Der Mann, der Apples Kronjuwelen programmierte: Zum Tod von Bill Atkinson

Der Apple-Pionier und Naturfotograf Bill Atkinson ist Anfang Juni an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Er wurde 74 Jahre alt.

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Atkinsons Firmenausweis von Apple Computer. Er war Mitarbeiter #51.

(Bild: Internet)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers
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William Dana Atkinson hat mit seiner Software die frühen Apple-Jahre maßgeblich geprägt. Bekannt wurde Atkinson unter anderem durch seine Arbeit an QuickDraw, der Grundlage der grafischen Nutzerführung der Apple-Computer Lisa und Macintosh. Auch MacPaint und Hypercard, ein Vorläufer des Hypertext-Systems des WWW, gehören zu seinem Vermächtnis. Am 5. Juni ist Atkinson gestorben.

Atkinson wurde am 17. März 1951 in Ottumwa im US-Bundesstaat Iowa als drittes von sieben Kindern geboren. Die Großfamilie verbrachte viel Zeit in freier Natur. Prägend für den jungen Bill war ein Abonnement der Zeitschrift Arizona Highways. Er schnitt die schönsten Naturaufnahmen aus und tapezierte sein Zimmer damit

Er studierte Informatik und Neurobiologie, wobei sein Professor in "Computer Science" Jef Raskin war, einer der ersten Mitarbeiter von Apple Computer. Raskin war es, der Bill Atkinson zur Mitarbeit drängte und ihn mit einem Flugticket zur Vorstellung bei Steve Jobs versorgte.

Als 51. Mitarbeiter des jungen Unternehmens programmierte Atkinson zunächst eine Pascal-Version für den Apple II und kam dann zum Team, das den Büro-Rechner Lisa entwickeln sollte, während Raskin einen Home-Rechner mit dem Code-Namen Annie entwickelte. Aus diesem Projekt entstand der Macintosh.

Im Dezember 1979 bot Jobs der Firma Xerox Investment ein Aktienpaket im Wert von einer Million US-Dollar an und wollte im Gegenzug "unter den Kimono" schauen, was Xerox in seinem Palo Alto Research Center entwickelte. Die Apple-Mannschaft bekam zunächst nur eine kurze, oberflächliche Demo zu sehen, für die Larry Tesler verantwortlich war. Verärgert hakte Jobs nach, bis Tesler bei einem zweiten Treffen auch zeigen durfte, wie die Pixel auf dem Bildschirm per Bitmapping angesteuert wurden.

Diese Demo war der Zünder für Atkinsons QuickDraw und die Gestaltung der graphischen Oberflächen für Lisa und den Macintosh. In seiner Jobs-Biographie schreibt Walter Isaacson von einem der "größten Industriediebstähle aller Zeiten", was nicht ganz stimmt. Die Fenster der Xerox-Oberfläche waren eckig und sie öffneten sich nebeneinander oder nacheinander. Atkinson aber war überzeugt, dass sie sich wie auf einem Schreibtisch überlappten, und Jobs wollte unbedingt abgerundete Fensterecken. Das wurde in QuickDraw realisiert.

Ganz nebenbei erfand Atkinson den Doppelklick mit der Maus und die Pull-Down-Menüs – bei Xerox mussten neben der Maus noch Tastenkombinationen gedrückt werden. In seinem Buch über die Entwicklung des Macinstosh schreibt Steven Levy über Atkinson: "Eigentlich sollte er nur das Rad wieder erfinden, doch in Wirklichkeit erfand er es komplett neu." QuickDraw sei "das Kronjuwel im ganzen Apple-Arsenal" gewesen, erinnert sich Macintosh-Entwickler Andy Hertzfeld.

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Atkinson wechselte schlieĂźlich zur Macintosh-Truppe, weil er mit der BĂĽro-Ausrichtung beim Lisa-Projekt unzufrieden war. Hier programmierte er die Mal-Software MacPaint, fĂĽr die er sich in einem Werbespot als "KĂĽnstler und Erfinder" vorstellte. Das stimmte, denn mit seinen Paletten und Pinseln war MacPaint ein frĂĽhes digitales Kunstwerkzeug, das von vielen Nachfolgern imitiert wurde.

Den größten künstlerischen Einfluss auf Atkinson hatte eine träumerische Vision, die er im Interview mit Mondo 2000 als eine transgalaktische Verbundenheit erleuchteter Geister bezeichnete, bei denen alle Ideen "nach oben sickern, von Informationen, die zum Wissen führen, die zur Weisheit führen." Das Resultat war eine Software namens Hypercard, mit der Hypermedia-Dokumente in Form von sogenannten Stacks erstellt werden konnten. Diese Form der Multimedia wurde zeitweilig von der US-amerikanischen Kongressbibliothek präferiert und gesammelt, bis sie vom Hypertext des World Wide Webs verdängt wurde. Heute wird sie vom Internet Archive gepflegt.

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Im Jahr 1990 verlieĂź Bill Atkinson Apple und grĂĽndete mit seinem Freund Andy Hertzfeld sowie dem Investor Marc Porat die Firma General Magic, die kleine Informationssysteme fĂĽr den Alltag entwickeln sollte. Die Anwendungen der Magic Communicating Applications Platform (Magic Cap) sollten ĂĽber eine DFĂś-Plattform namens Telescript miteinander kommunizieren. General Magic sollte also Betriebs- und Netzwerksystem wie Anwendungen liefern, brauchte aber recht lange, bis alle Komponenten verfĂĽgbar waren. Als Motorola mit dem Envoy auf Basis von Magic Cap und dem Datennetzwerk von IBM 1995 auf den Markt kam, war der Zug abgefahren.

Nach dem Aus von General Magic widmete sich Bill Atkinson seiner zweiten großen Leidenschaft: Die Naturfotografie, die er 35 Jahre als Hobby betrieben hatte, wurde zu seinem neuen Beruf, den er mit großem Aufwand betrieb. Mit "Within the Stone" erschien 2004 sein erstes Buch mit Makroaufnahmen geschliffener Steinflächen.

Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Atkinson 2024, als der 40. Geburtstag des Macintosh gefeiert wurde. Im Oktober 2024 gab er bekannt, dass bei ihm ein Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde. Bis kurz vor seinem Tod segelte er durch die Karibik. Atkinson starb im Kreis seiner Familie.

(vbr)