Kritik an E-Patientenakte: "Abrechnungsdaten gehören nicht auf zentrale Server"

Die Digitalisierung in Arztpraxen hat Potenzial, doch so richtig läuft es nicht. Ärzte fordern darum ein Praxiszukunftsgesetz und eine stabile Infrastruktur.

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Symbolbild fĂĽr einen Arzt, vermutlich vor einem Laptop. Neben ihm liegt ein Tablet und darauf ein Stethoskop.

(Bild: Thanadon88/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die Digitalisierung in Arztpraxen könnte die Patientenversorgung verbessern und Ärzte und Praxispersonal entlasten – dank einer höheren Arzneimitteltherapiesicherheit, Telemonitoring, Videosprechstunden, KI und Co. Ein schleppender Ausbau der Digitalisierung und ein Investitionsstau belasten die Praxen jedoch. Darum fordert die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einem Positionspapier unter anderem ein Praxiszukunftsgesetz zur Finanzierung der Digitalisierung, ähnlich wie das Krankenhauszukunftsgesetz.

Notwendig sei dafür insbesondere eine stabile Telematikinfrastruktur (TI), der "Gesundheitsdatenautobahn" des Gesundheitswesens, und nutzerfreundliche Anwendungen – sowohl für Ärzte als auch für Patienten. Immer wieder kommt es zu Störungen rund um die Telematikinfrastruktur, zuletzt am vergangenen Freitag und Samstag. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Gematik habe es sich jedoch nur um kurzfristige oder Teil-Störungen gehandelt.

Der Gematik zufolge waren bei der ePA-Störung am Freitag nur wenige Krankenkassen beeinträchtigt gewesen, unter anderem Versicherte der AOKen, der Barmer, der Techniker Krankenkasse und die Knappschaft-Bahn-See. Ferner "waren Mitarbeitende von Praxen und Apotheken [betroffen], die Karten des Anbieters D-Trust nutzen", so die Gematik. Eine Sprecherin des BMG betonte, dass aus Gründen der Transparenz oft auch "sehr kurze Störungen" aufgezeigt würden. Die Gematik stehe zudem im engen Austausch mit allen Anbietern und setze "weitere technische wie organisatorische Maßnahmen um, um die Betriebsstabilität zu erhöhen".

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung geht nicht davon aus, dass die TI-Störung die Patientenversorgung behindert habe. Dennoch komme es durch die Umstellung auf den Papierprozess zu Verzögerungen, erklärte KBV-Vorständin Dr. Sibylle Steiner. Ebenso räumte sie ein, dass es der Digitalisierung ebenfalls schade, wenn Ärzte nicht für eine aktuelle Infrastruktur sorgen und beispielsweise keinen gültigen Heilberufsausweis haben oder nicht über Konnektoren mit aktueller Software verfügen.

Dennoch sehe Steiner auch, dass regelmäßig TI-Störungen auftreten und erinnerte dabei an die flächendeckende Einführung des E-Rezepts. Auffällig sei laut Dr. Petra Reis-Berkowicz, Vorsitzende der KBV-Vertreterversammlung, dass sich die durch die TI induzierten Abstürze der TI-Anwendungen häufen, manchmal würden sie mehrere Minuten dauern, manchmal allerdings auch mehrere Stunden. Reis-Berkowicz hoffe, dass die Störungen weniger werden, der "ganze Zirkus" funktioniere und nicht mehr in Pressekonferenzen thematisiert werden müsse.

Das alles, KI und gut funktionierende Technik, Praxen, die deutlich mehr Patienten versorgen müssen als noch vor 30 Jahren, werde man schultern, zeigte sich Reis-Berkowicz optimistisch. Doch auch der schleppende Netzausbau stellt laut Positionspapier (PDF) eine Belastung für die Praxen dar: "Ohne schnelles Internet können Ärzte und Psychotherapeuten nicht digital arbeiten. Das muss sich ändern."

Erfolg könne die Digitalisierung nur haben, wenn sie entlastet, so Dr. Christian Messer, Mitglied der Vertreterversammlung der KBV und Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Aktuell gebe es jedoch viel Ärger über deren Funktionalität. Die ePA sei "Dimensionen davon entfernt", Ärzten zu nutzen. Zudem betonte er auch, dass Abrechnungsdaten nicht auf zentrale Server gehören.

Zu einer weiteren Forderung der KBV gehört, dass Abrechnungs- und Diagnosedaten, die die Krankenkassen in die ePA einstellen und die stigmatisierende Auswirkungen haben können, nur von den Versicherten selbst einsehbar sein dürfen. Zudem wird betont, dass Krankenkassen, Industrieunternehmen und Dritte keinen Zugriff auf die Daten erhalten dürfen und die ePA kein Instrument für Krankenkassen werden darf, um in die Versorgung von Patienten einzugreifen. Für Minderjährige fordert die KBV in ihrem Positionspapier ein Opt-in-Modell.

Für die Zukunft fordert die KBV die Einbindung von ärztlicher und psychotherapeutischer Expertise bei der Entwicklung digitaler Lösungen. Regelmäßig gibt es Kritik daran, dass die Personen, die die Anwendungen nutzen, nicht oder kaum in die Entwicklung der Produkte der staatlichen Digitalisierung eingebunden werden.

Zu weiteren Forderungen gehört der Ausbau der Patientenhotline 116 117, dem zugehörigen Onlineportal samt der "medizinisch abgesicherte[n] und algorithmengestützte[n] Ersteinschätzungssysteme" für die Patientensteuerung bei der Terminvergabe. Diese soll "nach medizinischer Notwendigkeit und Dringlichkeit – auf Basis ärztlicher und psychotherapeutischer Kompetenzen" erfolgen und "nicht von wirtschaftlichen Interessen bestimmt" werden.

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe unterstützt diese Forderung, da sie "als wichtige Anlaufstellen für medizinische Anliegen, insbesondere außerhalb der Praxisöffnungszeiten" dient und die Versorgung nach "medizinischer Dringlichkeit" steuern könne. "Die Patientenhotline 116117 ist der Schlüssel zu einer modernen und effizienten Patientensteuerung. Der Weg über die 116117 entlastet die Praxen und sorgt dafür, dass knapper werdende Ressourcen dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden," erklärt Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.

(mack)