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Eine Welt ohne Werbung : Findiger Entwickler baut Werbeblocker für die Augen

Ein Entwickler baut einen Werbeblocker für die reale Welt – per AR-Brille. Technisch spannend, in der Praxis gibt es aber klare Grenzen.

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Über ein Werbeschild an einer Straße liegt ein digitales, rotes Rechteck mit der Aufschrift "bol. billboard".

Eine experimentelle AR-App überblendet Werbung im realen Leben – hilfreich oder nur nette Spielerei?

(Bild: Stijn Spanhove)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Ein Softwareentwickler aus Belgien hat mit einer cleveren Idee und etwas Programmiergeschick das getan, wovon millionen Menschen täglich träumen: Werbung aus dem Alltag verbannt. Stijn Spanhove hat eine experimentelle App für die Snap Spectacles gebaut – eine AR-Brille, die von Snap Inc. an Entwickler vermietet wird – und lässt damit Plakatwerbung in der realen Umgebung verschwinden. Oder besser gesagt: überdecken.

Die technische Grundlage liefern Googles generative Bilderkennungs-KI Gemini und die neue Depth Module API von Snap OS. Letztere erlaubt es, räumliche Tiefe in der Umgebung zu erfassen und so die Position erkannter Objekte im 3D-Raum zu bestimmen. Die Kombination daraus ermöglicht es Spanhoves Anwendung, Werbeinhalte auf Plakaten oder in Zeitschriften zu identifizieren und durch ein rotes Rechteck zu überblenden.

So weit, so gut – oder zumindest technisch interessant. Denn was sich im ersten Moment nach digitaler Selbstbestimmung anhört, erweist sich bei näherem Hinsehen als visuell eher aufdringlich. Die übergelegten Werbesperren sind weder dezent noch vollständig blickdicht. Das liegt an den optischen Eigenschaften von durchsichtigen AR-Displays: Die eingeblendeten Inhalte erscheinen halbtransparent, sodass die ursprüngliche Werbung weiterhin durchscheint – wenn auch leicht getrübt. Hinzu kommt das eingeschränkte Sichtfeld der Spectacles von nur 46 Grad diagonal. Werbung wird also nur dann überblendet, wenn sie direkt im Sichtfeld der Brille liegt. Ein echter Adblocker sieht anders aus.

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Spanhove selbst bezeichnet sein Projekt als experimentell – und das ist es auch. In einem auf LinkedIn geteilten Clip zeigt er die Anwendung in Aktion. Die Reaktionen darauf sind überwiegend wohlwollend, aber nicht unkritisch. Rote Rechtecke würden die Umwelt eher verschandeln als verschönern, heißt es dort. Besser: die Option, persönliche Fotos einzublenden, die nur für einen selbst sichtbar sind – eine Art Augmented-Reality-Fototapete für den öffentlichen Raum.

Auch andere Kommentierende finden, dass sich die Werbeblocker optisch besser in die Umgebung einfügen müssten, etwa durch Unschärfe-Effekte oder kontextbezogene Bilder. Den charmantesten Vorschlag bringt jedoch die Nutzerin Jennie Dobro. Sie schlägt vor, die Werbung nicht nur zu unterdrücken, sondern durch aufmunternde Botschaften zu ersetzen – etwa ein nettes Kompliment statt eines Shampoo-Slogans. Wer würde Montagmorgen nicht gern von der Werbetafel an der Bushaltestelle für seine strahlenden Augen bewundert werden, wenn sie in Wahrheit noch von den tiefschwarzen Ringen der Wochenend-LAN-Party untermalt sind?

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Technisch liegt die Herausforderung dabei weniger in der Erkennung von Werbung – das klappt mit Gemini laut Spanhove bereits recht zuverlässig –, sondern in der Gestaltung der visuellen Reaktion. Ein Algorithmus, der die Farben und Texturen der Umgebung aufgreift und das überdeckende Element daran anpasst, wäre denkbar – aber komplex.

In der Diskussion um das Projekt stellt sich zudem die Frage nach den Grenzen: Wo endet Werbung, wo beginnt die Umgebung? Gebrandete Architektur kann schnell Teil des Stadtbildes werden – ein Sparziergang über den Times Square oder die Avenue der Champs-Élysées wäre vor lauter Werbeblockern kaum noch machbar. Spanhove entgegnet darauf, dass man die Kriterien für das, was als Werbung gilt, individuell anpassen könne – ein Hinweis auf die Flexibilität von KI-Prompts, aber auch auf die Unsicherheit solcher Definitionen.

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Hardwarebasis. Die Snap Spectacles sind ein Entwicklerprodukt, kein Massenartikel. Die für das Projekt genutzten Funktionen – etwa die Tiefenerkennung – sind zwar hilfreich, aber nicht auf Alltagstauglichkeit hin optimiert. Snap selbst plant zwar eine kleinere AR-Brille für den Massenmarkt namens Specs, die 2026 erscheinen soll. Doch auch deren Sichtfeld wird wohl kaum ausreichen, um Werbung konsistent auszublenden. Das Problem bliebe also bestehen: Wer nicht genau hinsieht, sieht trotzdem alles.

Das Projekt ist daher vor allem eins: ein Denkanstoß. Es zeigt, dass AR-Anwendungen zukünftig nicht nur für Erweiterung, sondern auch für Reduktion gedacht werden können – eine Art digitaler Selbstschutz vor visueller Überforderung. Ob daraus ein marktfähiges Produkt wird, ist fraglich. Aber als künstlerisch-technisches Statement funktioniert es schon jetzt erstaunlich gut.

(joe)