"Hirnloser" Roboter läuft oder schwimmt automatisch ohne Steuerungsbefehle
Forscher der AMOLF haben einen Laufroboter entwickelt, der mit Druckluft angetrieben wird und ohne Elektronik automatisch seine Fortbewegungsart anpasst.
Die AMOLF-Forscher Alberto Comoretto, Harmannus A. H. Schomaker und Johannes T. B. Overvelde hinter ihrem Lauf- und Schwimmroboter.
(Bild: AMOLF)
Ein Wissenschaftsteam des FOM Institute for Atomic and Molecular Physics (AMOLF) hat einen Lauf- und Schwimmroboter entwickelt, der seine Bewegungsart ohne jegliche Steuerungselektronik und Sensorik automatisch seiner Umgebung anpasst. So kann er etwa zwischen Laufen an Land und Schwimmen im Wasser wechseln. Der Roboter wird lediglich mit Druckluft betrieben.
Um die Fortbewegungsart eines Roboters wechselnden Geländeformationen automatisch anzupassen, wird normalerweise ein Haufen Elektronik, Sensorik und mitunter Künstliche Intelligenz (KI) benötigt. Der Roboter analysiert damit seine Umgebung und passt seine Fortbewegung entsprechend an.
AMOLF-Forscher haben einen anderen Weg eingeschlagen und wollten einen möglichst einfachen Roboter entwickeln, der seine Fortbewegung automatisch der Umgebung anpasst. Die Wissenschaftler bedienen sich dabei eines einfachen Prinzips, indem sie Luftdruck als Antriebsform verwenden. Ähnlich wie die aufgeblasenen, wackeligen Tubetänzer, die sich bewegen und auf Veranstaltungen für Aufmerksamkeit sorgen, wird der Softroboter des AMOLF ebenfalls in Bewegung gebracht.
Automatische Synchronisation der Beinbewegungen
Die Forscher haben dazu den Softroboter, der aus einem Silikonstück gefertigt ist, mit röhrenförmigen Beinen ausgestattet, wie der Studie "Physical synchronization of soft self-oscillating limbs for fast and autonomous locomotion" zu entnehmen ist, die in Science erschienen ist. Wird Luft in den Körper geblasen, fangen die Beine an zu schwingen, so wie es auch die Tubetänzer tun. Jedes einzelne Bein schwingt für sich willkürlich. Bei einer Kopplung der Beine ändert sich das aber, denn dann synchronisieren sich ihre Bewegungen, sodass es zu gleichmäßigen Bewegungsabläufen kommt.
"Plötzlich entsteht aus dem Chaos eine Ordnung", sagt Alberto Comoretto, Erstautor der Studie. "Es gibt keinen Code, keine Anweisungen. Die Beine synchronisieren sich einfach spontan, und der Roboter bewegt sich. Wie bei Glühwürmchen, die synchron blinken, oder Herzzellen, die im Gleichklang pulsieren, entstehen komplexe kollektive Bewegungen aus einfachen Interaktionen."
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Die Wissenschaftler beobachteten bei ihren Experimenten eine weitere erstaunliche Fähigkeit ihres Roboters: Je nach Untergrund richtet der Roboter spontan seine Gangart neu aus. Bewegt er sich etwa vom Land ins Wasser ändert sich seine Bewegungsart von einem phasengleichen Hüpfmuster zu schwimmenden Bewegungen. Der Übergang erfolgt dabei ohne jegliche Steuerung. Die Bewegungsänderung ergibt sich automatisch aus der Interaktion zwischen Körper und Umgebung.
"In der Biologie sehen wir oft eine ähnliche dezentrale Intelligenz", erklärt Mannus Schomaker, Mitautor der Studie. "Seesterne zum Beispiel koordinieren Hunderte von Röhrenfüßen mithilfe lokaler Rückkopplung und Körperdynamik, nicht mit einem zentralisierten Gehirn."
Außerdem ist der Roboter schnell – sehr schnell. Er erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 30 Körperlängen pro Sekunde. Das ist etwa ein Drittel schneller als ein Ferrari, schreiben die Wissenschaftler.
Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass diese Art der Bewegung von Robotern für vielfältige Anwendungen genutzt werden können, etwa für intelligente Medizinkapseln, die zielgerichtet Medikamente in einem Körper transportieren oder auch in Exoskeletten. Dort könnte die Technik genutzt werden, um die Schritte des Trägers automatisch mit einer künstlichen Kraftunterstützung zu synchronisieren. Die menschliche Gehkraft kann so erweitert werden, ohne dabei eine Elektronik verwenden zu müssen und viel Strom zu verbrauchen.
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Auch könnten explorative Roboter, etwa im Weltraum, die Technik nutzen, um sich in extremen Umgebungen ohne anfällige Steuerungselektronik zu bewegen. Die Forscher sehen ihre Studie als einen Beitrag dazu, wie einfachere, anpassungsfähigere und robustere Laufsysteme entwickelt werden können, die physikalisch gesteuert werden, nicht aber durch Berechnungen oder KI.
(olb)