Neuer Digitalminister: Datenschutz darf nicht zur Innovationsbremse werden

Wildberger sieht "dringenden Handlungsbedarf", um den Datenschutz und die KI-Verordnung innovationsfreundlicher zu machen. Er wirbt für einen Deutschland-Stack.

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Mann hinter zwei Mikros

Karsten Wildberger

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Der überraschend ins Amt gekommene Bundesdigitalminister Karsten Wildberger hat auf dem Jahrestag des CDU-Wirtschaftsrates am Dienstag in Berlin einen Teil seines Regierungsprogramms präsentiert. Für den Ex-Vorstandsvorsitzenden von Ceconomy, der Muttergesellschaft von MediaMarkt und Saturn, ist es demnach entscheidend, in Europa eine resiliente Wertschöpfungskette und einen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Datenschutz und die Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) spielten dabei eine "wichtige Rolle", erklärte das CDU-Neumitglied. Dabei handle es sich um "Grundpfeiler der digitalen Gesellschaft mit hohem Anspruch". Diese dürften "aber nicht zur Innovationsbremse" werden.

Er sehe daher bei den europäischen Vorgaben zum Absichern der Privatsphäre "dringenden Handlungsbedarf", betonte Wildberger. Im Kern handle es beim Datenschutz und innovativen Online-Geschäftsmodellen um "zwei Seiten derselben digitalen Medaille". Zugleich kündigte er an, er werde schnell mit den europäischen Kollegen in den AI Act reinschauen und ausloten, wie sich die KI-Verordnung der EU national am innovationsfreundlichsten umsetzen lasse.

KI bezeichnete der Ex-Manager als große Chance für Fortschritt und Wachstum, was die Politik den Bürgern aber mithilfe einer "positiven Fortschrittserzählung" erklären müsse. In Deutschland stünden bisher oft die Risiken der Schlüsseltechnik im Vordergrund. Diese seien aber am besten beherrschbar, "wenn man die Technologie beherrscht" und darin führend sei. Mutig und innovativ zu sein, müsse wieder zur Selbstverständlichkeit werden.

Das von ihm angestrebte "digitale next Germany", das auf dem Erfolgsschlager "made in Germany" aufbauen soll, bringe Chancen auf Wachstum und Arbeitsplätze mit sich, führte Wildberger aus. Er sei auch für die Staatsmodernisierung zuständig, wo er weniger Bürokratie und mehr Effizienz in die Verwaltung bringen wolle. Dafür brauche es auch Künstliche Intelligenz. "Für jedes Gesetz müssen zwei weg. Geht das?", umschrieb er fragend eine seiner Maximen. Die ersten beiden Normenwerke schweben ihm mit dem Lieferketten- und dem Heizungsgesetz bereits vor, wo die schwarz-rote Regierung schnell handeln müsse.

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Als eines seiner Hauptthemen nannte der 55-Jährige die Digitalisierung des Staates. Dafür sei es nötig, einschlägige Prozesse schnell, effizient und nah an den Lebenswelten der Bürger zu schaffen. Bei seinen Antrittsbesuchen bei Behörden wie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesnetzagentur am Freitag habe er "engagierte Mitarbeiter" kennengelernt: "Wir fangen nicht bei null an", ist der Leiter des noch aufzubauenden Ressorts zuversichtlich. Die vielen Initiativen von Bund, Ländern und Kommunen müssten aber besser koordiniert werden.

Wie sich eine einheitliche digitale Architektur auf Bundesebene und darüber hinaus schaffen lässt, treibt Wildberger um. Er plädiert hier für die Entwicklung eines "Deutschland-IT-Stack". Darunter versteht er eine einheitliche Infrastruktur mit klar definierten Schnittstellen, Cloud-Diensten und Standards. Bisher wird in Fachkreisen vor allem ein EuroStack diskutiert. Die EU soll demnach bis 2035 rund 300 Milliarden Euro in gemeinsame Plattformen, Datenräume, Normen und koordinierte Strategien investieren.

Als Baustein für die damit verknüpfte digitale Souveränität sieht der Minister eine elektronische Identität in einer digitalen EU-Wallet. Weiterer Schwerpunkt: die Großbaustelle des Voranbringens der digitalen Infrastruktur: "Es braucht funktionierende Netze ohne weiße Flecken", verdeutlichte er. "Die Daten müssen fließen." Wildberger will dabei auf Glasfaser und 5G "mit klarem Fokus auf private Investitionen" setzen. Staatliche Fördermittel dürften diese nur ergänzen. Er wolle mit den ausbauenden Firmen über Tempo des Ausbaus sprechen und auch hier ausloten: "Wo können wir sehr schnell entbürokratisieren?" Auch ein besseres Projektmanagement und klares Umsetzungscontrolling könnten helfen.

Die ersten Tage waren "schon wild", ließ Wildberger auf Nachfrage durchblicken. Er habe nur auf dem Gaspedal gestanden. Sein Team brenne für die Sache. Auch bei der Digitalministerkonferenz, die er gerade besuchte, sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit absolut spürbar. Auch wenn er wisse, dass die Ziele in einem komplexen System implementiert werden müssten, habe er "heute eigentlich mehr Energie als letzte Woche" bei seinem Antritt.

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Die Rede beim Wirtschaftsrat, bei dem es sich um eine CDU-nahe Lobbygruppe handelt, war für Wildberger ein Heimspiel. Im dortigen Präsidium war er auf den jetzigen Bundeskanzler Friedrich Merz getroffen, nun wurde er unter neuer Flagge herzlichst wieder in den angestammten Reihen begrüßt.

Wildberger gab am Montag seine Vize-Präsidentschaft im Wirtschaftsrat der CDU an SAP-Vorstand Thomas Saueressig ab. Er bleibt aber Mitglied im Präsidium. Der Verein LobbyControl kritisierte zuvor seine herausragende Funktion im Wirtschaftsrat. Brisant sei auch, dass MediaMarkt-Saturn einer der Hauptsponsoren des Wirtschaftstages ist. LobbyControl fordert eine klare Trennung zwischen politischen Aufgaben und Lobbyfunktionen, auch wenn es sich um Ehrenämter handelt. Über die Bundesminister Katherina Reiche und Patrick Schnieder (beide CDU) säße der Wirtschaftsrat ebenfalls "jetzt sogar mit am Kabinettstisch".

(olb)