Stromanbieter LichtBlick kassiert aus untergeschobenem Vertrag

Wer ein Inkassounternehmen beauftragt, muss grĂĽndlich prĂĽfen, ob die Forderungen ĂĽberhaupt berechtigt sind. Viele Firmen nehmen es damit nicht sonderlich genau.

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Von
  • Tim Gerber
Inhaltsverzeichnis

Tino W.s Schwager Jan W. ist seit Jahren an einem schweren und kaum heilbaren Nervenleiden erkrankt. Bereits im Frühjahr 2021 musste er deshalb dauerhaft in einer medizinischen Einrichtung untergebracht werden. Er wurde vom zuständigen Amtsgericht unter Betreuung seiner Schwester Ines W. gestellt, der Ehefrau von Tino W., die seither die gesetzliche Vertreterin ihres im höchsten Grad (Pflegestufe 5) pflegebedürftigen Verwandten ist. Gemeinsam kümmert sich das Ehepaar W. nun um alle Angelegenheiten des schwer kranken Angehörigen. So löste die Familie auch die bisherige Mietwohnung des Erkrankten zu Ende März 2021 auf und übergab sie zurück an den Vermieter, die kommunale Leipziger Wohn- und Baugesellschaft LWB.

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Im Mai 2021 schickte dann auch der Stromanbieter die übliche Schlussrechnung. Die wurde beglichen und damit sollte dieser Punkt abgehakt sein. Umso erstaunter waren die W.s, als im Frühjahr 2024 plötzlich der Stromanbieter LichtBlick vom Konto des kranken Jan W. per Lastschrift einen Abschlagsbetrag für Strom einzog. Ines W. buchte das Geld sofort zurück und erkundigte sich per E-Mail bei LichtBlick, wie diese Abbuchung zustande gekommen sei.

Angeblich sei ein Vertrag über Stromlieferung auf den Namen des Bruders für die vor fast drei Jahren aufgegebene Wohnung abgeschlossen worden, erfuhr die Schwester. Um den angeblichen Vertrag beenden zu können, solle sie ein Übergabeprotokoll der Wohnung vorlegen, schrieb ihr der Kundenservice von LichtBlick mit E-Mail vom 6. März 2024.

Am 10. März 2024 kam sie der Aufforderung nach und übersandte das Übergabeprotokoll der LWB vom 31. März 2021. Zugleich bat sie um eine Bestätigung, dass der Vertrag nun als von Anfang als nichtig gelte und die von LichtBlick daraus erhobenen Forderungen entfallen seien.

Doch dies geschah nicht. Zwar betrachtete das Unternehmen den Vertrag nun offenbar als beendet, es wollte aber die Abschlagszahlung in Höhe von 38,81 Euro per Endabrechnung vom 21. Februar 2024 bei Jan W. beziehungsweise seiner Schwester Ines W. eintreiben. Anfang 2025 versuchte Lichtblick dann, den Betrag per Lastschrift einzuziehen. Nachdem dies nicht gelang, erhielten die W.s Mitte Mai 2025 per Post eine „Zahlungserinnerung“ mit der Aufforderung, die 38,81 Euro nunmehr binnen 14 Tagen zu überweisen.

Darauf rief Tino W. am 19. Mai bei LichtBlick an und versuchte nochmals klarzustellen, dass die Forderung unberechtigt sei und warum. Man werde das klären, hieß es vonseiten des Kundenservice. Die Klärung bestand aber offenbar darin, dass LichtBlick die Sache an ein Inkassounternehmen abgab. Denn schon Ende Mai flatterte den W.s das Schreiben eines solchen Geldeintreibers ins Haus, zusätzlich zu den 38,81 Euro sollten sie nochmal gut 35 Euro an Inkassokosten entrichten.

Der Anbieterwechsel zu Lichtblick ist einfach, verspricht die Werbung auf der Firmenwebseite. Aber wenn man irrtümlich in ihre Datenbanken gerät, wird man sie nicht so schnell wieder los. (Screenshot: LichtBlick)

Nun wandte sich Tino W. als langjähriger Abonnent am 2. Juni an c’t und schilderte uns den Fall seines Schwagers. Auch für uns schien der Vorgang reichlich abstrus, deshalb fragten wir am 11. Juni bei LichtBlick an, wie denn eigentlich der Vertrag mit dem schwer pflegebedürftigen und geschäftsunfähigen Jan W. zustande gekommen sein sollte, mehrere Jahre nachdem er nachweislich aus der Wohnung ausgezogen war.

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