Elektronische Patientenakte: Testphase läuft schlechter als erwartet
Der Start der elektronischen Patientenakte 3.0 in den Testregionen läuft schlechter als erwartet. Daher sind Ärzte gegen einen bundesweiten Start ab April.
(Bild: Shutterstock.com/raker)
Der Start der elektronischen Patientenakte, der ePA 3.0, in rund 230 Praxen in Hamburg, Franken und Teilen von Nordrhein-Westfalen, stößt auf gemischte Reaktionen. Inzwischen wurde zwar für alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprochen haben, eine ePA angelegt, unklar ist jedoch, wann diese auch aktiv genutzt wird.
Die ePA läuft bei 71,8 Prozent der teilnehmenden Ärzte schlechter als erwartet. Das geht aus einer Umfrage der Stiftung Gesundheit hervor, an der 41 Ärzte in Testpraxen in Franken, Hamburg und Nordrhein-Westfalen teilgenommen haben. 15,4 Prozent wurden demnach "positiv überrascht".
Vor allem die Software bereitet den Ärzten der Umfrage zufolge Sorgen: 61 Prozent der Befragten sehen hier noch Verbesserungsbedarf vor dem bundesweiten Rollout. Sie kritisieren unter anderem fehlerhafte oder nicht vorhandene Funktionen sowie einen hohen Zeitaufwand bei der Bereitstellung der Software.
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Über die Hälfte der Ärzte (53,7 Prozent) bemängelt zudem die unzureichende Bereitstellung von Informationen für Patienten, etwa von Krankenversicherern. Viele Patienten seien schlecht informiert und erwarteten, dass die Praxis sich um alles kümmere.
Datensicherheit und Einrichtungszeit
Mehr als 50 Prozent sorgen sich zudem um die Datensicherheit der ePA. Speziell die Sicherheit bei Cyberangriffen und der Schutz der Daten von Jugendlichen – auch vor den eigenen Eltern – in psychotherapeutischer Behandlung sind den Ärzten ein Anliegen. Die Einrichtung der Software und die Schulung der Mitarbeiter erfordere ebenfalls Zeit. Bei mehr als der Hälfte der befragten Ärzte dauerte dieser Prozess bis zu drei Tage, in einigen Fällen sogar einen Monat oder länger. Die durchschnittliche Zeit bis die Praxis bereit für die ePA war, lag bei 8,8 Tagen.
Erst IT-Sicherheit, dann Rollout
Zur Ankündigung der ePA hieß es vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), dass die elektronische Patientenakte erst dann bundesweit ausgerollt und von Ärzten und Apothekern befüllt werden soll, wenn es positive Erfahrungen in den Testregionen gibt. Außerdem sollten vor einem weiteren Rollout auch die Sicherheitslücken geschlossen sein, die auf dem 38. Chaos Communication Congress vorgestellt wurden. Erst kürzlich brachte das BMG jedoch wieder den April als Startdatum für den bundesweiten Rollout ins Spiel. Nach Informationen des Ärzteblatts sind die Arbeiten an der Sicherheit der ePA fast abgeschlossen.
BMG will nicht auf "Perfektion" warten
Zudem hatte Sebastian Zilch, Unterabteilungsleiter für Digitale Versorgung und Gematik im BMG, laut Ärzteblatt auf einer Tagung des "Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands" (Spifa), gesagt, dass man nicht auf "Perfektion" warten könne und das BMG auf einen baldigen Start hofft. Auch beim Thema Datenschutz gebe es demnach keine Unklarheiten. Derlei Aussagen und Ankündigen sorgen bei den Kassenärzten seit Wochen für Aufruhr und Widerspruch. Sybille Steiner, Vorständin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, nannte die derzeitigen Tests eine "Warm-up"-Phase. Und auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA) forderte kürzlich, dass vor einem bundesweiten Rollout Sicherheitslücken geschlossen und noch offene, technische Probleme gelöst werden.
Rund fünf Krankenhäuser nutzten ePA
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält den bundesweiten Rollout im April für unmöglich. Erst wenige Krankenhäuser – zwei bis fünf – haben die ePA laut DKG testen können. "Die technischen Vorarbeiten zur Anbindung der ePA an die Krankenhausinformationssysteme ist komplexer als es BMG und Gematik erwartet haben. Krankenhäuser sind hier mit anderen Herausforderungen konfrontiert als zum Beispiel Arztpraxen – etwa komplexere Serverinfrastruktur und Schnittstellenkonfiguration", so ein Sprecher der DKG gegenüber heise online.
Kassenärztliche Vereinigung Bayern fordert "echte Lasttests"
"Echte Lasttests im laufenden Patientenbetrieb mit deutlich mehr als den bisher 300 eingebundenen Praxen seien aufgrund der bisher oft mangelhaften Hard- und Softwarearchitektur noch gar nicht möglich", heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Die Informationspolitik der Krankenkassen weise "massive Defizite" auf, "insbesondere zu den einzelnen Widerspruchsmöglichkeiten und Einschränkungsmöglichkeiten der ePA". Daher appelliert die KVB an das BMG, den bundesweiten Rollout der ePA zu verschieben.
Weiterer Rollout-Plan steht noch nicht fest
Derzeit wird die Testphase der elektronischen Patientenakte noch ausgewertet, wie das BMG auf Anfrage gegenĂĽber heise online mitgeteilt hat. "Die RĂĽckmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer sind positiv [...]. So konnten Einrichtungen bereits Dokumente hoch- und herunterladen und die elektronische Medikationsliste (eML) nutzen", heiĂźt es von der Gematik auf Anfrage. "So konnten etwa in einer an der Pilotierung teilnehmenden Einrichtung mit der eML bereits Wechselwirkungen umgangen werden". Zudem verweist sie auf Erfahrungsberichte in Form von Videos, die auf der Gematik-Website hochgeladen wurden.
Nach der aktuellen Zahl der angelegten ePAs gefragt, da das Dashboard der Gematik nicht mehr die aktuellen Zahlen zeigt, sprach die Gematik von "mehr als 70 Millionen". Jedoch schwanke die Anzahl aufgrund von "Geburten, Todesfälle[n] und Widersprüche[n] bei den Krankenkassen" leicht.
(mack)