FAQ: Linux-Distributionen

vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Linux-Distribution und wo liegt der Unterschied zu „Linux“ und „GNU/Linux“?

Streng genommen bezeichnet „Linux“ lediglich den von Linus Torvalds vorangetriebenen Betriebssystem-Kern („Kernel“). Ein Betriebssystem entsteht erst in Kombination mit anderer Software wie einer C-Bibliothek, einigen Systemwerkzeugen, einer grafischen Oberfläche und Dutzenden anderen Bausteinen. Solch eine Zusammenstellung wird Linux-Distribution genannt; der allgemeine Sprachgebrauch hat das zu „Linux“ verkürzt.

Für Linux-Distributionen wird gelegentlich auch der Begriff „GNU/Linux“ verwendet, auf die der Gründer des GNU-Projekts drängt, weil viele wichtige Bausteine der Linux-Distributionen dort entstanden und weiterentwickelt werden. Debian nutzt den Begriff, viele andere Distributoren aber nicht.

Wie viele Linux-Distributionen gibt es und welches sind die wichtigsten?

Eine grobe Antwort liefern Webseiten wie Distrowatch und LWN.net, die zirka 600 Distributionen in ihren Listen führen, von denen 320 beziehungsweise 484 aktiv sein sollen. Beide Listen sind aber mit Sicherheit unvollständig, denn praktisch wöchentlich erscheinen neue Distributionen.

Stark vom Betrachtungswinkel ist abhängig, welche Distributionen denn nun die wichtigsten sind. Aber es gibt drei große „Familien“ mit jeweils zwei Hauptvertretern. Zur Debian-Familie zählt das eher auf Server oder fortgeschrittene Anwender abgestimmte und von einer Community entwickelte Debian GNU/Linux; auf dem basiert das maßgeblich von der Firma Canonical vorangetriebene Ubuntu. Zur Red-Hat-Familie zählt die Distribution des von Red Hat gesponserten Fedora-Projekts sowie das auf Unternehmenskunden ausgerichtete und auf Fedora aufbauende Red Hat Enterprise Linux (RHEL). Zur Suse-Familie zählt die Distribution des von Novell gesponserten OpenSuse-Projekts sowie die auf Unternehmenskunden abgestimmte Distribution SUSE Linux Enterprise in den Ausführungen Server (SLES) und Desktop (SLED).

RHEL, SLES und SLED sind kostenpflichtig, werden dafür aber mehr als fünf Jahre gepflegt. Die anderen Distributionen sind kostenlos, dafür muss man teilweise deutlich früher größere Updates einspielen.

Worin unterscheiden sich Linux-Distributionen?

Individuelle Designs, unterschiedliche Paket-Manager, distributionsspezifische Software-Depots sowie verschiedene Installations- und Konfigurationsprogramme sind die größten Unterschiede zwischen Distributionen wie Debian, Fedora, OpenSuse oder Ubuntu. Das Gros der Software, auf der diese Distributionen fußen, ist aber die gleiche – Kernel, X-Server, C-Bibliothek, GNU-Tools, Python-Interpreter sowie GNOME und KDE sind nur einige von vielen Beispielen. Meist verwenden die Distributoren recht aktuelle Versionen dieser Bausteine; bei in kurzer Abfolge erscheinenden Distributionen sind viele der Komponenten daher auf einem sehr ähnlichen Entwicklungsstand.

Die Distributoren integrieren jedoch vielfach Zusatzfunktionen – etwa Treiber, die noch nicht Bestandteil des offiziellen Kernels sind, weil sie den Qualitätsansprüchen der Kernel-Entwickler nicht genügten. Letztendlich gibt es so eine ganze Menge Gemeinsamkeiten, aber doch so viele Unterschiede, dass der Wechsel von OpenSuse zu Ubuntu oder andersherum durchaus einige Tage Einarbeitungsaufwand erfordert; außerdem kann es passieren, dass Hardware, die bei einer Distribution automatisch konfiguriert wird, bei einer anderen nur nach großen Anstrengungen arbeitet.

Smartphones oder Embedded-Systeme mit Linux-Kernel nutzen auch einige der Bausteine, die bei Mainstream-Distributionen für PCs üblich sind. Es kommen allerdings auch Komponenten zum Einsatz, die speziell für diese Geräteklassen entwickelt wurden – dadurch entstehen so viele Unterschiede, dass man von unterschiedlichen Betriebssystemen sprechen kann, die lediglich den gleichen Kernel verwenden.

Welches ist die beste Linux-Distribution?

Wie beim Kleider- oder Autokauf hängt die Antwort stark von den eigenen Erwartungen und Ansprüchen ab. Fortgeschrittene Linux-Anwender sollten sich über die verschiedenen Distributionen informieren und mit Hilfe von Live-CDs ausprobieren, um sich eine eigene Meinung zu bilden.

Linux-Einsteiger machen die Entscheidung am besten davon abhängig, für welche Distribution sie gute Unterstützung bekommen – Fedora ist etwa die erste Wahl, wenn sich im Bekanntenkreis ein Fedora-Fan findet, der bereit ist, bei den ersten Gehversuchen mit dieser Distribution zu helfen.

Fedora zählt aber zu den technisch fortschrittlichsten und richtet sich eher an fortgeschrittene Linux-Anwender und Enthusiasten. Das aus Deutschland stammende und etwas einfacher nutzbare OpenSuse hat im deutschsprachigen Raum viele Fans, daher findet man für diese Distribution zahlreiche deutschsprachige Internet-Foren sowie Artikel zur Selbsthilfe. Letzteres gilt mittlerweile aber auch für das als noch einsteigerfreundlicher geltende Ubuntu, das in den letzten Jahren viele Fans gewonnen hat.

Wäre es nicht besser, wenn sich die Linux-Welt auf die Entwicklung einer Distribution konzentrieren würde?

Wenn es nur eine einzelne Distribution gäbe, wäre Linux heute vermutlich nicht so flexibel einsetzbar und verbreitet. Mit Linux-Distributionen verhält es sich nämlich ein wenig wie mit der Evolution: Die Stärksten und Flexibelsten überleben im Wettbewerb und durch Differenzierung und Spezialisierung werden immer neue Lebensräume erschlossen.

Spekulieren kann man darüber, ob durch etwas mehr Koordination und engere Zusammenarbeit vielleicht gewisse Dinge besser wären. Man sollte sich von der großen Zahl der Distributionen ohnehin nicht abschrecken lassen, denn viele Distributionen bauen auf einer anderen auf; außerdem arbeiten viele Distributionsentwickler eng zusammen, wenn sie Verbesserungen zu den Software-Komponenten beitragen, aus denen die Distribution zusammengesetzt wird.

Der Linux-Kernel ist ein gutes Beispiel, denn die Kernel aller Distributionen basieren direkt oder indirekt auf einem von Torvalds freigegebenen Linux-Versionen. Zu der tragen tausende von Programmierern bei, die fĂĽr hunderte verschiedener Firmen, Institutionen und Projekte arbeiten; darunter finden sich auch viele bei Linux-Distributoren angestellte Entwickler. (thl)