Kabel-Zukunft

Dass die Kabelnetzbetreiber demnächst mit der Glasfaser ins Haus kommen, steht nicht zu erwarten. Fiber-to-the-Home ist für sie nicht dringlich. Die Koax-Kabel bieten ihnen noch genügend Reserven für das Breitband-Internet.

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  • Richard Sietmann
Inhaltsverzeichnis

Wir haben 5 GBit/s Bandbreite im Kabelnetz – das ist bereits die Zukunft“, meint Christoph Clément von der Geschäftsleitung der Kabel Deutschland GmbH (KDG). Missmutig beobachtet der Manager, dass vielerorts Kommunen, um in der Breitbandentwicklung nicht zurückzufallen, durch ihre Eigenbetriebe selbst Glasfasernetze legen – „letztlich mit staatlichen Geldern“ und parallel zu dem Netz, „das wir schon mit privaten Geldern aufgebaut haben“. Nun müsse man „aufpassen, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt“. Solange es fair zugehe, brauche die Branche die Konkurrenz nicht zu fürchten, betonte Clément jüngst in einer Podiumsdiskussion, „wir haben eine sehr starke Infrastruktur“.

KDG hat im Februar in Hamburg DOCSIS 3.0 eingeführt, einen Kabelmodem-Standard mit Download-Raten bis zu 400 MBit/s, es sollen sogar bis zu 800 MBit/s möglich werden. KDG kann nun in Hamburg Internetzugänge mit 60 und 100 MBit/s anbieten; in den nächsten 12 bis 18 Monaten soll das komplette Netz mit seinen 8,9 Millionen angeschlossenen Haushalten in 13 Bundesländern auf die dritte Kabelmodem-Generation umgestellt sein. Der zweitgrößte Regionalbetreiber Unitymedia (6,6 Mio. Haushalte in Hessen und Nordrhein-Westfalen) brachte DOCSIS 3.0 im November 2009 in Köln und Aachen erstmals zum Einsatz – mit bis zu 120 MBit/s im Download und bis zu 5 MBit/s im Upload. Auch dort strotzt man vor Selbstbewusstsein. „Unser Internet-Tempo fängt da an, wo DSL aufhört“, brüstet sich Unitymedia-Geschäftsführer Gene Musselman.

Vorreiter Kabel BW (2,3 Mio. Haushalte in Baden-Württemberg) hat mit der Aufrüstung bereits Mitte vergangenen Jahres begonnen und will sie bis Ende Mai im gesamten Netz vollzogen haben. „Praktisch im Alleingang“, tönt das Unternehmen, werde es damit das Breitbandziel der Bundesregierung erreichen, bis 2014 drei Viertel aller Haushalte mit mindestens 50 MBit/s versorgen zu können: „Mit der doppelten Geschwindigkeit und drei Jahre früher als gefordert“.

Doch als Leitmedium für den Breitband-Ausbau taugt das Kabel nicht. Wenn Manager und Pressestellen von „Ausbau“ reden, ist meist nur die Aufrüstung des bestehenden Netzes gemeint. Seit der Veräußerung an Finanz- und Investmentgesellschaften Anfang des Jahrzehnts sind die Kabelnetze kaum gewachsen; von einer Flächendeckung ist die gesamte Branche weit entfernt. Bundesweit könnte sie mit ihren Netzen überhaupt nur drei Viertel aller Haushalte erreichen. Hinzu kommt die Erblast als dienstspezifisches Netz zur TV-Unterhaltung: Das Kabel liegt in der Regel nicht in Gewerbegebieten, weil man dort nicht fernsieht, sondern arbeitet. Hinderlich ist zudem der Makel des „bis zu“-Mediums („bis zu 100 MBit/s“), dessen vermarktete Download- und Upload-Raten stark asymmetrisch sind und in Stoßzeiten drastisch heruntergehen, weil sich aufgrund der Baumstruktur des Koax-Netzes alle Anschlüsse in einem Zweig die verfügbare Bandbreite teilen müssen.

Die massive Ausweitung in die Fläche steht bei den Betreibern nicht auf der Agenda, trotz der großen regionalen Unterschiede zwischen Ost und West sowie Stadtstaaten und Flächenländern. Während in Berlin (100 %) und Hamburg (92 %) fast im gesamten Stadtgebiet Kabelanschlüsse verfügbar sind, ist dies in Sachsen-Anhalt nur für 13 Prozent und in Thüringen nur für 25 Prozent der Haushalte der Fall. Nach den Erhebungen des Bundeswirtschaftsministeriums steht die Breitbandversorgung durchs Kabel lediglich für 34 Prozent der kleinstädtischen Haushalte zur Verfügung, und in den bundesweit 6900 ländlichen Gemeinden liegt die Abdeckung sogar nur bei 7 Prozent. Aber aufs Land gehen und die Lücken schließen, wollen die Kabelnetzwerker auch nicht. „Die Wirtschaftlichkeitslücken“, formuliert die für Regulierungsfragen und Öffentliche Angelegenheiten zuständige Abteilungsleiterin Annette Schumacher von der KDG unmissverständlich das K.O.-Kriterium, „sind in der Regel so groß, dass es sich für uns nicht lohnt“.

Im Aufwind: Der Anteil des Kabels am Breitbandmarkt wächst rasant – als Wegbereiter für FTTH sehen sich die Kabelnetzbetreiber dennoch nicht. Seit 2005 hat sich die Zahl der Kabelmodem-Anschlüsse verzehnfacht, der Anteil des Kabels am Breitband-Internetzugang stieg von zwei auf 12 Prozent.

(Bild: Daten: Bundesnetzagentur, c’t)

Aber dort, wo sie verfügbar ist, legte die DSL-Alternative tatsächlich rasant zu. Seit 2005 hat sich die Zahl der Kabelmodem-Anschlüsse von 240 000 auf 2,6 Millionen mehr als verzehnfacht, der Anteil des Kabels am Breitbandmarkt stieg von 2 auf 12 Prozent. Bei Kabel BW nutzen inzwischen 23 Prozent der Kunden den angebotenen Internetzugang, bei Unitymedia sind es 15 Prozent und bei der KDG 12 Prozent. Und was die weitere Entwicklung des Bandbreitenbedarfs angeht, können sich die Kabelnetzbetreiber entspannt zurücklehnen. Im Kabelspektrum von 860 MHz stehen prinzipiell rund 100 Kanäle mit je 8 MHz zur Verfügung, die unter Verwendung einer 256 QAM-Modulation pro Kanal 50 MBit/s transportieren könnten. Aber dass die Summe von 5 GBit/s einmal ausschließlich für den Internetzugang nutzbar würde, ist unwahrscheinlich – dann bliebe im gesamten HF-Spektrum kein Platz für das Kerngeschäft der Verteilung von Fernsehprogrammen mehr. Dennoch müssen die Betreiber kurz- und mittelfristig keine Engpässe fürchten. Sie haben viele Stellschrauben, an denen sie drehen können.

Schon die bereits 2006 von den US CableLabs spezifizierte Version 3.0 des „Data Over Cable Service Interface Specification“, die derzeit den großen Zugewinn an Übertragungsrate schafft, bietet etliche Reserven [1] . Der Standard legt die Kommunikation zwischen den Kabelmodems einer Gruppe von Teilnehmern und dem Cable Modem Termination System (CMTS) in der Verteilzentrale fest. Er bedient sich dazu einer Kombination von Frequenz- und Zeitmultiplex, die sich in das herkömmliche TV-Kanalraster einfügt. In Empfangsrichtung (Downlink) wird im Rundfunkmodus übertragen (Broadcast), das heißt, alle Teilnehmer der Gruppe empfangen dasselbe Signal, aus dem sich jedes Kabelmodem die an die eigene Adresse gerichteten und individuell verschlüsselten Datenpakete her-ausfiltert. Zur Übertragung nutzt DOCSIS freie 8-MHz-Kanäle von DVB-C und bringt es je nach Modulationsverfahren auf netto 38,15 MBit/s (bei 64 QAM) oder 50,87 MBit/s (bei 256 QAM) pro Kanal.

In Senderichtung (Uplink) stehen den an ein CMTS angeschlossenen Kabelmodems zwischen 200 kHz und 6,4 MHz breite Kanäle aus dem Bereich von 5 bis 65 MHz des Kabelspektrums zur Verfügung. Den Vielfachzugriff auf diese Kanäle steuert das CMTS über Zeitschlitze, die es den Kabelmodems zuweist. Im Uplink stellt sich jedoch das Problem des Eingangsrauschens aus den verteilten Anschlussdosen, das die Verstärker-Kaskaden im Koax-Teil des Netzes noch vergrößern, weil sie das Signal nicht regenerieren, sondern lediglich den Pegel anheben. Deshalb müssen die Kabelmodems in Senderichtung bislang robustere und weniger effiziente Modulationsverfahren wie QPSK oder 16 QAM verwenden. Dies und die knappen Frequenzressourcen in Senderichtung sind der Grund für die große Asymmetrie zwischen den Uplink- und Downlink-Datenraten.

Wo die Kabelmodems in den früheren Versionen des Standards nur jeweils auf einem Kanal sendeten und empfingen, führt DOCSIS 3.0 die Kanalbündelung in beiden Richtungen zur Steigerung der Übertragungsraten ein. „Da werden bis zu 8 Kanäle gebündelt“, freut sich der für den Produktbereich Internet und Telefonie zuständige KDG-Direktor Levent Demirörs. „Mit dieser Technologie sind die Kabelprovider in der Lage, bis 400 MBit/s im Downlink und bis 120 MBit/s im Uplink anzubieten.“

In Sachen Fiber to the Building (Glasfaser für den Hausanschluss, FTTB) oder gar bis in die Haushalte (FTTH) müssen sie daher keine Eile an den Tag legen; die Glasfaser kommt allenfalls in Neubaugebieten in Betracht. „Dank DOCSIS 3.0“, heißt es seitens Unitymedia, könne die künftige Breitbandnachfrage über die heutigen Koaxialnetze realisiert werden, „ohne Glasfaserleitungen bis in die Häuser und Wohnungen hinein verlegen zu müssen“. Während zur Verlegung von Glasfaser „zuerst Straßenzug um Straßenzug aufgebrochen werden muss“, würde das Unternehmen „Ultrahighspeed weiträumig und ohne aufwendige Tiefbauarbeiten bereitstellen“.

Aber die DOCSIS-Kanalbündelung geht zu Lasten der TV-Verteilung, deren Ansprüche an Übertragungskapazität durch HDTV ebenfalls steigen. Einen Ausweg im Rahmen der vorhandenen Netzstruktur öffnet die Abkehr vom Prinzip der Breitband-Fernsehverteilung: Heute werden ja sämtliche Programme aus der Angebotspalette des Betreibers simultan eingespeist, unabhängig davon, ob sie jemand aktuell betrachtet oder nicht. Beim Switched Digital Video (SDV) hingegen würden die Ressourcen wesentlich effizienter genutzt und nur solche Programme an die von einem Hub versorgte Teilnehmergruppe durchgeschaltet, die einzelne Teilnehmer aus dem Angebot tatsächlich anwählen. So kann das Verfahren die von den übertragenen Programmen belegte Bandbreite drastisch reduzieren, ohne die Angebotsvielfalt zu schmälern. Sie ließe sich im Gegenteil sogar noch ausweiten, obwohl der Anteil der permanent übertragenen TV-Programme zurückgefahren wird und die frei werdenden Kanäle flexibel zwischen Abrufprogrammen und Internet-Bandbreite aufgeteilt werden.

Anders als bei Video-on-Demand-Systemen, wo ein ausgewählter Film nur dem abrufenden Teilnehmer überspielt wird (Unicast), beruht SDV auf dem Multicast-Prinzip; ein angefordertes Programm steht allen Teilnehmern der Gruppe zur Verfügung. Vor der Auswahl wird daher bei diesem dynamischen Programm-Management zunächst geprüft, ob das gewählte Programm nicht bereits in dem gesendeten Bündel vorhanden ist.

Weil die Vermittlung jedoch unvermeidlich Datenspuren auf den Servern des Betreibers hinterlässt, geht mit SDV das Alleinstellungsmerkmal des prinzipiell unbeobachtbaren TV-Konsums verloren. Das Kabelfernsehen würde dem IPTV über DSL-Leitungen immer ähnlicher – im Branchenjargon heißt diese Option deshalb mitunter „Cable IPTV“, obwohl sie kein IP zur Übertragung verwendet.

Neben DOCSIS und SDV bieten die Abschaltung und Umwidmung der analogen TV-Kanäle sowie der Umstieg auf MPEG-4 und DVB-C2 zusätzliche Möglichkeiten einer sanften Migration zu höheren Datenraten für den Internetzugang, die ohne die gefürchteten Baumaßnahmen an Außenanlagen auskommt. Eine weitere Option – die Verkleinerung der Teilnehmergruppen, die jeweils an einem CMTS als dem betreiberseitigen Gateway vom Kabel- ins IP-Kernnetz und Internet hängen – erfordert jedoch Eingriffe in die Kabelanlagen selbst. Bei der Netzsegmentierung werden die Cluster aufgespalten und zusätzliche Faser-Koax-Schnittstellen (Optical Network Interfaces, ONIs) eingeführt, die jeweils eine kleinere Zahl von Teilnehmern versorgen. Dadurch müssen sich weniger Nutzer die bereitgestellte Datenrate teilen. Zudem verkürzt die Cluster-Aufspaltung die Koax-Verstärkerketten und mindert das Problem des Eingangsrauschens, was wiederum effizientere Modulationsverfahren wie 64 QAM und damit höhere Bitraten in Senderichtung erlaubt.

HFC-Netzarchitektur: Mit hybriden Glasfaser-Koax-Systemen führten die Betreiber die Glasfaser auf der Netzebene 2 (Zuführungsebene) ein; die Netzebene 3 (im Bild blau) blieb unverändert und wurde über einen optoelektronischen Umsetzer (ONI) angebunden. ONI: Optical Network Interface, VrP: Verstärkerpunkt (alle 300 bis 500 m).

„Grundsätzlich kann durch eine effiziente Verkleinerung der Netzcluster sowie durch die Einführung von DOCSIS 3.0 für die nächsten Jahre genügend Bandbreite für neue Dienste zur Verfügung gestellt werden“, meint Christian Bell vom Netzausrüster WISI. Heute umfasst ein Cluster in Deutschland oft tausend Haushalte; „eine Segmentierung auf Clustergrößen von 250 Haushalten im Downstream und somit eine Vervierfachung der Bandbreite“, ist der Spezialist für Next Generation Networks überzeugt, „gewährleistet im Access eine ausreichende Kapazität für alle notwendigen Dienste“.

Erleichtert wird die Cluster-Aufspaltung, wenn auf das Faser-Multiplex und die nachträgliche Verlegung zusätzlicher Glasfasern zwischen dem sekundären Verteilknoten und den ONIs verzichtet werden kann und stattdessen ein Low-Cost Wavelength Division Multiplexing (LcWDM) zum Einsatz kommt. Dieses Verfahren bindet die ONIs über die bisher genutzte Faser durch jeweils unterschiedliche Übertragungswellenlängen in dem Bereich um 1300 nm an, in dem kostengünstigere Laserdioden zur Verfügung stehen.

Selbst dort, wo Betreiber die letzten Meter bis zum Kunden mit der Glasfaser angehen wollen, muss das mitnichten FTTB/H sein. Die Society of Cable and Telecommunications Engineers (SCTE) in den USA, die schon die HFC-Technik (Hybrid Fiber Coax) standardisierte, hat hierfür eine eigene Variante ausgeheckt: Radio Frequency over Glass (RFoG) ersetzt den restlichen Koax-Teil durch eine passiv-optische Einfaser-Architektur und bringt die Glasfaser mit der ONI bis an das oder ins Gebäude – quasi ein HFC-Netz mit der Clustergröße eins, bei dem vom Koax-Teil nur noch die Inhaus-Verkabelung übrig bleibt.

HFC-Netzsegmentierung: In einem HFC-Netz lässt sich das Optical Network Interface (ONI) immer weiter zum Teilnehmer verschieben, sodass sich mit der Verkleinerung der Teilnehmergruppen weniger Anschlüsse die Bandbreite in einem Koax-Zweig teilen müssen. Bei RFoG besteht der Cluster nur noch aus einem Anschluss und das ONI befindet sich am oder im Gebäude.

Wie HFC überträgt RFoG sowohl im Hin- als auch im Rückkanal die entsprechenden HF-Bänder des Kabelspektrums optisch analog moduliert (1550 nm zum Teilnehmer; entweder 1310 nm oder 1600 nm für den Rückkanal). Betreibern bietet die Technologie viele Vorteile: Die Downstream-Bandbreite ist nicht mehr von dem Koax-Teil begrenzt, sondern lässt sich von 860 MHz auf 1 GHz erweitern; sie steht jedem Teilnehmer dediziert zur Verfügung und muss nicht mehr geteilt werden. Der Wegfall der Abzweig- und Verteilverstärker verbessert das Rauschverhalten im Rückkanal erheblich und erlaubt damit die effizientere Modulation mit 64 QAM und mehr; er senkt den Energiebedarf des Netzes und verringert die Wartungskosten. Vor allem aber können die vorhandenen Headend-Anlagen, CMTS-Systeme, Verwaltungs- und Bereitstellungsprozesse sowie die Kabelmodems bei den Kunden weiterhin genutzt werden.

Aber RFoG bleibt der alte Wein in neuen Schläuchen. Gewechselt wird das Übertragungsmedium, die Übertragungsprotokolle bleiben unverändert. RFoG ist DOCSIS über Glasfaser – mit allen Randbedingungen und Beschränkungen, die sich aus der Kabelmodem-Technologie mit der analogen optischen Übertragung des Kabelspektrums in Hin- und Rückrichtung ergeben. Anders als FTTB/H-Technologien [2] wie GPON (ITU G.984) oder GEPON (IEEE 802.3ah) nutzt der Ansatz die Vorteile der Trennung von TV-Verteilung und Datenkommunikation auf jeweils eigenen Wellenlängen nicht. Bei FTTB/H wird zwar auch das komplette Kabelband mit einem optischen Träger aus dem Wellenlängenbereich 1550 bis 1560 nm übertragen, doch im Unterschied zu RFoG geschieht dies nur im Downlink zu den Teilnehmern; dieser analoge optische Übertragungskanal dient ausschließlich der TV-Verteilung. Die Datenübertragung hingegen erfolgt transparent digital auf separaten optischen Wellenlängen von 1480 bis 1500 nm zum Teilnehmer und 1290 bis 1330 nm in Rückrichtung. Die Kapazität in beiden Richtungen, vor allem aber im Uplink, ist daher nicht durch DOCSIS und die Verfügbarkeit freier Frequenzen im HF-Kabelband beschränkt und die Asymmetrie von Up- und Download-Raten lässt sich allenfalls noch geschäftspolitisch, aber nicht mehr technisch begründen.

„Wichtig ist, dass die Glasfaser erst einmal ins Gebäude kommt – da ist es fast egal, was darüber läuft“, begrüßt Godehard Walf vom Heinrich-Hertz-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft den Zwischenschritt. „Damit kann jeder sein Geschäftsmodell suchen und die Übertragungssysteme bei Bedarf später auf- oder umrüsten. Für die Broadcaster bietet es sich natürlich an, die Signale, so wie sie jetzt sind, den Teilnehmern zuzuspielen“. Wenn diese für den Rückkanal eine Wellenlänge aus dem optischen L-Band um 1600 nm wählen, würden sie auch Konflikte mit den vom IEEE und der ITU standardisierten PON-Systemen vermeiden, die sich bereits auf 1310 nm als Wellenlänge für den Rückkanal festgelegt haben. RFoG und FTTB/H wären dann kompatibel und ließen sich sogar parallel auf derselben Glasfaser-Infrastruktur betreiben, sodass der Übergang graduell erfolgen könnte.

Für eine Geschäftspolitik der kleinen Schritte bietet die Technik den Kabelnetzbetreibern jedenfalls sehr viele Optionen. „Wir haben das große Glück, dass wir wachstumsgetrieben investieren und ausbauen können – das erleichtert das Geschäft durchaus“, meint Annette Schumacher von der KDG. „Pay as you go“, heißt die Devise in der Branche. So schlägt derzeit die DOCSIS-Aufrüstung nur mit etwa 50 Euro pro Kunde zu Buche, ein Betrag, mit dem man nicht einmal einen Meter Glasfaser in die Erde bekommt: Dafür veranschlagen Tiefbaufirmen durchschnittlich 80 Euro.

„Mit kleinen Investments können wir sehr schnell unsere Leistungen nach oben treiben“, erläutert Demirörs den Vorteil der Kabelinfrastruktur. „Wenn ein Segment voll wird, wird das nächste CMTS zugeschaltet, das heißt, der Kunde bestimmt den Investitionsbedarf.“

Die Kabelbranche schlägt somit denselben Weg ein, den vor ihr die DSL-Betreiber beschritten: aus Scheu vor Erdarbeiten und langfristigen Vorleistungsinvestitionen mit allen verfügbaren Mitteln auch noch das Letzte aus den vergrabenen Altanlagen herauszuholen. Doch während die Kabelunternehmen mit dieser Strategie noch ganz am Anfang stehen, tickt für DSL die Uhr.

Das Bandbreitenpotenzial der Kupferdoppelader – die als Erbe der Universaldienstverpflichtung der ehemaligen Bundespost immerhin flächendeckend in allen Haushalten liegt – ist nahezu ausgeschöpft. „Die DSL-Betreiber müssen früher springen, und sie müssen einen Riesensprung machen“, meint Peter Stamm vom Wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsdienste (WIK) in Bad Honnef. „Deren nächster logischer Schritt ist die Glasfaser, und den kann man nicht nur so ein bisschen machen.“

[1] Urs Mansmann, Bandbreiten-Reserve, Kabelanschlüsse werden noch schneller, c’t 1/09, S. 78

[2] Richard Sietmann, Next Generation Access, Warum Fiber-to-the-Home nicht vorankommt, c’t 4/10, S. 78

[3] ANGA: Positionspapier zur Digitalisierung. (Oktober 2009), www.anga.de

Abdeckung durch regionale Kabelnetzbetreiber
Kabelnetz-Betreiber Gesamtzahl Haushalte (im Einzugsgebiet) anschlussfähige Haushalte angeschlossene Haushalte Anteil der Internetkunden
Kabel BW (Baden-Württemberg) 4,9 Mio 3,6 Mio (73 %) 2,3 Mio (64 %) 23 %
KDG (13 Bundesländer) 21,4 Mio 15,3 Mio (71 %) 8,9 Mio (58 %) 12 %
Unitymedia (NRW, Hessen) 11,2 Mio 8,7 Mio (78 %) 6,6 Mio (76 %) 15 %
Quelle: Angaben der Betreiber, eigene Berechnungen
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Kabelnetz-Technik

HFC: Mit „Hybrid Fiber Coax“-Systemen wurden seit Ende der neunziger Jahre zunehmend die Koaxialkabel und Verstärkerkaskaden auf den Zubringerstrecken zum Verteilnetz durch Glasfasern ersetzt. Diese führen von der Kopfstation zu optoelektronischen Umsetzern, die anstelle der früheren betreiberseitigen BK-Verstärkerstellen jeweils ein Cluster von 500 bis 2000 Teilnehmern auf den letzten Kilometern mit dem elektrischen Breitbandkabel-Signal (BK) versorgen. Durch den Wegfall der kaskadierten BK-Verstärker und die günstigeren Übertragungseigenschaften der Glasfaser verbesserte sich die Signalqualität erheblich. Mit der Einführung der HFC-Systeme ging im verbleibenden Koax-Teil die Erhöhung der Bandbreite auf 862 MHz und die Einrichtung von Rückkanälen mit Zweiweg-BK-Verstärkern einher.

DOCSIS: Die Data Over Cable Service Interface Specification (DOCSIS) aus den CableLabs, dem Forschungs- und Technologiezentrum der US-Kabelnetzbetreiber, legte 1997 die Grundlage für die Ausweitung des Diensteangebotes um Internet und Telefonie neben dem Kabelfernsehen. DOCSIS benutzt das gesamte von einer optischen HFC-Netzschnittstelle (ONI) aus bediente Koax-Segment als gemeinsam genutztes Medium und definiert die PHY, MAC und Data Link Layer für bidirektionale IP-Transportströme zwischen den Kabelmodems der Teilnehmer und dem Cable Modem Termination System (CMTS) in der Verteilzentrale des Betreibers.

Analoge Abschaltung: Die Abschaltung und Umwidmung der durchschnittlich 30 bis 35 analogen Programme in den deutschen Kabelnetzen könnte eine digitale Übertragungskapazität von 1,5 bis 1,75 Gbit/s freisetzen. Pikanterweise wenden sich Kabelnetzbetreiber gegen die analoge Abschaltung und vollständige Digitalisierung, wie der Interessenverband ANGA erst unlängst wieder in einem Positionspapier bekräftigte [3] .

MPEG-4: Die effektivere Videokodierung ermöglicht es, die für das Streaming benötigte Bitrate zu halbieren; durchgängig eingeführt, würde dies die Kapazität für Videodienste im Kabelspektrum verdoppeln und könnte die Konkurrenz zwischen TV- und Internetdiensten um Übertragungskapazität im Kabel entschärfen.

DVB-C2: Die neue Version des Standards zur digitalen Übertragung im Kabel ermöglicht durch die effizientere Modulation mit 1024 QAM oder sogar 4096 QAM deutlich höhere Übertragungsraten von 80 MBit/s und mehr pro 8-MHz-Kanal.

SDV: Switched Digital Video (SDV) ist ein Verfahren, bei dem nur solche Programme in ein Kabel-Cluster eingespeist werden, die Teilnehmer ähnlich wie bei IPTV über den Rückkanal tatsächlich abrufen. Dadurch werden zuvor starr belegte Frequenzkanäle frei, die je nach Bedarf mit anderen Diensten wie Video-on-Demand oder den DOCSIS Downstream belegt werden können.

RFoG: Radio Frequency over Glass – mitunter auch als „DOCSIS over passive optical networks“ (DPON) bezeichnet – ist quasi ein HFC-Netz der Clustergröße eins, bei dem sich das Optical Network Interface (ONI) im Gebäude oder Haushalt der Teilnehmer befindet. Wie bei HFC wird in der Einspeisestation das komplette HF-Kabelsignal in voller Bandbreite auf einen optischen Träger (meist 1550 nm) moduliert, nun aber ausschließlich über Glasfaser bis zum Teilnehmer transportiert. Dort wird es zurückgewandelt und als HF-Signal an der Anschlussdose abgeliefert. Das Frequenzband des DOCSIS-Rückkanals 5 bis 65 MHz wird ebenfalls optisch analog (meist auf einem 1310-nm-Träger) zur Kabelkopfstation übertragen. Die Kabelmodems und DOCSIS-Protokolle können unverändert weiterverwendet werden.

FTTB/H: Bei Fiber to the Building/Home wird das kom-plette Kabelband 5–862 MHz mit einem optischen Träger aus dem Wellenlängenbereich 1550 bis 1560 nm analog übertragen und im Unterschied zu HFC/RFoG ausschließlich zur Fernsehverteilung genutzt. Die Datenübertragung erfolgt separat mit Wellenlängen von 1480 bis 1500 nm in Richtung zum Teilnehmer und mit 1290 bis 1330 nm in Rückrichtung. Die Kapazität in beiden Richtungen ist daher nicht durch die Verfügbarkeit freier Frequenzen im HF-Kabelband beschränkt.