Kulturkampf

Der Streit um die Einführung und den Inhalt eines Leistungsschutzrechts für Verlage geht derzeit in die entscheidende Runde. Für die Befürworter eines solchen Rechts steht dabei nicht weniger als die Zukunft des Qualitätsjournalismus auf dem Spiel. Kritiker fürchten dagegen eine Monopolisierung von Sprache und einen Angriff auf die Informationsfreiheit. Worum genau geht es bei diesem Streit, der bislang kaum Öffentlichkeit erhält?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Joerg Heidrich
Inhaltsverzeichnis

Den Verlagen geht es nach eigenen Aussagen schlecht: Schuld daran sei nicht zuletzt das Internet, welches immer mehr Leser von den klassischen Printprodukten abziehe. Im Netz jedoch habe sich gezeigt, dass die Verdienste aus Online-Werbung nicht ausreichen, um teure Redaktionen und Journalisten zu bezahlen. So betrage das gesamte Online-Werbeaufkommen journalistischer Publikums-Webseiten der in dem Zeitungs- (BDZV) und Zeitschriftenverlegerverband (VDZ) organisierten Verlage nach eigenen Angaben gerade einmal rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Verglichen mit den heutigen, ebenfalls rückläufigen Umsätzen der Zeitungen und Publikumszeitschriften in Höhe von rund 11 Mrd. Euro sei dies eine „erschreckend niedrige Summe“. Zwar gebe es in Deutschland derzeit noch kein Massensterben auch von etablierten Zeitungen und Magazinen, wie es in den USA zu beobachten ist. Dennoch sei es auf Dauer nicht möglich, die fast immer defizitären journalistischen Online-Angebote der Verlage durch Erlöse der Print-Reichweite zu subventionieren.

Eine Lösung dieses Problems sehen die Verbände in der Einführung eines Leistungsschutzrechts für Verlage. Dieses würde den Verlagen erlauben, Übernahmen ihrer Inhalte in Online-Angebote zu verbieten oder kostenpflichtig zu lizenzieren. Auch soll die Online-Nutzung von klassischen journalistischen Angeboten zumindest für gewerbliche Nutzer zukünftig kostenpflichtig werden – auch wenn sie im Internet kostenlos angeboten werden.

Doch ist so eine erhebliche Umgestaltung des Urheberrechts tatsächlich notwendig? Fakt ist, dass die Verlage in den allermeisten Fällen bereits jetzt die Möglichkeit haben, gegen Artikelklau vorzugehen. Doch es gibt auch Lücken, die nach Ansicht der Verleger so erheblich sind, dass sie unbedingt geschlossen werden müssen. Kritiker des Leistungsschutzrechts vertreten dagegen die Ansicht, dass die vermeintlichen Lücken genau so vom Gesetzgeber gewollt sind und dadurch eine faire Balance zwischen Rechteinhabern und Nutzern geschaffen wurde. Dieses Regelwerk würde durch die Einführung zusätzlicher Rechte für die Verlage vollkommen aus dem Ruder laufen.

Nach den Grundsätzen des europäisch geprägten Urheberrechts steht das alleinige Recht an einer geistigen Schöpfung zunächst einmal dem „Schöpfer“ eines Werkes zu. Dieses gilt für Presseartikel ebenso wie etwa für Lyrik, einer Komposition, einem Ölbild oder auch einem Architektenentwurf. Der Hersteller des Werkes kann Dritten einzelne oder umfangreiche Rechte an seiner Schöpfung abtreten. Im Falle eines Autors wäre dies etwa das Veröffentlichungs- und Verbreitungsrecht oder auch das Recht zur Bearbeitung und Übersetzung seines Textes.

Entscheidend ist, ob der Schreiber dem Verlag ein einfaches oder ein ausschließliches Nutzungsrecht an seinem Werk einräumt. Im ersten Fall kann er seinen Text auch an Dritte weiterverkaufen. Überträgt er dagegen ausschließliche Rechte, so kann nur noch der Verlag den Artikel an Dritte weitergeben. Daher wird ein Presseorgan im Zweifel bemüht sein, ausschließliche Nutzungsrechte an Beiträgen zu erwerben. Dem steht unter Umständen das Interesse des Autors gegenüber, einen Artikel noch an eine andere Zeitung oder Zeitschrift zu verkaufen. Problematisch wird diese Unterscheidung dann, wenn ein Artikel etwa im Internet ohne Zustimmung des Rechteinhabers übernommen wird. In diesem Fall entsteht ein Unterlassungsanspruch sowie ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz. Hat der Autor ausschließliche Nutzungsrechte an einen Verlag übertragen, so kann nur dieser gegen die Rechtsverletzung vorgehen. Wurden dagegen nur einfache Rechte weitergegeben, so kann der Autor diese Ansprüche im eigenen Namen durchsetzen und die Strafzahlung selbst einstecken. Der Verlag kann in diesem Fall in der Regel nicht selbst tätig werden, um die Nutzung durch den Dritten zu unterbinden.

Noch schwieriger ist die Lage für einen Verlag dann, wenn nicht ein ganzer Artikel im Volltext übernommen wird, sondern nur ein Teil daraus, etwa die Überschrift und der erste Absatz. Neudeutsch spricht man hier von einem „Snippet“. Derartige kurze Ausschnitte aus Artikeln dürften nämlich in den allermeisten Fällen nicht dem Urheberrecht unterfallen. Denn dieses schützt nur Werke mit einer gewissen „Schöpfungshöhe“, unter die kurze Texte nur ausnahmsweise eingeordnet werden können. Hinzu kommt noch, dass die Verlage den Zugriff auf die Inhalte durch Suchmaschinen in aller Regel nicht nur erlauben, sondern durch entsprechende Optimierung sogar noch fördern. Auf Basis des bestehenden Urheberrechts dürfen also Snippets in aller Regel legal durch Dritte übernommen werden. Für ganze Artikel im Volltext gilt dies natürlich nicht. Hier sieht das Urhebergesetz bereits jetzt entsprechende juristische Instrumente vor, die dem Anbieter von Volltext-Inhalten meist ziemlich schnell eine kostenpflichtige Abmahnung bescheren.

Dennoch sieht ein Vertreter des Verbandes der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) im Internet einen „rechtsfreien Raum“, in dem die Leistungen der Presseverlage „massenhaft und unkontrolliert kostenlos genutzt werden können“. Der Präsident des Verbands, der Verleger Hubert Burda, spricht gar von einer „schleichenden Enteignung der Verleger durch das Netz“. Unterstützung erhalten die Verleger bei ihren Forderungen von den Gewerkschaften und den großen Journalistenverbänden wie dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Diese machen ihre Zustimmung vor allem davon abhängig, dass auch die Autoren von den Mehreinnahmen angemessen profitieren.

Sollen im Rahmen des Leistungsschutzrechts geschützt werden: Snippets, etwa für Online-Nachrichtenübersichten

Ein Dorn im Auge ist den Verlagen in der Praxis vor allem die bislang rechtlich kaum angreifbare Übernahme von kurzen Textteilen aus fremden Artikeln. Dies gilt insbesondere für News Aggregatoren wie Google News, Rivva und ähnliche Angebote. Die Tatsache, dass derartige Websites den Verlagen auch eine Vielzahl von Zugriffen bringen, spielt in der Diskussion offenbar keine Rolle. Es überwiegt die Verärgerung darüber, dass Dritte eigenen Content übernehmen und damit wiederum das Geld verdienen, was den Verlagen ihrer Ansicht nach fehlt. Die Lösung von Burda & Co. für das Problem: Die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Verlage.

Das Prinzip des Leistungsschutzrechts ist in Deutschland nicht unbekannt. Ein solches Recht gilt etwa für Vermittler von Werken im Bereich des Films, der Tonträger oder des Rundfunks. So regelt § 85 des Urheberrechtsgesetzes das ausschließliche Recht des Herstellers eines Tonträgers, diesen zu vervielfältigen und zu verbreiten. Dieses Leistungsschutzrecht des Labels tritt dabei neben das eigentliche Urheberrecht, welches im Fall von Tonträgern unter anderem bei den Musikern und Komponisten liegt. Geschützt wird also die Investition des „Werkmittlers“, nicht die schöpferischen und kreativen Leistungen der Künstler.

Für ähnlich schutzwürdig wie Musiklabels halten auch die Verlage ihr Wirken. Verlegern solle daher das ausschließliche Recht zustehen, ihre Presseerzeugnisse und Teile daraus zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Die von Kritikern vielfach geäußerte Befürchtung, mit einem Schutz auch schon für kurze Absätze und Überschriften quasi eine Monopolisierung der Sprache zu erreichen, weisen die Verleger zurück. Inhalte würden nicht als solche geschützt, sondern nur in ihrer Eigenschaft als Element eines Presseerzeugnisses. Es müsse daher „ein unmittelbarer und erkennbarer Bezug zwischen einem Presseerzeugnis und einem durch einen Dritten verwendeten Text bestehen“, damit das Leistungsschutzrecht eingreift. Eine Erlaubnis sei daher, abgesehen von den gesetzlichen Erlaubnisvorgaben, nur dann erforderlich, wenn kleine oder größere Teile eines Presseerzeugnisses vervielfältigt werden. Ein Verstoß läge beispielsweise dann vor, wenn jemand mit Ausschnitten der Online-Presse Nachrichtenübersichten anbietet.

Neben der Möglichkeit, Dritten die Nutzung eigener Inhalte zu verbieten, läuft die Initiative der Verleger jedoch auch noch in eine andere Richtung. Das Leistungsschutzrecht soll auch die Grundlage bieten für eine Vergütungspflicht bei einer gewerblichen Nutzung von Presseinhalten. Als Nutzung soll dabei nicht nur der explizite Download, sondern bereits die bloße Vervielfältigung zum Lesen am eigenen Rechner ausreichen. Mit anderen Worten: Jeder, der im gewerblichen Bereich im Rahmen seiner Tätigkeit auf Erzeugnisse der Presse zugreift, soll dafür zukünftig an eine Verwertungsgesellschaft zahlen. Kritiker bezeichnen diese Forderung als GEZ für die Online-Nutzung und warnen vor entstehenden Kosten und zunehmender Bürokratie für die Wirtschaft.

Die Vergütungspflicht betreffe insbesondere Unternehmen, die „durch die Nutzung unmittelbar von den Leistungen der Presseverleger kommerziell profitieren“, ohne bisher dafür zu zahlen. Im Rahmen einer Diskussionsrunde nannte dabei ein Springer-Vertreter die Zahl von schätzungsweise 20 Millionen gewerblich eingesetzten PCs in Deutschland. Diesen gewerblichen Nutzern wolle man zukünftig Lizenzangebote durch eine Verwertungsgesellschaft unterbreiten. Dies habe für den einzelnen Nutzer den Vorteil, dass dieser nicht mit jedem einzelnen Anbieter verhandeln müsse, sondern eine zentrale Anlaufstelle habe. Wie hoch die geplante Lizenzgebühr sein wird, ist derzeit allerdings noch ebenso offen wie die genaue Ausgestaltung der Abgaben.

Verlegerverbände und Gewerkschaften sehen sich mit ihren Plänen einer ungewöhnlichen Allianz gegenüber, deren Mitglieder aus Wirtschaft, Netzgemeinde und freien Journalistenverbänden stammen und die das Leistungsschutzrecht grundsätzlich ablehnen. Dabei wird schon die Einführung dieses Rechtes grundsätzlich als unnötig und für die Allgemeinheit schädlich abgelehnt. Den Verlegern wird vorgeworfen, weder ein Marktversagen noch eklatante Rechtsschutzlücken belegt zu haben oder dies auch nur zu können. Beides wäre aber Voraussetzung für eine Neuregelung des Urheberrechts.

In einer Stellungnahme des Providerverbands eco stellt dieser heraus, dass die von den Verlegern behauptete Schutzlücke in der Praxis gar nicht existiere. Diese hätten im Rahmen des bestehenden Urheberrechts bereits wirksame Maßnahmen gegen unberechtigte Nutzungen ihrer Inhalte. Darüber hinaus würde Presseverlegern andernfalls ermöglicht, „den freien Austausch von Informationen und Meinungen im Internet massiv und auch letztlich unbegründet einzuschränken“. Der IT-Branchenverband Bitkom befürchtet durch die Neuregelung gar „eine staatlich organisierte Umverteilung zugunsten großer Verlage“. Das Verbotsrecht für die Nutzung von textlichen Kleinstbestandteilen hätte grundlegende Auswirkungen auf die Informationsfreiheit. Die Vorhaben der Verleger dienen im Ergebnis nur dem alleinigen Ziel, ein konkretes Geschäftsmodell vor technologischen oder gesellschaftlichen Änderungen zu schützen.

Einig sind sich die Kritiker darin, dass die bisher vorgelegten Stellungnahmen und Entwürfe eine Vielzahl von juristisch kaum lösbaren Problemen aufwerfen. Dies betreffe etwa die Frage, was überhaupt als „Presserzeugnis“ gilt, wer dem geschützten Kreis der „Presseverleger“ angehören soll oder wie das Verhältnis des Leistungsschutzrechts zu den bisherigen Rechten der Autoren ausfällt. So sei etwa die Frage völlig ungeklärt, ob auch redaktionell geprägte Blogs zu dem Kreis der durch das neue Recht geschützten Gruppe gehören. Die Informationsplattform irights.info erwartet aufgrund der vielen ungeklärten Fragen eine „nie da gewesenen Rechtsverwirrung“, welche „die Berichterstattung und Informationsvermittlung sowie -beschaffung in einer Weise beeinträchtigt, die bislang nur in Ansätzen absehbar ist“.

Noch weiter geht Freischreiber e.V., der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten. Nach Ansicht des Vereins gehe es den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen mit den Änderungen weniger darum, die Grundlagen für Qualitätsjournalismus im Internet zu schaffen, als vielmehr darum, ihre eigene Position zu stärken. Die Praxis zeige, dass viele Medienhäuser selbst nicht bereit seien, Qualitätsjournalismus zu finanzieren. Es seien daher nicht die Verlage, die aus dem derzeitigen Strukturwandel gestärkt hervorgehen müssen, sondern der Journalismus als solcher.

Mittlerweile geht es wohl nicht mehr um die Frage, ob ein Leistungsschutzrecht für Verlage eingeführt wird. Glaubt man den Ankündigungen aus Kreisen der Koalition, etwa von Kulturstaatsminister Bernd Neumann, so soll dies noch in diesem Jahr geschehen. Neben der Koalition spricht sich auch die SPD grundsätzlich für die Neuregelung aus. Unklar ist aber noch, welchen Inhalt das neue Schutzrecht haben wird. In ihrer „Berliner Rede“ hat sich Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger noch einmal für das neue System starkgemacht. Gleichzeitig warnte sie jedoch die Verlage davor, sich „finanzielle Wunder“ von dem neuen Schutzrecht zu versprechen. Dieses sei „kein Allheilmittel für die Strukturveränderungen des Marktes“. Es bleibt daher zumindest zu hoffen, dass die Gesetzänderung den erheblichen Befürchtungen der Kritiker Rechnung trägt.


Pro Leistungsschutzrecht

Rechtsanwalt Dr. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Medienpolitik im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Lehrbeauftragter an den Universitäten in Leipzig und Düsseldorf, spricht sich für ein Leistungsschutzrecht für Verlage aus:

Ein eigenes Schutzrecht der Presseverleger neben dem Urheberrecht der Autoren ist überfällig. Presseverleger ermöglichen mit hohem Einsatz die nachhaltige, redaktionelle Herstellung und Verbreitung journalistischer Beiträge unter Tausenden Zeitschriften- und Zeitungstiteln auf Papier und online. Das Schutzbedürfnis der Verlegerleistung ist heute unabweisbar: In der Welt der reinen Papierpresse konnte kein Dritter die Verlegerleistung in relevanter Weise für sich ausnutzen. Im Internet hingegen wird vor allem die Online-Presse in Sekunden von Dritten übernommen und vermarktet. Es ist beispielsweise nicht nachzuvollziehen, wenn automatische Newsaggregatoren ohne eigene publizistische Leistung mit den redaktionellen Inhalten der Online-Presse das Geld verdienen, was den Redaktionen dann fehlt.

Das Leistungsschutzrecht soll dazu beitragen, „eine für Demokratie und Wissensgesellschaft unverzichtbare Pressevielfalt und -qualität zu erhalten“.

Wie soll das Recht aussehen? Das Urheberrecht des Autors an seinem Text und das Leistungsschutzrecht des Verlegers an dem Presseerzeugnis stehen nebeneinander, behindern sich wegen ihres unterschiedlichen Gegenstandes aber nicht. Der freie Autor kann seinen Artikel wie bisher an mehrere Publikationen verkaufen. Der Verleger kann Vervielfältigungen seines Presseerzeugnisses aus eigenem Recht unterbinden, soweit sie nicht von Schranken wie etwa dem Zitatrecht oder der Privatkopie gedeckt sind. Nachrichten, Texte oder gar Worte werden schon deshalb nicht monopolisiert, weil das Leistungsschutzrecht Texte nur in Anbindung an das Presseerzeugnis erfasst. Werden Worte oder Sätze ohne Bezug auf das Presseerzeugnis verwendet, kann, wie heute schon, allenfalls das Urheberrecht des Autors betroffen sein.

Eine Verwertungsgesellschaft soll die Vervielfältigung der Online-Presse zu gewerblichen Zwecken auswerten und Lizenzverträge mit gewerblichen Nutzern schließen. Wer das Angebot nicht annehmen will, nutzt nicht und zahlt nicht. Dabei gehen die Verleger von der Rechtstreue der gewerblichen Nutzer aus. Um dennoch möglichem Missbrauch begegnen zu können, sollte eine Beweisregelung eine sachgerechte Rechtsdurchsetzung ermöglichen. Die Erlöse der Verwertung werden an die Rechteinhaber ausgeschüttet. Bestehende Geschäftsmodelle der Verlage sollen unberührt bleiben. Die Journalisten werden an den Erlösen beteiligt.

Nimmt man den – für die Lückenschließung nicht zwingend notwendigen – medienpolitischen Horizont hinzu, wird eine Schieflage zwischen publizistischer und finanzieller Funktion der Presse deutlich. Anders als in manch anderem Land ist die Presse in Deutschland im Internet publizistisch erfolgreich. Sie erfüllt so trotz größter Schwierigkeiten die Aufgabe der öffentlichen Meinungsbildung durch redaktionell organisierten, professionellen Journalismus auf allen Wegen. Papier- und Onlineausgaben gemeinsam erreichen nicht weniger, sondern eher mehr Leser denn je. Die Online-Reichweite finanziert jedoch die Online-Presse nicht. Erlöse der Printausgaben subventionieren die zumeist defizitären Online-Ausgaben. Das kann mit der weiteren Verschiebung der Leseranteile von Print zu Online auf Dauer nicht gut gehen. Das Leistungsschutzrecht wird kein Allheilmittel sein. Von seiner effektiven Ausgestaltung hängt aber ab, ob es dazu beitragen kann, eine für Demokratie und Wissensgesellschaft unverzichtbare Pressevielfalt und -qualität zu erhalten.


Kontra Leistungsschutzrecht

Rechtsanwalt Dr. Till Kreutzer, i.e.-Büro für informationsrechtliche Expertise und iRights.info, hält nichts vom Leistungsschutzrecht für Verlage:

Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger würde die Grundprinzipien des Urheberrechts erschüttern und sich auf die Kommunikationsfreiheit im Internet massiv auswirken. Zum einen, weil es darauf abzielt, einzelne Wörter, Überschriften und Teile von Sätzen einem Monopolrecht zu unterwerfen. Das muss es, wenn es die Wünsche der Presseverleger erfüllen soll. Denn sie wollen, dass Google News und andere Aggregatoren eine Erlaubnis brauchen und Lizenzzahlungen leisten, wenn sie kleine Ausschnitte von Verlagspublikationen, die bei Welt.de oder Bild.de im Internet veröffentlicht werden, in den Suchergebnissen anzeigen. Nach geltendem Urheberrecht ist diese Nutzung frei. Will man das ändern, muss man eines der Grundprinzipien des Urheberrechts aushebeln, nach dem derart kleine Teile von Texten keinen Schutz genießen. Dieses Prinzip ist für den urheberrechtlichen Interessenausgleich elementar. Es dient dem Schutz der Meinungsäußerungs-, der Presse- und anderer Kommunikationsfreiheiten. Wirft man es über Bord, würde das quasi auf eine Monopolisierung der Sprache hinauslaufen und den Belangen der Allgemeinheit schweren Schaden zufügen.

Das Leistungsschutzrecht führt zu einer „nie da gewesenen Rechtsverwirrung“, die „Berichterstattung und Informationsvermittlung sowie -beschaffung in einer Weise beeinträchtigt, die bislang nur in Ansätzen absehbar ist“.

Darüber hinaus soll das Recht dazu führen, dass die „gewerbliche Nutzung“ der von den Verlagen freiwillig kostenlos ins Netz gestellten Texte zustimmungs- und vergütungspflichtig wird. Das soll auch dann gelten (und hierin liegt die Neuerung), wenn sie nicht einmal heruntergeladen, sondern nur gelesen werden. Auch ein solches „Leserecht“ würde mit einem fundamentalen Grundsatz des Urheberrechts brechen: Der Werkgenuss ist frei und nicht Gegenstand von Ausschließlichkeitsrechten. Niemand muss dafür bezahlen oder beim Rechteinhaber eine Erlaubnis einholen, wenn er eine Zeitung im Park findet und sie liest oder sich einen Film im Fernsehen ansieht. Gleich, ob er dies zu beruflichen oder privaten Zwecken tut. Das ist selbstverständlich, soll aber nach der Vorstellung der Presseverlage für Texte im Internet nicht mehr gelten. Und weil es natürlich unmöglich zu kontrollieren ist, wer was wann liest (geschweige denn, ob ein Text zu gewerblichen oder privaten Zwecken gelesen wird), würde das Leistungsschutzrecht auf eine (weitere) pauschale PC-Gebühr nach Art der GEZ-Gebühren für Online-PCs hinauslaufen, die an eine Verwertungsgesellschaft zu zahlen wäre. Und diese Gebühr würde jeden „gewerblichen Leser“ treffen, also nicht nur Banken und Pharmakonzerne, sondern auch Grafiker, Rechtsanwälte und u.a. auch freie Journalisten (die ihre PCs ebenfalls beruflich nutzen).

Trotz all dieser Bedenken steht das Leistungsschutzrecht als Zielvorgabe im Koalitionsvertrag. Und zwar nur deshalb, weil die Presseverlage behaupten, dass man im Internet kein Geld verdienen kann und das „Qualitätsjournalismus“ daher zukünftig nicht mehr finanzierbar ist. Belege für diese Behauptung gibt es ebenso wenig wie für die These, dass durch das fehlende Verlegerschutzrecht eine „Schutzlücke“ bestehe, die geschlossen werden müsse. Die Verlage lassen sich durch Verträge von den Journalisten meist sämtliche Rechte an den publizierten Texten einräumen. Sie verfügen hierdurch über einen sehr weit gehenden Schutz. Dass die erworbenen urheberrechtlichen Nutzungsrechte ihnen weder ein Leserecht noch ein Recht zur Nutzung von Snippets verschaffen, ist keineswegs ein Versehen (eine Schutzlücke), sondern eine bewusste und verfassungsrechtlich gebotene Wertungsentscheidung über die Grenzen des „geistigen Eigentums“. (jk)