50 Jahre Videorekorder: Sonys Betamax als erfolgreicher Fehlschlag

1975 brachte Sony die ersten Videorekorder für daheim auf den Markt. Es folgte der große Formatkrieg mit VHS, den Sony nur zum Teil verlor.

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Die 1970er lassen grüßen: Ein früher Betamax-Rekorder als Top-Loader, mit Soft-Touch-Schaltern und mechanischem Bandzählwerk.

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Während heute durch das Smartphone zahlreiche Streamingdienste Bewegtbildunterhaltung jederzeit und überall zur Verfügung stellen, war die Medienbranche in den 1970er Jahren eine ganz andere. Weltweit war neben Radio und Tageszeitung mit dem linearen Fernsehen ein ständig wachsender Markt entstanden, der jedoch für den Konsumenten einen großen Nachteil hatte: Man war streng an Sendezeiten und Programmzeitschriften gebunden. Einmal verpasst, konnte man höchstens auf eine Wiederholung der Sendung hoffen.

Genau hier setzte Sony im Juni 1975 an, indem es mit "Betamax" ein Format für die auch zeitgesteuerte Aufzeichnung und das spätere Ansehen auf den Markt brachte. Die Technik hatte man von dem für den professionellen Einsatz vorgesehenen U-Matic abgeleitet: Ein Magnetband wird mit einer komplizierten Mechanik aus einer Kassette gezogen, um eine Kopftrommel geschlungen, und die Verbindung aus deren Rotation und der Bandgeschwindigkeit ergibt die nötige Bandbreite für das Video- und Audiosignal. Auch alle späteren Formate für Videorekorder, vor allem der Marktführer VHS (Video Home System) arbeiteten mit dieser Technik. Und vom Weg des ausgezogenen Bandes hat das Format auch seinen Namen: Das Tape sieht im Rekorder aus wie der griechische Buchstabe Beta.

Dieses VHS kam erst ein Jahr später durch Sonys ebenfalls japanischen Konkurrenten JVC auf den Markt – eigentlich hätte Sony also gute Chancen gehabt, den Standard zu setzen. Dass das letztendlich nicht gelang, und VHS sich durchsetzte, liegt aus heutiger Sicht an einer fatalen Fehleinschätzung dessen, was die Nutzer mit den Geräten eigentlich machen wollten. Sony konzentrierte sich ganz, wie ein Werbespot für eines der ersten Geräte von 1977 zeigt, auf fürs Fernsehen produzierte Inhalte. Also: Serien, Nachrichten- und Magazinsendungen. Alles mit einer typischen Laufzeit von einer Stunde, und das war auch die Laufzeit der ersten Beta-Kassetten. Eine Sendung, ein Band, prima für Sony, wenn damit auch viele Kassetten verkauft werden können. Erst Jahre später waren auch 90 und 120 Minuten Länge durch dünneres Bandmaterial verfügbar.

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Was man übersehen hatte: Sport. Im schon damals größten Fernsehmarkt der Welt, den USA, waren Sportübertragungen die großen Straßenfeger. Und in dem Nationalsport schlechthin, Football, hatte auch schon Mitte der 1970er Jahre eine Fernsehübertragung mehr als zwei Stunden Länge. Gerade hier wäre das zeitversetzte Fernsehen – samt Überspringen der Werbung – reizvoll gewesen. Aber wenn man zum Kassettenwechsel ohnehin zu Hause sein muss, kann man das Spiel auch gleich live ansehen.

Wohl auch deshalb hat JVC sein VHS dann gleich mit Kassetten für zwei Stunden Laufzeit gestartet, da spielte es dann auch keine Rolle, dass die Betamax-Kassetten etwas kleiner als die VHS-Tapes waren. Das sollte Sony zwar für den ersten Camcorder – dazu gleich mehr – nutzen, aber für den sich abzeichnenden Formatkrieg waren es doch schlechte Startbedingungen. Zwar schob man durch dünneres Bandmaterial schnell 90-Minuten-Kassetten nach, doch schon 1977 erschienen die ersten VHS-Rekorder mit "Long Play" (LP). Das ermöglichte bei stark reduzierter Qualität vier Stunden Aufzeichnung auf einer Kassette, und damit endlich das ganze Football-Match.

Sony zog, wie VHS-LP bei halbierter Bandgeschwindigkeit, mit "Beta II" nach, also drei Stunden auf einer 90-Minuten-Kassette. Die alten Aufnahmen und die Kassetten blieben kompatibel. Und 1983 erschien dann noch die erste Kombination aus Rekorder und Kamera in einem Gerät, der Camcorder. Wieder hätte man denken können, dass Sony sein Format damit stärkt, aber von wegen: Das "Betamovie" genannte Format zeichnete zwar auf Beta-Kassetten auf – konnte sie aber nicht wiedergeben. Sony hatte die Kopftrommel halb so groß gemacht, um das Gerät kleinzuhalten. Das bedingt jedoch bei gleicher Bandgeschwindigkeit eine nahezu 360 Grad große Umschlingung durch das Band, es entsteht eine Lücke, die sich durch analoge Tricks – erklärt in diesem YouTube-Video von Technology Connections – nicht auf die Wiedergabe auswirkt. Das heißt: Die Aufnahmen aus der Betamovie lassen sich in einem Betamax-Rekorder abspielen. Der Camcorder kann jedoch weder vorbespielte Kassetten noch eigene Aufnahmen zeigen. Etwas blöd beispielsweise für den Urlaub, wenn man die Aufnahmen des Tages in der Unterkunft sichten will. Das war gegenüber den etablierten – und billigeren – Super-8-Kameras kein großer Fortschritt. Dennoch legte Betamovie den Grundstein für den späteren Erfolg des Beta-Formats im professionellen Bereich.