Gentechnik-Debatte: Landwirte kämpfen mit Klimaschäden auf Feldern
Angesichts der Klimakrise wächst bei einigen Landwirten die Hoffnung auf gentechnisch veränderte Pflanzen – doch Kritiker warnen vor Risiken.
(Bild: Here/Shutterstock.com)
Kaum Regen, trockene Böden und Schädlinge, die mit gefährlichen Erregern ganze Ernten bedrohen: Die Klimakrise trifft die Landwirtschaft auch in Sachsen-Anhalt mit voller Wucht. Landwirte und Wissenschaftler suchen deshalb gemeinsam nach Antworten. Unterstützung kommt etwa vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben im Salzlandkreis, wo unter anderem mit biotechnologischen Methoden wie der Genomeditierung experimentiert wird. Zwischen Labor, Landwirtschaft und Politik entwickelt sich eine kontroverse Debatte über Chancen und Risiken.
Auf den Feldern Sachsen-Anhalts sind die Folgen der Erderhitzung längst sichtbar. "Wenn wir die letzten fünf, sechs Monate betrachten, dann fehlen rund 100 Liter Wasser pro Quadratmeter", sagt der Landwirt und Vorsitzende des Fachausschusses Pflanzenproduktion im Bauernverband Sachsen-Anhalt, Sven Borchert. Besonders problematisch sei, dass extreme Trockenphasen inzwischen regelmäßig auftreten – häufig gefolgt von Starkregen, der kaum noch versickere.
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Hinzu kommen neue Schädlinge und Pflanzenkrankheiten, mit denen Landwirte bislang kaum Erfahrung haben. Eine der größten aktuellen Sorgen: die Schilf-Glasflügelzikade. Das Insekt greift Kulturpflanzen wie Kartoffeln, Zuckerrüben und Gemüse an – mit teils drastischen Folgen. "Wir wissen sehr wenig über diese Zikade, aber sie macht uns unheimlich das Leben schwer", sagt Borchert. Besonders betroffen seien die Zuckerrüben: "Nicht nur der Ertrag sinkt, sondern auch der Zuckergehalt."
Pflanzenzucht im Wettlauf mit dem Klima
Angesichts dieser wachsenden Belastungen richtet sich der Blick zunehmend auf neue Pflanzensorten – etwa solche, die Trockenheit besser überstehen oder Nährstoffe effizienter verwerten. Doch die klassische Pflanzenzucht hält laut Borchert mit dem Tempo der klimatischen Veränderungen kaum Schritt. "Eine neue Sorte zu züchten dauert 10 bis 15 Jahre – wir brauchen andere Wege."
Eine der großen Hoffnungen ruht auf der Genomeditierung. Das Verfahren Crispr/Cas wurde vor rund einem Jahrzehnt von den Forscherinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier entwickelt – sie wurden dafür 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Auch am IPK in Gatersleben wird seit einigen Jahren intensiv damit geforscht.
Dort haben der Biotechnologe Robert Hoffie und sein Team ein Viren-anfälliges Gen in Wintergerste mithilfe der Crispr-Technologie gezielt ausgeschaltet. Dieses Gen dient bestimmten Viren als Eintrittsstelle, über die sie sich in der Pflanze vermehren können – ein empfindlicher Punkt im Erbgut. Dabei wird der DNA-Strang an einer ganz bestimmten Stelle durchtrennt – ähnlich wie mit einer präzisen Schere. "So lässt sich das Virus-Einfallstor im Erbgut gezielt ausschalten", erklärt Hoffie. Auf diese Weise gelang es, eine Resistenz gegen bestimmte Viren zu erzeugen.
Schatzkammer der Pflanzenvielfalt als Ausgangspunkt
Die Grundlage dafür stammt aus der eigenen Genbank. Hier lagern mehr als 150.000 Muster von insgesamt knapp 3.000 Pflanzenarten – darunter auch Gerstenlinien aus Südostasien, die sich als besonders resistent gegen bestimmte Viruserkrankungen erwiesen haben. Ihre genetischen Besonderheiten wurden entschlüsselt und anschließend gezielt nachgebaut – nicht durch Übertragung fremder Gene, sondern durch punktgenaue Veränderung des pflanzeneigenen Erbguts.
"Die Genbank liefert uns das Rohmaterial – aber die Kunst ist, aus der Vielfalt gezielt das Richtige herauszuholen und nutzbar zu machen", sagt Hoffie. Mit modernen Methoden wie der Genomeditierung lasse sich dieser Prozess heute erheblich beschleunigen: "Was früher 15 bis 20 Jahre gedauert hat, können wir heute in zwei bis drei Jahren schaffen."
Der Transfer in die Praxis ist jedoch komplex. Bevor eine neue Sorte tatsächlich auf dem Acker landet, vergeht viel Zeit. Züchtungsunternehmen führen eigene Prüfungen durch, und die Sorten müssen vom Bundessortenamt zugelassen werden. Noch ist der Anbau solcher genomeditierter Pflanzen in der EU nicht erlaubt – doch das könnte sich bald ändern.
Verhandlungen über Gentechnik in Brüssel
Im Sommer 2023 legte die EU-Kommission einen Vorschlag vor, bestimmte durch neue genomische Techniken (NGT) erzeugte Pflanzen von den bisherigen Gentechnikregeln auszunehmen – sofern sie auch durch klassische Züchtungsmethoden hätten entstehen können. Derzeit laufen in Brüssel die Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission über die genaue Ausgestaltung. Für einige Landwirte wie Sven Borchert wäre dies ein wichtiger Schritt, um sich künftig besser gegen Missernten zu wappnen.
Doch nicht alle sehen diese Entwicklung positiv. Die Gentechnik-Expertin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Daniel Wannemacher, warnt: "Mit Gentechnik soll eine Pflanze so verändert, dass sie in einem bestimmten Kontext, beispielsweise auf Trockenheit, möglichst auf eine bestimmte Art und Weise reagiert."
Die Erhöhung der Toleranz gegen Hitze und Trockenheit sei aber komplex, da diese Eigenschaften in der Regel auf vielen Genen beziehungsweise Wechselwirkungen im Genom beruhen. Wannemacher glaubt daher nicht, dass solche "NGT-Pflanzen" schnell verfügbar sein werden.
Kritiker befürchten zudem geringere Transparenz und wenig Möglichkeiten für Verbraucher, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen. Die Kennzeichnung von Produkten, bei denen Gentechnikeinsatz auf den Verpackungen angegeben wird, hatte Konsumenten bislang abgeschreckt.
Forderungen nach Vielfalt statt technischer Lösungen
Um mit der Klimakrise und die sich immer schwerer vorhersehbaren Wetterbedingungen besser umzugehen, benötigt es laut Wannemacher "eine Wende hin zu nachhaltigen Anbausystemen, die lokal angepasst werden können". "Agrarsysteme müssen ökologischer und diverser werden, beispielsweise durch den Einsatz vielfältiger Sorten und besserem Bodenschutz." Statt Genom-Techniken zu fördern, sollte dem BUND zufolge vielmehr die konventionelle sowie ökologische Züchtung gestärkt werden.
Wie schnell und unter welchen Bedingungen neue Technologien tatsächlich helfen können, bleibt offen. Ob die Genschere aus Gatersleben am Ende zur Retterin der Landwirtschaft wird, dürfte nicht nur eine Frage der Technik sein – sondern auch eine der Akzeptanz.
(mho)