Amazon zeigt ersten Roboter mit Tastsinn

Amazons erster Roboter mit Tastsinn führt mit Hilfe physischer KI Greif- und Hebeaufgaben aus, was ArbeitsplĂ€tze sicherer und AblĂ€ufe effizienter machen soll.

vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Der Roboter Vulcan wird auf einem Bildschirm prÀsentiert.

(Bild: heise online / Nico Jurran)

Lesezeit: 4 Min.
close notice

This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Amazon hat im Rahmen seines am heutigen Mittwoch in Dortmund stattfindenden Events "Delivering the Future" seinen ersten Roboter mit Tastsinn prĂ€sentiert. Das “Vulcan” genannte Modell eröffnete nach Angaben seiner Entwickler durch seine FĂ€higkeit, zu verstehen, wann und wie er mit einem Objekt in Kontakt kommt, neue Möglichkeiten zur Verbesserung der ArbeitsablĂ€ufe und Einrichtungen.

Zum Einsatz kommen soll Vulcan kĂŒnftig in Amazons Logistikzentren in zwei AusfĂŒhrungen, wo er Artikel in mit Stoff bezogenen BehĂ€ltern legt beziehungsweise aus diesen entnimmt. Da die FĂ€cher nur etwa 30 cm lang sind und jedes ĂŒblicherweise bis zu zehn Artikel aufnimmt, war diese Aufgabe laut Amazon fĂŒr Roboter, denen die natĂŒrliche Geschicklichkeit des Menschen fehlt, bisher eine Herausforderung. Vulcan könne hingegen Objekte in diesen FĂ€chern leicht greifen und bewegen, um Platz fĂŒr das zu schaffen, was er verstauen soll. Er wisse dank KI, wann er Kontakt herstellt und wie viel Kraft er ausĂŒben muss, und könne so SchĂ€den vermeiden.

Vulcan verwendet in der "Stow"-AusfĂŒhrung zum HinzufĂŒgen von Artikeln ein "Arm-Ende-Werkzeug", das einem auf ein GlĂ€tteisen geklebtes Lineal Ă€hnelt. Dieses schiebt die bereits in den FĂ€chern befindlichen GegenstĂ€nde beiseite, um Platz fĂŒr die neuen GegenstĂ€nde zu schaffen. Die Arme des GlĂ€tteisens ("Paddel") halten den hinzuzufĂŒgenden Gegenstand fest, wobei sie ihre GriffstĂ€rke an dessen GrĂ¶ĂŸe und Form anpassen und ihn dann mithilfe integrierter FörderbĂ€nder in den BehĂ€lter schieben. Dabei nutzt der Roboter KraftrĂŒckmeldesensoren, die ihm mitteilen, wie stark er drĂŒckt oder wie fest er etwas hĂ€lt, sodass er unterhalb der Grenze bleibt, an der er Schaden verursachen könnte.

Amazons Vulcan in der Pick-AusfĂŒhrung mit zwei Armen zum Herausnehmen von Artikeln aus FĂ€chern.

(Bild: heise online / Nico Jurran)

Zum Entnehmen von GegenstĂ€nden aus den BehĂ€ltern verwendet Vulcan in der "Pick"-AusfĂŒhrung wiederum einen Arm mit Stereo-Vision-Kamera und einem Saugnapf. Die Kamera sieht in das Fach, der Roboter wĂ€hlt den zu entnehmenden Gegenstand sowie die beste Stelle zum Greifen aus. WĂ€hrend der Saugnapf den Gegenstand greift, ĂŒberprĂŒft die Kamera, ob der richtige Gegenstand entnommen wurde.

Laut Aaron Parness, Director of Robotics AI bei Amazon, musste fĂŒr Vulcan physische KI auf neuartige Weise eingesetzt werden. So habe es Algorithmen zur Identifizierung von GegenstĂ€nden gebraucht, die Vulcan fassen kann, fĂŒr die Suche nach Platz in BehĂ€ltern, die Identifizierung von Zahnpastatuben und BĂŒroklammerboxen und vieles mehr. Amazon habe Vulcan dabei laut Parness nicht einfach mit Computersimulationen trainieren können, sondern benötigte dafĂŒr physische Daten, die BerĂŒhrungs- und KraftrĂŒckmeldungen berĂŒcksichtigen. Alles in allem habe Vulcan Tausende von Beispielen aus der realen Welt bewĂ€ltigen mĂŒssen, vom Aufheben von Socken bis zum Transportieren empfindlicher ElektronikgerĂ€te.

Vulcan lernt laut Amazon aus seinen eigenen Fehlern, findet heraus, wie sich verschiedene Objekte bei BerĂŒhrung verhalten, und baut nach und nach ein VerstĂ€ndnis fĂŒr die physische Welt auf. Das sei vergleichbar damit, wie Kinder lernen. Man könne daher davon ausgehen, dass der Roboter in den kommenden Jahren immer intelligenter und leistungsfĂ€higer werde.

Videos by heise

Aktuell soll Vulcan laut Amazon bereits etwa drei Viertel der Millionen von Produkten im Sortiment des Unternehmens handhaben und den Lagerbestand mit einer Geschwindigkeit bewegen, die mit der menschlicher Mitarbeiter vergleichbar ist. Vulcan ist laut Entwickler auch intelligent genug, um zu erkennen, wenn er einen bestimmten Artikel nicht bewegen kann. In diesem Fall könne er einen menschlichen Partner um Hilfe bitten.

Vulcan ist nicht der erste Roboter, der bei Amazon zum Einsatz kommt, um GegenstĂ€nde zu bewegen. Die Systeme Sparrow, Cardinal und Robin verwenden Computer Vision und SaugnĂ€pfe, um einzelne Produkte oder Verpackungen zu bewegen, die von menschlichen Mitarbeitenden verpackt wurden. Proteus, Titan und Hercules heben und transportieren Warenkarren in Amazons Logistikzentren. Dass der Roboter mit Tastsinn in Deutschland prĂ€sentiert wird, ist ĂŒbrigens kein Zufall: Vulcan ist in Amazons Logistikzentrum in Winsen bei Hamburg im Testeinsatz. (nij)