Kommentar: Droht die Spaltung? – Synadia fordert NATS von der CNCF zurück
Mit der Forderung von Derek Collison, NATS aus der CNCF wieder zu lösen, riskiert er juristischen Dauerstreit oder sogar einen Fork wie bei Terraform.
(Bild: asharkyu/Shutterstock.com/heise online)
Der Streit um Marke und Vermarktung der viel verwendeten Server-Software NATS geht in die nächste Runde. Nachdem Synadia, ehemaliger Besitzer von NATS, die Software von der Cloud Native Computing Foundation (CNCF) zurückgefordert hat, versucht die Organisation nun, dass das US-Patentamt Marke und Logo von NATS löscht. Die zur Linux Foundation gehörende Organisation argumentiert im Streit, dass Synadia mit der Übergabe von NATS an die CNCF 2018 alle Rechte daran abgeben hat und sich nun an die Abmachungen halten muss.
Vieles spricht dafür, dass sich Derek Collison, der Haupt-Maintainer sowie CEO und Gründer von NATS und Synadia, mit der Schenkung an die CNCF verspekuliert hat und den Schaden begrenzen möchte. Jetzt sucht er die Konfrontation, riskiert damit aber, noch mehr Schaden für seine Firma anzurichten.
Der Streit begann mit einem Anwaltsbrief vom 27. März im Namen von Synadia an die CNCF, der fordert, dass die Open-Source-Organisation das NATS-Repository und die Domäne nats.io an Synadia zurückgibt. Der Brief gibt auch Auskunft über die Intention Synadias, NATS im August 2018 der CNCF zu übergeben, nämlich die Hoffnung auf "Wachstum an Contributoren und Community". Aber: "Es ist offensichtlich, dass das NATS.io-Projekt als gedeihendes CNCF-Projekt gescheitert ist, da bislang so gut wie alles Wachstum aus Synadias Anstrengung und Ausgaben entstand." Die Anwältin setzt eine Frist bis zum 10. April.
Open Source oder nicht?
In einem am 9. April nachgereichten, nicht juristisch formulierten Vorschlag von CEO Collison wird er etwas ausführlicher: 97 Prozent der Contributions stammen von Angestellten von Synadia und die Firma hat 30 Millionen Dollar investiert. Nun möchte Synadia den NATS-Server in die Business Source License (BSL oder BUSL) überführen, die unter anderem schon HashiCorp für Terraform verwendet. Damit bleibt NATS im Kern offen, aber bestimmte Anwendungsfälle sind kommerziell, der Vorschlag erwähnt, NATS als Managed Service anzubieten – ein typisches Geschäftsmodell im Open-Source-Bereich. Die BSL ist in der Open-Source-Community jedoch sehr umstritten, und Protest gegen sie führte zur Abspaltung von OpenTofu von Terraform.
Im Gegensatz zum Anwaltsbrief vermeidet Collison hier Vorwürfe gegen die CNCF und bietet Entschädigung für die Kosten der Umstellung an.
Am 24. April, mit einem Update vom 28. April, antwortet die CNCF im Blog und beharrt auf ihren Rechten und beklagt das intransparente Vorgehen von Synadia, da Organisation und Community nicht frühzeitig in die Pläne eingeweiht waren. Die CNCF betont ihre Position als Schutzmacht für die Werte der Open-Source-Community um "abzusichern, dass keine juristische Person ('entity') etwas beherrschen, umlizenzieren oder zurückfordern kann, was der Gemeinschaft übergeben wurde." Die BSL lehnt der Blogeintrag als Nicht-Open-Source-Lizenz ab. Außerdem weist er darauf hin, dass Synadia NATS forken könnte, um die Abspaltung unter neuem Namen zu vermarkten, wie es bei Grafana Cortex und Mimir der Fall war.
Auch mangelndem Engagement widerspricht die CNCF und erwähnt 90.000 US-Dollar, die sie für Sicherheitsaudits bezahlt hat, und 10.000 US-Dollar in einem Markenstreit. Um die einseitige Situation in der Unterstützung durch die Community zu verbessern, bietet sie an, für neue Maintainer und Contributoren zu werben. In den zurückliegenden sieben Jahren seit der Übergabe von NATS an die CNCF ist es der Organisation allerdings nicht gelungen, die Community zu stärkerem Engagement für das Projekt zu bewegen – NATS dümpelt noch immer im Status "Incubating".
Videos by heise
Der ungelöste Markenstreit
Der Streit verkompliziert sich durch eine weitere Dimension: Während Synadia die Herausgabe von Repository und Domäne fordert, möchte die CNCF umgekehrt Marke und Markenzeichen von Synadia, denn die sind bei der Firma geblieben. Die Statute der CNCF besagen klar, dass zur Übergabe von Projekten an die Organisation auch die Marke gehört.
Das hat Synadia auch so – laut Blogeintrag – unterschrieben und die Organisation drängt auf Einhaltung dieser Abmachung. Hingegen hatte der Anwaltsbrief diese Forderung im Vorfeld schon zurückgewiesen: "zu vage, um juristisch durchsetzbar zu sein."
Dass die Marke nicht gleich 2018 übertragen wurde, lag an erwähntem Markenstreit für den die CNCF die 10.000 Dollar bezahlte. Also entschloss sich die Linux Foundation jetzt – als Muttergesellschaft der CNCF – am 23. April beim US-Patent- und Markenamt, die Löschung von NATS als Marke und Logo zu beantragen.
Am 25. April äußert sich Collison im Blog erstmals öffentlich zur Sache und betont sein Bekenntnis zu Open Source. Die Clients und eine Serverversion werden weiterhin unter Apache-2-Lizenz erhältlich sein und auch die BSL-Lizenz wird nach zwei bis vier Jahren erlöschen. Außerdem widerspricht er der Darstellung der CNCF, dass der Ausstieg intransparent gewesen wäre: "Synadia hat aktiv intern Gespräche mit der CNCF über eine gemeinsame Ankündigung des Ausscheidens initiiert."
Kommt der Fork wie bei Open Tofu?
Welche Partei diesen Rechtsstreit auf mehreren Ebenen in welchem Umfang gewinnen wird, lässt sich schwer abschätzen. Trotz allem Verständnis für den Wunsch eines CEOs, die Gesundheit und das Wachstum seines Unternehmens sicherzustellen, hat er sich an die Verträge und Vereinbarungen zu halten. Collison hat sich offensichtlich mit dem Geschenk an die Open-Source-Community verspekuliert und nicht das erhoffte Ergebnis an Beiträgen aus Community erzielt. Das Geschenk nun zurückzufordern, ist trotz aller Enttäuschung über die mangelnde Performance der CNCF ein einzigartiger Schritt, mit dem sich Synadia auf Dauer keine Freunde machen wird.
Letztendlich riskiert Collison damit einen Fork à la OpenTofu, der ihm später zum Konkurrenten wird – einen Fork, den er selbst mit wenig Verlusten hätte durchführen können. Denn hätte er seine 97 Prozent NATS-Entwickler abgezogen und in ein neues, von der CNCF weggeforktes Projekt gesteckt, wäre vermutlich vom Original auf Dauer nicht viel übrig geblieben.
(who)