OpenAI kauft io für 6,5 Milliarden US-Dollar: Woher und wofür?

Jony Ive und Sam Altman – das neue Dreamteam aus San Francisco. Da fließen neben den Milliarden auch fast die Tränen vor lauter Rührung.

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Ive (links) und Altman an der Bar.

Ive (links) und Altman an der Bar.

(Bild: Screenshot aus dem Video.)

Lesezeit: 6 Min.
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Bilder von San Francisco, Chinatown, das Vesuvio, eine Bar, in der früher die Beatniks wie Jack Kerouac und Allen Ginsberg abhingen. Neun Minuten ist das Video lang, in dem Sam Altman und Jony Ive zunächst durch die Straßen des Viertels Jackson Square laufen, das einem Bericht zufolge zum Teil oder inzwischen gleich ganz Ive gehört. Die Bilder grenzen an Kitsch, sie wirken authentisch, hier und da sind die Häuser jedoch so weichgezeichnet, dass es sich um KI oder Photoshop handeln könnte. Im Café Zoetrope lassen sich die Protagonisten nieder, um träumerisch über ihr Projekt zu sprechen: io und das neue KI-Gerät.

Eine Analyse von Eva-Maria Weiß
Ein Kommentar von Eva-Maria Weiß

Eva-Maria Weiß ist Journalistin für Social Media, Browser, Messenger und allerlei Anwendungen im Internet. Seit ChatGPT ist KI in den Vordergrund gerückt.

Ein Ausschnitt aus dem Video zeigt ein weich gezeichnetes Haus.

(Bild: Screenshot Video OpenAI.)

Ganz real soll OpenAI dem Hardware-Startup io des ehemaligen Chefdesigners von Apple 6,5 Milliarden US-Dollar für die Übernahme gezahlt haben. Eine der großen Fragen dabei: Woher kommen die Milliarden – diese für uns Menschen außerhalb des Valleys und außerhalb prominenter Sphären und außerhalb der neuen OpenAI-Mafia unvorstellbaren Summen. Mit der OpenAI-Mafia sind jene Mitarbeiter von OpenAI gemeint, die sich mit ihrem Verdienst von dort inzwischen selbstständig gemacht haben, wie einst die Gründer von Paypal, denen man ebenfalls mafiöse Züge unterstellt – ohne die Gewalt, aber mit Macht und Geld.

Altman hat wiederholt gesagt, dass ihm völlig egal sei, was es am Ende koste, er will sein Ziel erreichen, eine für alle Menschen hilfreiche KI, am besten eine AGI (Artificial General Intelligence). Gut. Mir wär es auch egal, woher das Geld für meine neue Inneneinrichtung käme, wenn ich es mit diesem Gedanken herbeizaubern könnte. Kann ich aber nicht. Woher nimmt Altman beziehungsweise OpenAI also 6,5 Milliarden US-Dollar? Oder handelt es sich nur um eine fiktive Summe? Geld auf dem Blatt?

Das Geld, das OpenAI einnimmt, reicht kaum, um den Betrieb der KI-Dienste aufrechtzuerhalten. Entwicklung, Mitarbeiter, Betriebskosten schlucken mehr als die Abonnements bisher eingebracht haben. Erst kürzlich klagte Altman, jedes "Bitte und Danke", das ChatGPT-Nutzer schreiben, koste das Unternehmen Millionen. Jedes Wort wird von der KI in Token umgerechnet und verarbeitet, die Verarbeitung kostet Rechenleistung.

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Also müssen die Investoren ran. Auf der eigenen Webseite schreibt OpenAI, man solle seine Investition lieber gleich als Spende betrachten. Man ist sich dort offenbar bewusst, dass es nicht so schnell das dicke Geld retour geben wird. Aus der Umwandlung in ein gewinnorientiertes Unternehmen wird auch erstmal nichts. Lassen nun also die Investoren Altman 6,5 Milliarden ausgeben für ein Hardware-Startup, von dem wir bisher nur sehr wenig wissen? Offenbar.

Jony Ive ist mitverantwortlich für das iPhone und sicher für seinen Erfolg, aber die Idee für das Gerät hatte Steve Jobs. Dass Ive und Altman bereits seit Längerem zusammenarbeiten, ist bekannt. Ive sagte, man wolle ein Gerät entwickeln, das weniger nervig sei als das iPhone. In dem bromantischen Video klingt es bei Altman, als nutze er dieses ominöse Gerät bereits. Die beiden Gäste des Cafés sitzen an der Bar, da sagt Altman, wie aufwendig es wäre, wenn man jetzt ChatGPT zu etwas befragen wollen würde: Laptop aufklappen, tippen, abwarten.

Was also stattdessen? Im nächsten Jahr soll das neue Gerät erscheinen. Es wäre fast ein bisschen lustig, wenn die beiden eine smarte Brille aus dem Ärmel schütteln und dafür so ein Video-Bohai machen. An der Brille arbeiten sie bekanntermaßen. Meta und Google haben ihre Modelle schon auf dem Markt beziehungsweise vorgestellt, Apple sei auch dabei, eine solche zu entwickeln, heißt es.

Irritierend wäre ein neuer Rabbit beziehungsweise AI Pin. Beides sind Geräte, die schon komplett krachen gegangen sind. Sie sollten als Anstecker oder als kleines Zusatzgerät in der Hosentasche KI-Funktionen nutzbar machen. Toll, ein zusätzliches Gerät in der Tasche, das weniger kann als mein Smartphone – hat sich ungefähr niemand gedacht.

Wie wäre es mit einem Chip unter der Haut? Oder im Auge? Im Silicon Valley ist nichts zu verrückt, und Altman steckt schon tief im Worldcoin-Business, das Krypto-Iris-Scan-Unternehmen. Aber wozu dann ein Designchef wie Ive, wenn sich so ein Chip doch hoffentlich nicht durch die Haut hervorwölbt.

Und dann wäre da noch die Frage, warum es überhaupt eine Übernahme dazu braucht. Ive und Altman haben ihre Zusammenarbeit schon lange bekannt gegeben. Eigentlich ging es dabei um die Designarbeiten von LoveFrom, Ives Designunternehmen, ansässig in jenem Häuserblock. io soll eine Art Spin-Off sein. Extra gegründet, um für Milliarden übernommen zu werden?

Ein aktuelles iPhone kostet mehr als 1000 Euro. Es gibt Schätzungen, dass die Herstellung etwa die Hälfte kostet. Macht 500 Euro Gewinn. Wobei nicht mitberechnet ist, was die gesamte Entwicklung und das Marketing kostet. Bei 500 Euro bräuchte es 13 Millionen verkaufte Geräte, um die 6,5 Milliarden wieder reinzuholen. Auch hier – ohne Kosten für die Entwicklung. Das erscheint machbar. Apple hat vergangenes Jahr 240 Millionen iPhones verkauft. Es braucht aber auch wirklich einen iPhone-Moment. An den glauben Ive und Altman, das beteuern die beiden neun Minuten lang in dem Video. "Das coolste Stück Technologie, das er je gesehen hat", sagt Altman. Wir werden sehen.

(emw)