Zahlen, bitte! 52 "Tode durch GPS"
GPS-Navigation ist einfach und nützlich, wenn man sich nicht blind auf sie verlässt. Missachtet man die Straßenverhältnisse, endet die Nutzung auch mal tödlich.
Das Global Positioning System (GPS) ist an und für sich eine ausgereifte und sichere Technologie um das Ziel zu erreichen – wenn man es denn richtig nutzt. Immer wieder gibt es stattdessen lustige Nachrichten rund um die Nutzung von Navigationssystemen im Auto.
Ein Vertipper führt dann dazu, dass ein Paar auf dem Weg nach Dänemark statt Puttgarden auf Fehmarn stattdessen nach Puttgarten auf Rügen düst, ein Versehen dazu, dass ein Brite statt in der italienischen Metropole Rom im deutschen Rom im Oberbergischen landet.
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Ernster sind die Fälle mit tragischem Ausgang, in denen etwa eine Fähre als eine Straßenverbindung ausgewiesen oder jemand mit der Ansage "nächste Straße rechts" in einem Kreisverkehr auf eine Autobahnausfahrt geschickt wird und tödlich verunglückt. Dann ist vom "Tod durch GPS" bzw. "Death by GPS" die Rede. Eine Analyse von 158 Vorfällen zeigt, das viele fatale Irrtümer vermieden werden können, wenn weitere Informationen verfügbar sind – oder vom Gerät ausgeblendet werden können.
FĂĽnf Satelliten ideal fĂĽr GPS-Navigation
Der Kontakt zu vier Satelliten reicht im Allgemeinen aus, einen Standort ausreichend genau zu bestimmen. Vor kurzem gelang Technischen Universität München (TUM) und der Eindhoven University of Technology (TU/e) der mathematische Beweis dafür, dass eine für eine präzise Ortung fünf Satelliten notwendig sind. Zwar gibt es auch in einem kleinen Land wie Deutschland Gebiete, in denen kein oder nur unzureichender Empfang für Probleme bei GPS sorgt.
Doch ansonsten hat sich GPS bewährt und vielfach Leben gerettet. Insofern mag es schockierend klingen, wenn vom "Tod durch GPS" gesprochen wird. Bei näherer Betrachtung stellt sich indes heraus, dass GPS – in seiner nichtmilitärischen Verwendung – nicht tötet, sondern erst der sorglose Umgang mit einer App oder einem Navigationssystem tödlich enden kann.
Wissenschaftler der Northwestern University, der University of Minnesota sowie der Bremer Universität haben einen 158 Vorfälle untersucht, bei denen Navigationssysteme an schweren Unfällen in irgendeiner Weise beteiligt waren. Dabei wurden 52 Menschen getötet und 44 schwer verletzt. Im Korpus sammelten sie mithilfe der Datenbank LexisNexis allerdings nur englischsprachige Nachrichten aus aller Welt ab dem Jahre 2010 als dem Zeitpunkt, an dem Navigationssysteme weitgehend ausgereift waren. Die so erhaltenen Daten analysierten sie mit verschiedenen statistischen Methoden, die Ergebnisse wurden der Fachwelt präsentiert (PDF-Datei).
Plakativer Name fĂĽr falsches Verkehrsverhalten
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist die über die Art der Nachrichten: Der gern benutzte Begriff "Death by GPS" ist zumeist eine plakative Verkürzung. Denn unter ihn fallen nicht nur die spektakulären Fälle des Ehepaars, das nachts in der Wüste von Nevada sich mit der Einstellung "kürzester Weg" auf einen Trampelpfad schicken lässt, der im Nichts endet (Fall #9 des Korpus). Tod durch GPS gilt auch für den Radfahrer, der vom Auto erfasst und getötet wurde, weil der Lenker mit seinem Navi beschäftigt war, ein Restaurant in der Nähe zu finden.
(Bild:Â CC BY-SA 4.0, Toddy7788)
Nach der Analyse der Wissenschaftler können durch GPS verursachte Unfälle vor allem dadurch vermieden werden, wenn das Wettergeschehen und die Fahrleistungen des Fahrzeugs einbezogen werden. Ein Sportwagen muss auf eine andere Strecke geschickt werden als einer mit Vierradantrieb. Wenn es seit Stunden schneit oder regnet, müssten wenig gesicherte Nebenstraßen aus den Routen verschwinden. Denkbar wäre umgekehrt auch ein Modus, der zwischen Einheimischen und fremden Verkehrsteilnehmern unterscheidet und Schleichwege ein- oder ausblendet.
Die Gefahr durch fehlerhafte Ortsangaben halten die Wissenschaftler nicht für signifikant, jedenfalls nicht bezogen auf Unfälle. Ähnlich wurde ein Pärchen eingestuft, das vom Navi auf das Gelände eines Atomkraftwerkes geschickt wurde, dort aufs Gelände gelangte und wegen Terrorismus verhaftet wurde (Fall #95).
Der Korpus mit den 158 gesammelten Vorfällen beschäftigt sich nicht mit der häufig gestellten Frage, ob Navis uns dümmer machen. Hier gehen die Meinungen weit auseinander – von der Empfehlung, neben dem Gerät oder der App auch einmal einen Blick auf die Karte zu werfen bis zu dem Tipp, zumindest auf der Rückfahrt das Navi abzuschalten und so die innere Karte aufzufrischen, mit der unser räumliches Denken arbeitet.
Große Bekanntheit erlangte die Londoner Taxifahrer-Studie, bei der Hirnscans von neuen Taxifahrern vor der staatlichen Prüfung des Wissens über 25.000 Straßen mit Scans von Taxifahrern verglichen wurde, die nicht mehr aktiv waren oder ein Navi nutzten. Das Ergebnis: Werden Wegstrecken mithilfe von Navigationssystemen zurückgelegt, schalten Teile des menschlichen Gehirns ab. Ob es Langzeitauswirkungen beim Gebrauch von Navigationssystemen gibt, ob wir tatsächlich immer dümmer werden, oder ob es Unterschiede zwischen Karten-Wissen und der Orientierung an Routen-Punkten gibt, wird noch untersucht.
Egal wie man navigiert: am Wichtigsten bleibt der kĂĽhle Kopf zwischen den zwei Ohren, der hinter dem Lenkrad sitzt.
(mawi)