Die Jagd nach dem schwarzen Band

Graphen gilt als ideales Material für eine künftige Nanoelektronik, ließ sich bisher aber nicht präzise formen. Ein neues chemisches Verfahren ermöglicht erstmals, Graphen-Nanobänder mit genau definierten Kanten herzustellen.

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Von
  • Nidhi Subbaraman

Die einzelnen Schritte des neuen Verfahrens.

(Bild: Nature)

Graphen gilt als ideales Material für eine künftige Nanoelektronik, ließ sich bisher aber nicht präzise formen. Ein neues chemisches Verfahren ermöglicht erstmals Graphen-Nanobänder mit genau definierten Kanten herzustellen.

Seit Jahren schwärmen Forscher von Graphen als dem Wundermaterial für die schnelle Elektronik der Zukunft. Die ein Atom dicken Graphitschichten haben bislang nur einen Schönheitsfehler: Ihre Herstellung ist viel zu aufwändig. Wissenschaftler der schweizerischen Materialforschungsanstalt EMPA und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz haben das Problem jetzt womöglich gelöst. Sie können mit atomarer Präzision „Nanobänder“ aus Kohlenstoff – dem Grundbaustein von Graphen – erzeugen, die nur einen Nanometer breit sind.

Graphen stellt Silizium, den Grundstoff heutiger Prozessoren, in jeder Hinsicht in den Schatten: Es leitet Strom besser, lässt sich leicht biegen und ermöglicht Schichtdicken von der Stärke einer Atomlage. Damit ist es ein heißer Kandidat für eine künftige Nanoelektronik, wenn die Verkleinerung siliziumbasierter Transistoren an ihre physikalischen Grenzen gestoßen ist.

Leider weisen Graphenbänder all diese schönen Eigenschaften nur auf, wenn sie schmaler als zehn Nanometer sind und ganz und gar regelmäßige Kanten haben, denn die nützlichen physikalischen Eigenschaften des Graphens beruhen im wesentlichen darauf, dass der Kohlenstoff hier eine Art zweidimensionalen Kristall formt. Jede Unregelmäßigkeit an den Kanten zerstört die perfekte Symmetrie des Materials. „Wer es schafft, die Form der Kanten zu steuern, hat gewonnen“, beschreibt James Tour, Graphen-Experte der Rice University in Houston, Texas, die Herausforderung. Die haben die EMPA- und Max-Planck-Forscher nun mit einem Bottom-Up-Verfahren gemeistert, das genau definierte Graphenbänder aus kleineren Grundbausteinen erzeugt.

Zunächst tragen sie in einer Vakuumkammer auf einem Gold-Untergrund bromiertes Bianthryl auf. Dieses Kohlenwasserstoff-Molekül enthält drei Phenolringe in einer Reihe sowie rechts und links je ein Bromatom (siehe Bild). Wird das Gold auf 200 Grad erhitzt, lösen sich die Bromatome, und die Bianthryl-Monomere verbinden sich zu einer Kette.

Erhitzt man das Gold-Substrat weiter auf 400 Grad, verliert die – noch lose verbundene – Kette Wasserstoffatome, so dass die Bianthryl-Bausteine weitere Bindungen miteinander eingehen. Ergebnis dieser Polymerisierung ist ein flaches Band mit regelmäßigen Kanten, in dem die Kohlenstoffatome in dem für Graphen charakteristischen Wabenmuster angeordnet sind (dieses Muster rührt von den eigentlich sechseckigen Phenolgruppen her). Das Band ist etwa zwei Nanometer breit.

Nimmt man statt Bianthryl andere Kohlenwasserstoff-Moleküle aus Grundbaustein für die Reaktion, lassen sich auch breitere Bänder mit anderen Kantenformen herstellen. „Das Tolle ist, dass man dies mit atomarer Präzision machen kann“, schwärmt Roman Fasel, XX an der EMPA. „Wir schneiden die Bänder nicht zurecht, wir bauen sie zusammen.“

Das ist ungleich eleganter als bisherige Verfahren. In denen wurden Graphenstreifen entweder aus ausgedehnten Schichten herausgelöst und mittels Ätzen in die richtige Form gebracht. Oder man schnitt Nanoröhren auf, in denen die Atome ebenfalls in regelmäßigen Sechsecken angeordnet sind. „Bisher ist es niemandem gelungen, große Graphenschichten mit der nötigen Präzision zu zerschneiden“, bestätigt James Tour.

„Diese Nanobänder eröffnen neue Möglichkeiten für eine Graphen-Elektronik“, meint Yu-Ming Lin, der am T. J. Watson Research Center von IBM im Bundesstaat New York an Graphen-Transistoren arbeitet. Bis diese mit den neuen Nanobändern gefertigt würden, sei es aber noch ein weiter Weg, schränkt Tour ein. „Der nächste Schritt ist, ein paar Transistoren damit herzustellen. Das ist nicht so schwierig. Der große Schritt wird sein, die Graphennanobänder en masse auszurichten“, so Tour.

Das chemische Verfahren von Roman Fasels Gruppe sei aber ein Anstoß für die weitere Forschung, sich auf das Feintuning bei der Herstellung der Nanobänder zu konzentrieren. Dank der regelmäßigen Kantenstruktur könnten nun auch elektronische Effekte in Graphen-Nanobändern untersucht werden, die sich bislang nur im Rechner simulieren ließen, freut sich Tour.


Das Paper:
Cai, J. et al., „Atomically precise bottom-up fabrication of graphene nanoribbons“, Nature, Vol. 466, S. 470 – 473, 22.7.2010 (Abstract) (nbo)