Blackout: Welche Risiken in Deutschland niedriger liegen als in Spanien
Der stundenlange und umfassende Stromausfall in Spanien wirft die Frage auf, wie zuverlässig die Versorgung in Deutschland ist. Einige Aspekte sind klar.
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Der lange Blackout in Spanien und Portugal vom Montag, dem 28. April 2025, weckt großes Interesse. Denn seit einiger Zeit gibt es viele Diskussionen um die Stromversorgung – wegen allgemein hoher Energiekosten, hoher Netzkosten, dem Atomausstieg, dem Umstieg auf klimaschonende Stromquellen sowie dem damit verbundenen Umbau der Stromnetze.
Viele fragen sich, wie hoch das Risiko für ähnlich weitreichende Ausfälle der Stromversorgung in Deutschland ist.
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Eine konkrete Antwort ist schwierig und kann erst dann ausgearbeitet werden, wenn die genaue Ursache für den Blackout auf der iberischen Halbinsel geklärt ist. Das kann noch Wochen oder gar Monate dauern. Ereignisse dieser Größenordnung untersuchen Regulierungsbehörden und Organisationen wie der Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (European Network of Transmission System Operators for Electricity, ENTSO-E) sehr genau.
Beispiele sind eine Störung vor allem im spanischen Stromnetz durch unerwartete Frequenzschwankungen 2016 (Inter-Area Oscillations, PDF) oder der große Stromausfall in Norddeutschland 2006 (Report bei ENTSO-E).
Deutliche Netzunterschiede
Allerdings ist klar, dass die Stromnetze in Spanien und Deutschland sehr unterschiedlich aufgebaut sind. Alleine schon dadurch unterscheiden sich auch die Wahrscheinlichkeiten, dass bestimmte Probleme auftreten, beziehungsweise ob sie einfacher oder schwieriger zu lösen sind.
Aktuelle Daten dazu sind frei verfügbar, etwa auf der Website Energy-Charts.info des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE. Dort kann man sich die Standorte von Kraftwerken und den Verlauf von Stromübertragungsnetzen – umgangssprachlich Hochspannungsleitungen genannt – anzeigen lassen.
(Bild:Â Energy-Charts.info)
Schon beim Betrachten der Karten springt ins Auge, dass das Netz in Deutschland viel dichter gewebt ist als in Spanien. Das liegt an der wesentlich höheren Bevölkerungsdichte in Deutschland und der gleichmäßigeren Verteilung über die Fläche.
Außerdem bildet die iberische Halbinsel deutlich sichtbar eine Strominsel, die im Wesentlichen über Frankreich ans europäische Stromnetz angebunden ist. Es gibt nur wenige große Stromtrassen über die Pyrenäen beziehungsweise durchs Mittelmeer. Deren Kapazität soll zurzeit insgesamt weniger als 3 Gigawatt (GW) betragen, zusätzliche Leitungen sind in Bau. Für 2028 sind 5 GW gesamte Kapazität geplant. Da am vergangenen Montag aber plötzlich rund 15 GW Stromproduktion vom spanischen Netz gingen, ist klar, dass auch über die neuen Leitungen kein ausreichender Ersatz fließen könnte.
Es gibt zudem Leitungen nach Marokko, aber auch die haben keine hohe Kapazität. Von Spanien aus werden auch die spanischen Inseln versorgt. Dort stehen jedoch keine großen Kraftwerke, die in umgekehrter Richtung einspringen könnten.
Portugal ist noch weiter vom europäischen Netzverbund abgekoppelt und kann "Notstrom" nur aus Spanien beziehen.
(Bild:Â SMARD)
Ganz anders ist die Situation in Deutschland mit seinen neun Nachbarländern Dänemark, Polen, Tschechien, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien, Luxemburg und Niederlande. Wie das Energieportal SMARD zeigt, findet ständig reger Stromhandel über die deutschen Grenzen hinweg statt.
Es gibt also relativ hohe Leitungskapazitäten in Nachbarländer, sodass viele Regionen Deutschlands im Notfall von dort zukaufen könnten. Das hiesige Stromnetz ist zudem enger vermascht.
Das reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass das gesamte Übertragungsnetz zusammenbricht. Regional begrenzte Ausfälle lassen sich schneller wieder beheben.
Schlechte Schwingungen
Weil die iberische Halbinsel nur über relativ schwache Leitungen mit dem eng vermaschten Netz in Zentraleuropa gekoppelt ist, wirken sich in Spanien die sogenannten Inter-Area Oscillations stärker aus. Das sind niederfrequente Schwankungen der Netzfrequenz, die nominell 50 Hz beträgt. Diese Schwankungen erschweren die Lastregelung und können zu Ausfällen führen, wenn sie zu stark werden.
Die ENTSO-E untersucht seit Jahren, wie sich Inter-Area Oscillations optimal dämpfen lassen. Das Phänomen ist auch aus anderen sehr großen Stromnetzverbünden bekannt und gewinnt an Bedeutung, etwa durch die Ankopplung der Ukraine und anderer osteuropäischer Länder. Auch die Netzfrequenz wird europaweit ständig an verteilten Standorten überwacht, beispielsweise im Projekt Wide Area Monitoring von Swissgrid in Kooperation mit anderen Netzbetreibern.
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Mehr Lösungsmöglichkeiten
Netzbetreiber und Energieversorger haben in Deutschland viel mehr Optionen als in Spanien, um auf Notfälle zu reagieren. Jedenfalls dann, wenn diese Reserven auch tatsächlich wie erwartet bereitstehen. Eine Verkettung unglücklicher Umstände oder falsche Entscheidungen treten aber ebenfalls unvermeidlich ein.
Außerdem gibt es Risiken für den Ausfall der Stromversorgung, die in Deutschland höher liegen als in Spanien, etwa durch Sabotage aus Russland oder einen russischen Angriff – schlichtweg weil Spanien sehr viel weiter entfernt ist von Russland als Deutschland.
(ciw)