PC-Hersteller halten Umweltschutz-Verpflichtungen nicht ein

Eine Geschichte über Greenwashing, mutlose Politiker und ahnungslose Verbraucher: Vier Jahre nach einer Selbstverpflichtung zum Verzicht auf giftige Chemikalien haben die meisten PC-Hersteller ihr Versprechen bislang nicht erfüllt. "Heute, nach Ablauf der ersten Fristen, ergibt sich ein jämmerliches Bild", heißt es in der aktuellen Ausgabe von c't.

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Von
  • Jürgen Kuri

Vier Jahre nach einer Selbstverpflichtung zum Verzicht auf giftige Chemikalien haben die meisten PC-Hersteller ihr Versprechen bislang nicht erfüllt. "Heute, nach Ablauf der ersten Fristen, ergibt sich ein jämmerliches Bild", schreibt c't in dem Artikel "Giftschleuder PC" (c't 17/10, S. 68). Fast alle großen Hersteller verwendeten weiter die gefährlichen Chemikalien BFR und PVC. Als Ausnahme wird Apple genannt: Die Firma verwendet seit Anfang 2009 Ersatzstoffe für die Bromierten Flammschutzmittel (BFR) und PVC-Weichmacher. Diese Ersatzstoffe sind allerdings teurer – und im Gegensatz zu Apple bewegen sich die anderen Hersteller bei einem seit Jahren heftigen Preiswettbewerb eher in den unteren Preisklassen mit knappen Gewinnmargen. Eine Umstellung auf teurere
Werkstoffe fällt Apple also ungleich leichter als der Konkurrenz.

Die Beimischung von Flammschutzmitteln in Kunststoffgehäusen und Leiterplatten ist notwendig, um Brandschutznormen zu erfüllen. Der größte Vorteil der BFR im Vergleich zu anderen Flammschutzmitteln ist ihr relativ niedriger Preis. Die Nachteile sind durch zahlreiche Studien belegt: BFR reichern sich in Lebewesen an, einige der am häufigsten eingesetzten Einzelverbindungen sind giftig für Fische und andere Gewässerorganismen. Aus PVC, verrührt mit bis zu 35 Prozent fortpflanzungsgefährdenden Weichmachern, werden Kabelmäntel hergestellt.

Die größte Gefahr stellen PVC und BFR jedoch für Menschen dar, die in Ländern wie Ghana, Nigeria und China vom Elektroschrott-Recycling leben. Sie zerlegen Computer mit bloßen Händen, brennen Kabel in offenen Feuern ab und "grillen" Leiterplatten, um an das enthaltene Kupfer und Gold zu gelangen. "Der Prozess ist aus Umwelt- und gesundheitlichen Gesichtspunkten fürchterlich", schrieben Mitarbeiter des Freiburger Öko-Instituts, als sie das Hinterhof-Recycling in der ghanaischen Hauptstadt Accra besichtigten – bei der Verbrennung von BFR und PVC entstehen akut und chronisch giftige sowie krebserzeugende Dioxine.

"Egal ob Dell, Acer, HP, Lenovo oder Samsung – sie alle haben die Umstellung in die Zukunft verschoben", heißt es im Fazit des Artikels. "Leider haben es die Hersteller nicht geschafft, gemeinsam auf die giftigen Stoffe zu verzichten, sie blockieren sich gegenseitig." Kritisiert wird auch die EU: Kommission und Parlament haben sich bislang noch nicht einem Verbot der Stoffe durchringen können.

Dell beispielsweise verpflichtete sich 2006, bis Ende 2009 in allen Geräten ohne PVC und BFR auszukommen. Dies ist bislang lediglich bei einem Mobiltelefon und bei zwei Monitoren erfolgt. Inzwischen wird auf einer Website des Unternehmens das Ziel genannt, die Umstellung bis Ende 2011 zu erreichen. Eine Sprecherin von Hewlett-Packard erklärte gegenüber dpa zu dem Bericht, bislang seien vergleichbare und entsprechend leistungsfähige Materialien nicht ausreichend verfügbar, um alle Produkte ohne BFR und PVC ausliefern zu können. "Unser Ziel ist es, den Einsatz dieser Materialien weiterhin kontinuierlich zu reduzieren, bis unsere Produkte letztendlich davon vollkommen befreit sind." Das es Schwierigkeiten bei der Umstellung gibt, bestreitet aber laut dem c't-Bericht selbst Greenpeace nicht: "Bei Servern und Druckern gibt es noch Herausforderungen", sagt Aktivist Casey Harrell. Doch bei PCs und Notebooks sehe er "keinen Grund, nicht jetzt auf PVC und BFR zu verzichten".

Siehe dazu in der aktuellen Ausgabe der c't:

  • Giftschleuder PC: Eine Geschichte über Greenwashing, mutlose Politiker und ahnungslose Verbraucher, c't 17/10, S. 68

(jk)