Die Woche: Um die Erfahrung reicher

Was bringt manche Leute dazu, nächtelang an Computer oder Basteltisch zu sitzen und aus dem Nichts heraus so komplexe Geräte wie eine Spielekonsole zu entwickeln? Nicht das schnelle Geld, denn hinterher sind sie meist nur um die Erfahrung reicher.

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Wenn Hardware von der Stange einem nicht mehr genügt, weil die Prozessoren zu schwachbrüstig, die Displays zu klein sind oder der Hersteller ausgerechnet auf die wichtigsten Schnittstellen verzichtet hat, kann man entweder weiter auf ein passendes Gerät warten – oder aber man tut sich mit ein paar Gleichgesinnten zu sammen und produziert es selbst.

Das war auch die Ausgangssituation des OpenPandora-Projekts: Man wünschte sich eine Spielekonsole für die Westentasche, deren Hardware leistungsfähig genug war, um selbst alte Amiga-Spiele im Emulator laufen lassen zu können. Die Hardware-Industrie hatte jedoch nichts Passendes anzubieten, weshalb man sich 2008 entschloss, das Gerät kurzerhand selbst zu entwerfen und in Serie zu fertigen.

Mit der Serienfertigung lag die Latte schon sehr hoch: Viele Projekte werden noch in der Planungsphase eingestellt, weitere sterben, wenn die ersten – typischerweise nicht oder nur teilweise funktionierenden – Prototypen gebaut sind. Ein Gerät bis zur Serienreife weiterzuentwickeln bedeutet nicht nur sehr viel mehr Zeitaufwand als das Basteln eines halbwegs funktionierenden Prototyps, sondern erfordert auch umfangreiches Know-how der Fertigungsprozesse.

So genügt es nicht, einfach im Katalog die Prozessoren, Halbleiter, passiven Bauelemente und Stecker herauszusuchen – diese müssen auch in passender Verpackung geliefert werden, um sie später in der Serienfertigung mit einem Bestückungsautomaten verarbeiten zu können. Auch die verwendeten Löttechniken spielen eine entscheidende Rolle.

Das Problem daran: Bei Prototypen spielen verschiedene Lötprozesse und selbst eine teilweise manuelle Bestückung der Platinen keine Rolle. Das böse Erwachen kommt erst, wenn man die vermeintlich ausgereifte Platine in Serie fertigen möchte und sich wundert, wieso der Lieferant dafür so horrende Preise verlangt und gleich vor hohen Ausschussraten warnt. Man tut daher gut daran, Projektmitarbeiter zu haben, die bereits über entsprechende Erfahrung verfügen – oder man muss seine Fehler selbst machen und dann aus ihnen klug werden. Nicht selten sieht eine Schaltung im Computer zwar perfekt aus, der Prototyp macht aber keinen Mucks – etwa weil man die Bauteiletoleranzen nicht berücksichtigt hat oder zu eng nebeneinander liegende Lötpads beim Schwalllöten unbeabsichtigt kurzgeschlossen wurden.

Der Übergang vom Schaltungsentwurf zum Prototypen ist auch deshalb für die Projekte schwierig, weil die Finanzierung sichergestellt werden muss – so ein fertig bestücktes Prototypen-Board kostet leicht eine fünfstellige Summe. Hier ist die Versuchung groß, einen Venture Capitalist oder einen anderen risikofreudigen Investor ins Boot zu holen. Allerdings hat man dann jemanden im Nacken, der auf eine möglichst rasche Fertigstellung des Projekts sowie einen möglichst hohen Preis drängt – schließlich will der Investor sein Geld möglichst bald und möglichst gut verzinst zurück erhalten. Außerdem läuft man Gefahr, dass der Investor lediglich das Know-how abgreift und die Entwickler nach Fertigstellung des Prototypen feuert – um bei der anschließenden Serienpoduktion gut zu verdienen.

Auch das OpenPandora-Projekt stand 2008 vor der Entscheidung, Investoren anzusprechen, um die weitere Entwicklung der Spiele-Konsole überhaupt finanzieren zu können. Man entschied sich jedoch dafür, zunächst 4000 Vorbestellungen gegen gegen die Vorauszahlung des Kaufpreises von 250 Euro anzunehmen, womit man auf einen Schlag über eine Million Euro für die Entwicklung und Fertigung verfügte. Das war auch dringend nötig, denn nicht nur die Fertigung der insgesamt sechs Prototypen-Boards schlug kräftig ins Kontor, man musste ja zudem auch sämtliche Bauteile sowie die Fertigungskosten aus dem Geld der Kunden bestreiten. Da hatte sich das OpenPandora-Projekt jedoch verkalkuliert, die Mitglieder mussten mehrere hunderttausend Euro aus ihrem privaten Vermögen investieren, um die Spielekonsole letztlich fertig zu bekommen.

Heute, zwei Jahre nach dem ursprünglich geplanten Auslieferungstermin der ersten 2000 Geräte, ist die Pandora serienreif und die ersten 600 Kunden haben ihre vor zwei Jahren bestellten Geräte endlich erhalten. Man habe nicht nur den erforderlichen Zeitrahmen massiv unterschätzt, sondern auch die Kosten für die Entwicklung, sagt Michael Mrozek vom OpenPandora-Projekt. Wenn bis Ende September hoffentlich alle 4000 Geräte der ersten Serie ausgeliefert sind, soll es eine zweite 4000er-Serie geben, deren Fertigung weiter optimiert ist, sodass man schneller und vor allem billiger produzieren kann, denn auch die Entwickler hätten ihr eingesetztes Vermögen gerne wieder zurück. Was den OpenPandora-Mitgliedern aber in jedem Fall bleibt, ist die Erfahrung, ein hochkomplexes elektronisches Gerät vom ersten Entwurf bis zur Serienreife zu entwickeln und zu bauen – Erfahrung, die selbst Mitarbeiter großer Firmen nicht sammeln können, und die sich für den einen oder anderen vielleicht beim nächsten Job auszahlen könnte. (mid) (mid)