KI-System rekonstruiert Gesichter aus DNA
Chinesische Forscher haben eine Software entwickelt, die aus dem Erbgut das Aussehen eines Menschen berechnet. Sie könnte in der Forensik genutzt werden.
(Bild: Fractal Pictures/Shutterstock.com)
Im Erbgut sind Informationen über den ganzen Menschen kodiert – auch über dessen Gesicht, wie chinesische Forscher herausgefunden haben. Sie haben eine Software entwickelt, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) ein Gesicht aus DNA rekonstruieren können soll.
Difface heißt die Software, die das Team um Mingqi Jiao von der Universität in Hangzhou in der ostchinesischen Provinz Zhejiang entwickelt hat. Sie sei "ein multimodales Modell zur Rekonstruktion von 3D-Gesichtsbildern ausschließlich aus DNA", schreibt das Team in der Fachzeitschrift Advanced Science. Vorbild seien "Techniken der Künstlichen Intelligenz in der Text-Bild-Synthese".
Difface nutzt dabei Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphism, kurz: SNP) – das sind Variationen von Basenpaaren in der DNA –, um 3D-Punktwolken zu erzeugen. Die Punktwolke stellt dann das Gesicht eines Menschen dar.
Datensatz von knapp 10.000 Menschen
Trainiert hat das Team sein Modell mit einem Datensatz von 9.674 Menschen. Dieser enthielt neben 3D-Scans der Gesichter auch Genom-Sequenzen der Testpersonen. Das System analysierte zunächst, welche SNPs mit welchen Gesichtsstrukturen zusammenhängen.
Im nächsten Schritt ließen die Forscher das System dann aus DNA, die nicht zu den Trainingsdaten gehörte, das zugehörige Gesicht rekonstruieren. Dabei wich das rekonstruierte Gesicht im Schnitt um gerade mal 3,5 Millimeter vom echten ab.
Wurden dem System weitere Parameter zur Verfügung gestellt wie das Alter, das Geschlecht und der Body-Mass-Index einer Person, wurde das Ergebnis noch etwas genauer. Die Abweichung betrug dann 2,9 Millimeter.
Das System ist nach Angaben der Forscher sogar in der Lage, das Aussehen einer Person in verschiedenen Altersstufen vorherzusagen. Allerdings lässt sich nicht jedes Teil des Gesichts gleich gut rekonstruieren. So kann Difface eine Nase genauer berechnen als die Form der Wangen oder die Position der Augen. Auch wird das Ergebnis schlechter, wenn nicht das vollständige Erbgut zur Verfügung steht.
Videos by heise
Anwendung in der Forensik
Als wichtigstes Anwendungsgebiet sehen die Entwickler die Forensik: So könnten mithilfe von DNA-Proben von einem Tatort die Gesichter von Opfern oder Verdächtigen rekonstruiert werden. Bisher funktioniere das allerdings nur mit den Gesichtern von Han-Chinesen, betonen die Forscher.
Auch Historiker könnten profitieren: Sollte aus einem historischen Skelettfund noch DNA extrahiert werden, ließe das Gesicht einfacher rekonstruieren als mit der bisher eingesetzten Weichteilrekonstruktion. Weitere Einsatzmöglichkeiten könnte die Medizin sein, etwa bei der Vorbereitung von Operationen.
Dass diese Technik auch weitreichende Auswirkungen auf die Privatsphäre hat, ist den Forschern bewusst. Sie fordern deshalb explizit zu einem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs darüber auf.
(wpl)