Stadt Chemnitz: KI-Übersetzer beschleunigen Verfahren und sparen Kosten

Die Stadt Chemnitz setzt auf einen DSGVO-konformen KI-Simultanübersetzer, um leichter Sprachbarrieren zu überwinden. Die bisherige Bilanz ist positiv.

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Person an einer Projektion eines KI-Übersetzers

(Bild: FAMILY STOCK/ Shutterstock.com)

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Wo Sprachbarrieren auftreten, können mittlerweile frei verfügbare Übersetzungsprogramme über Smartphones genutzt werden, um diese leichter zu überwinden. Das ist in manchen Kontexten allerdings nicht geboten, da Datenschutzstandards eingehalten werden müssen oder auch die Nutzung privater Geräte nicht erlaubt ist. In diese Lücke stoßen kommerzielle Anbieter, die sich ausschließlich auf DSGVO-konforme KI-Übersetzungen auf eigenen, Smartphone-gleichen Endgeräten spezialisiert haben.

Wie gut eine solche Lösung für Simultanübersetzungen angenommen wird und welche Probleme es in der Praxis geben kann, konnte heise online bei der Stadt Chemnitz erfragen. Sie arbeitet seit Dezember 2024 mit dem Anbieter Pocketalk zusammen. Die Stadt Troisdorf berichtet auf ihrer eigenen Webseite über Erfahrungen mit einem vergleichbaren Angebot des Anbieters Vasco. Spezielle Versionen von Vasco-Geräten werden auch für Sparkassen vertrieben.

Christoph Janeba, General Manager Germany bei Pocketalk, erklärte heise online gegenüber, dass Pocketalk mehrere Large-Language-Modelle in Kombination für Simultanübersetzungen nutzt. Die Übersetzungen finden in der Cloud statt, die Spracheingaben der Pocketalk-Nutzerinnen und -Nutzer würden dabei geschützt und nicht zu Trainingszwecken genutzt. Es würden ausschließlich Anbieter ausgewählt, die sich den Regeln der Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union unterwerfen.

Fragen zu den in Chemnitz eingesetzten Geräten beantwortete Sven Spitzner, Leiter des Sachgebiets Technik & Telefonie im Amt für Informationsverarbeitung.

heise online: Wie lange setzen Sie Pocketalk für die Stadt Chemnitz mittlerweile ein?

Sven Spitzner: Die Pocketalk "S" Sprachübersetzer sind seit Februar 2025 im Bürger- und im Jugendamt der Stadt Chemnitz im Einsatz.

Hat die Stadt Chemnitz die Übersetzungsgeräte auch in Hinblick auf ihre Rolle als Kulturhauptstadt in diesem Jahr angeschafft?

Nein. In vielen Ämtern der Stadt Chemnitz mit Bürgerverkehr, bei der Arbeit mit Migranten und Flüchtlingen, sorgen Sprachbarrieren immer wieder für Verzögerungen bei der Bearbeitung der Anliegen. Wenngleich es nach wie vor einen Bedarf an Dolmetscherdienstleistungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben gibt, können durch den Einsatz von Pocketalk für einfache Anliegen die Bearbeitungszeiten beschleunigt und Wartezeiten aufgrund von nicht mehr notwendigen Folgeterminen reduziert werden. Das trägt zur Bürgerfreundlichkeit bei.

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Außerdem nutzt das Welcome Center, eine zentrale Anlaufstelle für Fachkräfte, Rückkehrer, Studienabsolventen und Zuziehende aus dem Inland und Ausland, die Sprachübersetzungsgeräte, um Sprachbarrieren abzubauen. Dass die Geräte für das Jugendamt angeschafft wurden, war ein Wunsch derer Bediensteten zur Arbeitserleichterung bei Beratungen mit nicht-deutschsprachigen Klienten und um Dolmetscherkosten einzusparen.

Ein "Pocketalk S2 Plus" – ein Gerät in klassischer Smartphonegröße und -optik. Auch kleinere Geräte werden angeboten.

(Bild: Pocketalk)

Welche Ämter oder Bedienstete wurden damit zunächst ausgestattet?

Das Bürgeramt mit dem Welcome Center, Infotresen, Kfz-Zulassung, Standesamt, Meldebehörde sowie das Jugendamt mit dem allgemeinen Sozialdienst, Prävention und Familienhilfe, Koordination inklusives Jugendamt und Verfahrenslotsen, sowie kommunale Kindertagesstätten und Horte als auch Sprachmentoren.

Wie viele Geräte haben Sie insgesamt im Einsatz und gibt es weitere Bedarfe?

Aktuell befinden sich 112 Geräte des Typs Pocketalk "S" Sprachübersetzer im Einsatz. Das Jugendamt selbst besitzt 15 Geräte und in den kommunalen Kindertageseinrichtungen sind 87 Geräte im Einsatz. Das Bürgeramt verwendet zehn Geräte. Bedarfsanfragen für weitere Geräte sind bereits aus den folgenden Ämtern eingegangen: Der Feuerwehr, dem Ordnungsamt mit dem Stadtordnungsdienst, dem Gebäudemanagement und Hochbau – etwa zur Klärung von Problemen zwischen Hausmeistern in Schulen und nicht deutschsprachigen Reinigungskräften –, dem Schulamt zum Einsatz in Schulen für Elterngespräche und der Volkshochschule.

Aufgrund der Bekanntmachung des Einsatzes von DSGVO-konformen Übersetzungsgeräten in der Mitarbeiter-App und des persönlichen Austauschs mit Führungskräften wurden weitere Einsatzszenarien aufgedeckt.

Welche sind das und wie zufrieden sind die Bediensteten mit den Geräten?

Das Jugendamt betont, dass sie vor allem für den spontanen Gebrauch sehr hilfreich seien. Die Nutzung von privaten Geräten wird dadurch reduziert. Zudem sind die Geräte DSGVO-konform. In einer Schule konnte zum Beispiel ein zwingend notwendiges Elterngespräch zwischen Eltern, Jugendamt und Schule kurzfristig auch ohne Dolmetscher mithilfe eines Sprachübersetzungsgerätes stattfinden und positiv zu Ende gebracht werden. Diese Schule plant die Beschaffung eines eigenen Sprachübersetzungsgerätes. Das Schulamt initiiert derzeit eine Abfrage über alle Schulen, um den tatsächlichen Bedarf an Geräten zu ermitteln.

Für uns stellt die Lösung auch eine weitere Entlastung dar: Die Netzabdeckung der drei großen deutschen Mobilfunkanbieter ist nicht an jedem Standort gleich. Bauartbedingte Schwankungen kommen hinzu. Da sich die ausgewählten Geräte "weltweit" in das jeweils am besten verfügbare Mobilfunknetz einwählen, entfallen hunderte Prüfaufträge bzgl. der Mobilfunkabdeckung. Eine Nutzung auf Dienstreisen im Ausland ist dadurch ebenfalls denkbar.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie zum Einsatz der Technik von Bürgerinnen und Bürgern?

Aus dem Bürgeramt wurde gespiegelt, dass die Bürgerinnen und Bürger dankbar sind, aber den Unterschied zur Nutzung von handelsüblichen Smartphones nicht nachvollziehen können. Warum keine handelsüblichen Smartphones genutzt werden, begründet sich zum einen in den höheren Anschaffungskosten. Die Handys zum dienstlichen Gebrauch müssen personengebundene managed Smartphones sein und eine DSGVO-konforme Übersetzungs-App verwenden. Die Kosten dafür sind derzeit wesentlich höher als für die DSGVO-konformen Übersetzungsgeräte. Zum anderen muss die Kommune zwingend die DSGVO und den Schutz von vertraulichen Informationen bzw. sensiblen personenbezogenen Daten sicherstellen. Die Verwendung von Kunden-Smartphones, einschließlich einer unbekannten nicht DSGVO-konformen Übersetzungs-App, ist somit nicht zulässig.

Sind die Geräte einfach oder schwierig zu bedienen?

Die Geräte sind einfach und intuitiv zu bedienen. Jedoch sollte jeder Teilnehmer auf eine saubere und deutliche Aussprache sowie auf vollständige kurze Sätze achten. Stark verschachtelte Sätze oder ein starker Dialekt können die Geräte vor eine Herausforderung stellen.

Werden die Übersetzungen eher als akkurat oder als eher Missverständnisse produzierend wahrgenommen?

Bild-zu-Text-Übersetzungen sowie Sprachübersetzungen können bisher als überwiegend akkurat wahrgenommen werden, wenn auf eine saubere und deutliche Aussprache sowie kurze Sätze geachtet wird.

Das kleinere (links) und größere (rechts) Format der Pocketalk-"S"-Geräte.

(Bild: Pocketalk)

Hält der Akku lang genug, damit ein Gerät einen ganzen Arbeitstag oder vielleicht sogar eine ganze Arbeitswoche funktioniert?

Zur Akkuladung gab es bislang keine negativen Rückmeldungen der Nutzer:innen. Da die Geräte nicht im Dauereinsatz sind, hält der Akku mehrere Tage.

(kbe)