Organisierte Kriminalität: Die Generation Bitcoin

Kryptowährungen sind im Mainstream angekommen, auch in der organisierten Kriminalität: Die Generation Bitcoin bringt ihre Erfahrungen aus der Jugend ein.

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(Bild: Erzeugt mit Midjourney durch heise online)

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Eine Serie von Entführungen beunruhigt die Kryptoszene: Bitcoin-Millionäre und ihre Angehörigen sind ins Fadenkreuz der organisierten Kriminalität geraten, für die Freilassung forderten die Täter nicht etwa Millionen in Euro – sondern in Bitcoin & Co. Die Popularität der ältesten Kryptowährung und ihr drastischer Kursanstieg im vergangenen Jahr haben dazu geführt, dass sie auch abseits der Cyberkriminalität von Verbrechern eingesetzt wird. Bei der organisierten Kriminalität liege das auch am Generationenwechsel, sagt Salih Altuntas, Director of Investigations für Zentraleuropa beim Blockchain-Spezialisten Chainalysis gegenüber heise online.

Kriminelle Netzwerke gibt sie seit Jahrzehnten in vielen Bereichen, vom Drogenhandel über Menschen- und Waffenhandel bis hin zu Schutzgelderpressungen. Da sie schon lange Zeit aktiv sind, haben sie bereits etablierte Wege, wie sie Finanzflüsse vertuschen und Gelder waschen. Das Geschäft läuft, eine unmittelbare Notwendigkeit, auf Kryptowährungen zu wechseln, besteht nicht. Finden sich im Bereich der mitgliederbasierten organisierten Kriminalität neue Gruppen zusammen oder steigt der Nachwuchs ins Geschäft der familiären organisierten Kriminalität ein, gelangt dadurch auch Wissen und Erfahrungen aus der Jugend mit in die Gruppen, etwa zu Bitcoin und andere Kryptowährungen. Eine willkommene Ergänzung zu den bisherigen Methoden: "Es wird wohl nie den Schleuser-Ring geben, der nur auf Bitcoins setzt", sagt Salih Altuntas, der zuvor als Leiter für den Bereich Cybercrime und organisierte Kriminalität beim Bundeskriminalamt arbeitete.

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Besonders interessant für die Kriminellen ist, dass die Geldwäsche bei Kryptowährungen quasi in Echtzeit passiert und im Vergleich zu traditionellen Methoden praktisch nichts kostet. "Es ist egal, ob man einen Euro oder eine Million Euro per Bitcoin überweist, die Kosten sind die gleichen." Oft sind es nur einige Cent oder wenige Euro, die als Transfer Fee für solche Krypto-Transaktionen anfallen. Beim in Deutschland verbotenen Hawala-Finanzsystem, das aus einem internationalen Netzwerk von Treuhändern besteht, sind die Gebühren nicht nur vom Überweisungsbetrag abhängig, außerdem muss das Bargeld persönlich an den Treuhänder übergeben werden – jemand muss also seine Anonymität aufgeben. Noch teurer und vor allem langwieriger sind traditionelle Methoden, bei denen das zu waschende Geld über Gastronomiebetriebe oder andere Geschäfte mit hohem Bargeldaufkommen eingespeist wird: Hier sind Verluste von 25 bis 50 Prozent des Eingangsbetrags üblich.

Dagegen sind Transfers von Kryptogeldern über verschiedene Börsen ein Schnäppchen. Doch auch wenn viele kriminelle Netzwerke ansonsten ein hohes Maß an Professionalität aufweisen, bei den Kryptowährungen hapert es noch an Raffinesse: "Da Kriminelle häufig Fehler begehen und keine ausgefeilten Verschleierungsmethoden nutzen, können wir die Transaktionen beobachten und Wallet-Verbindungen sichtbar machen. Dadurch lassen sich illegale Geldflüsse häufig nachvollziehen". Die Ermittler sind also keineswegs chancenlos, die Täter zu überführen, nur weil Kryptowährungen statt Bargeld verwendet werden.

Bitcoin & Co. sind nicht nur in der organisierten Kriminalität angekommen, auch für gewöhnliche Kriminelle ist der Umgang mit Kryptowährungen inzwischen Alltag. Für Besitzer von Kryptovermögen bedeutet es, dass sie nun – so wie gewöhnliche Reiche – im Fokus der Kriminellen stehen, weil sie den (Geld-)Wert der Kryptowährungen erkannt haben. So kam es jüngst in Frankreich zu mehreren Entführungen von Krypto-Investoren oder deren Angehörigen, ohne dass ein Bezug zu Cybercrime oder Darknet-Drogenhandel bestand. Man sollte also genau abwägen, wem man von einem etwaigen Bitcoin-Vermögen erzählt, um nicht ebenfalls ins Fadenkreuz zu geraten.

(mid)