Greenwashing mit Graphen

Nanomaterialien haben inzwischen nicht mehr den besten Ruf. Zwei neue Anwendungen zeigen, dass "grüne Nanotechnologien" mehr als eine PR-Erfindung sind.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Niels Boeing

Nanomaterialien haben inzwischen nicht mehr den besten Ruf. Zwar sind sie mitnichten allesamt gefährlich, aber bei vielen Leuten bleibt zunehmend hängen, dass einige es sein können. Vor einiger Zeit bekam ich zum Beispiel eine Email, in der eine Frau fragte, ob sie eine Pfanne mit einer Nano-Antihaft-Beschichtung kaufen könne. Natürlich war auf der Herstellerseite nicht herauszubekommen, woraus die Nanokomponente der Pfannenbeschichtung genau besteht. So verdichtet sich allmählich ein Generalverdacht.

Umso erfreulicher ist es, einmal von einem Nanomaterial berichten zu können, das nach jetzigem Erkenntnisstand harmlos ist und zugleich sinnvolle Anwendungen ermöglicht: Graphen. Dabei handelt es sich um Graphitschichten, die nur ein Atom dick sind, ungefähr so als ob man von einem Graphitblock eine Atomlage abgepellt hätte. Es ist die jüngste Entdeckung in der Familie der neuen Kohlenstoffvarianten – neben den Fullerenen und den Nanotubes (die man auch als aufgerolltes Graphen bezeichnen könnte) –, die bislang vor allem für die Elektronik erforscht wird.

Chunhai Fan von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai hat sich mit seinen Kollegen in einer anderen Richtung umgesehen. Herausgekommen sind antibakterielle "Blätter" aus (chemisch) reduziertem Graphenoxid, die zuverlässig Kolibakterien abtöten. In der Versuchsanordnung der Forscher überlebten 99 Prozent der Bakterien den Kontakt mit der Kohlenstoffverbindung in einer wässrigen Lösung nicht, während Säugetierzellen laut Fan unversehrt blieben.

Das ist insofern interessant, als zurzeit "Nanosilber" – Nanopartikel aus Silber – in Socken oder Beschichtungen als antibakterielles Nanomaterial gepusht wird. Umweltorganisationen beklagen aber zurecht, dass dies keine gute Idee ist. Denn im Abwasser wirkt Nanosilber wie ein Reservoir aus Silberionen – deren antibakterielle Wirkung seit langem bekannt ist –, das dort zu viel des Guten bewirkt und auch wertvolle Mikroorganismen töten kann. Fan hofft, dass sich aus den Graphenoxid-Blättern irgendwann richtige Folien herstellen lassen, die sich auch als Wundverband eignen.

Ein koreanisches Team um Kwang Kim an der Pohang-Universität wiederum hat kürzlich reduziertes Graphenoxid mit Magnetit (einer Eisenoxidvariante) zu einem Pulver verarbeitet. Gibt man es in Arsen-haltiges Wasser, lagern sich 99,9 Prozent des Arsens an den Magnetit-Graphenoxid-Partikeln an. Weil das Pulver bei Zimmertemperatur superparamagnetisch ist, lässt es sich einfach mit einem Magneten aus dem Wasser herausziehen. Superparamagnetismus bedeutet, dass ein Material nur magnetisch ist, solange ein äußeres Magnetfeld angelegt wird.

Arsen-verseuchtes Grundwasser ist in einigen Weltregionen, etwa in Ostindien und Bangladesh ein großes Problem. Zwar war schon vorher bekannt, dass man Arsen mit Magnetit oder aktiviertem Kohlenstoff entfernen kann. Die neue Kombination könnte dies aber vereinfachen, weil durch das Graphengitter mehr Bindungsstellen für Arsenatome zur Verfügung stehen. Das Gemisch könnte sich sogar als Reinigungsansatz für fließendes Wasser eignen, sagte Kim auf nanotechweb.org.

Dies sind zwei weitere Beispiele für "grüne Nanotechnologien", über die immer noch viel zu wenig gesprochen wird und die manchmal auch als "Greenwashing" abgetan werden. Diese Art von Greenwashing kann sich allerdings sehen lassen. (nbo)