstätten wie Drogerien sei auch nicht gegeben. So dürften auch diese prinzipiell dem Anwendungsbereich des Artikels 17 ElektroG unterfallen. Ferner sei dem Gesetzgeber hier ein weiterer Ermessensspielraum zuzugestehen.

Eine Revision ließ das OLG nicht zu. Lidl kann aber eine Beschwerde dazu beim Bundesgerichtshof einlegen. "Deutschland hat laut den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts 2023 nur 29,5 Prozent statt der gesetzlich vorgeschriebenen 65 Prozent Elektroschrott gesammelt", kommentierte DUH-Geschäftsführerin Barbara Metz das Urteil. "Unkomplizierte, verlässliche Sammelstellen sind ein wesentlicher Faktor, dieses massive Umweltproblem in den Griff zu kriegen." Die Organisation werde daher auch weiterhin überprüfen, ob sich Lidl und andere Händler an Recht und Gesetz halten. Wegen der andauernden Unterschreitung der gesetzlichen Sammelquote für E-Schrott hat die EU-Kommission erste Schritte für ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

(mki)