Neues Bio-Material: Kompostierbar, stark wie Metall, besser als Plastik

Ein US-Team hat ein Material aus Bakterien-Zellulose entwickelt, das die Eigenschaften von Metall und Glas mit biologischer Abbaubarkeit vereint.

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(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

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Von
  • Dieter Petereit
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Ein Team von Wissenschaftlern der Rice University in Houston, Texas, und der benachbarten University of Houston hat eine Methode entwickelt, um aus bakterieller Zellulose ein Material mit bemerkenswerten Eigenschaften herzustellen. Es ist nicht nur biologisch abbaubar, sondern weist auch eine Zugfestigkeit auf, die mit der von Metallen vergleichbar ist, während es gleichzeitig flexibel und transparent bleibt.

Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht. Sie beschreiben einen Prozess, der das bisherige Hauptproblem bei der Herstellung von Hochleistungsmaterialien aus bakterieller Zellulose (BC) lösen könnte: die zufällige Anordnung der Nanofasern.

Bakterielle Zellulose ist chemisch rein und ein vielversprechender, nachhaltiger Rohstoff. Bisher schöpfte man ihr Potenzial jedoch nicht aus, da die von den Mikroben produzierten Nanofasern ein unstrukturiertes, watteähnliches Geflecht bilden, was die mechanische Stabilität auf Makroebene begrenzt.

Hier setzt die Innovation des Teams um den Maschinenbau-Professor Muhammad Maksud Rahman an. Die Wissenschaftler entwickelten einen speziellen, rotierenden Bioreaktor. In diesem zylindrischen Behälter erzeugt eine Welle eine konstante Strömung im Nährmedium. Diese Scherströmung zwingt die Bakterien der Spezies Novacitomonas hansenii, sich während des Wachstums in eine einheitliche Richtung zu bewegen.

Dadurch scheiden die Bakterien ihre Zellulose-Nanofasern Schicht für Schicht ausgerichtet ab. Statt eines zufälligen Netzes entsteht eine hoch geordnete Struktur. "Statt die Bakterien sich zufällig bewegen zu lassen, weisen wir sie an, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen und so ihre Zelluloseproduktion präzise auszurichten", erklärt Md Abid Shahriar Rahman Saadi, Doktorand an der Rice University und Erstautor der Studie, laut Science Direct.

Die mechanischen Messungen belegen den Erfolg des Ansatzes. Die so hergestellten Folien weisen eine Zugfestigkeit von bis zu 436 Megapascal auf. Das ist eine Steigerung von rund 137 Prozent gegenĂĽber statisch gewachsener, nicht ausgerichteter bakterieller Zellulose und liegt im Bereich von Aluminiumlegierungen oder Glas.

In einem weiteren Schritt integrierten die Forschenden zweidimensionale Bornitrid-Nanoschichten in das Material. Die Rotation des Reaktors sorgte dabei für eine homogene Verteilung der Partikel. Das Ergebnis ist ein Hybridmaterial mit einer noch höheren Zugfestigkeit von bis zu 553 Megapascal.

Dieses Hybridmaterial besitzt eine weitere interessante Eigenschaft: Es leitet Wärme dreimal schneller ab als reine Bakterien-Zellulose – die für sich genommen bereits Wärme besser leitet als viele gängige Kunststoffe. Das macht es zu einem Kandidaten für das Wärmemanagement in flexiblen elektronischen Bauteilen, für Verpackungen, Textilien oder auch als Strukturwerkstoff im Leichtbau.

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Der entscheidende Vorteil der Methode ist, dass sie in einem einzigen, kontinuierlichen Prozess abläuft. Bisherige Ansätze zur Ausrichtung von Zellulosefasern erforderten oft aufwendige Nachbearbeitungsschritte wie das mechanische Strecken des Materials, was das Risiko von Beschädigungen birgt und die Skalierung erschwert.

Dennoch bleiben Hürden auf dem Weg zur industriellen Anwendung. Die Studie belegt einen erfolgreichen Prozess im Labormaßstab. Ob dieser sich wirtschaftlich auf die Massenproduktion hochskalieren lässt, muss die Zukunft zeigen. Insbesondere die Kosten für den Kultivierungsprozess, der in der Studie zehn Tage dauerte, dürften aktuell noch weit über denen der konventionellen Kunststoffherstellung liegen.

Zudem ist das Material anisotrop, was bedeutet, dass es seine hohe Festigkeit primär in Richtung der Faserausrichtung ausspielt. Quer dazu ist es deutlich weniger belastbar. Dies ist für viele technische Anwendungen zwar erwünscht, muss bei der Konstruktion aber gezielt berücksichtigt werden.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(jle)