Menschliches Immunsystem reagiert auf "Kranke" in Virtual Reality
Schon der Anblick eines krank wirkenden Avatars in einem virtuellen Raum alarmiert das menschliche Immunsystem. Es wird also schon vor einer Infektion aktiv.
Ein kränklicher Zeitgenosse ist eine Bedrohung für das Immunsystem. Es schickt dann schon vorbeugend zusätzliche Lymphozyten ins Blut, sagt eine Studie aus der Schweiz.
(Bild: Daniel AJ Sokolov)
Infektiös wirkende Avatare in virtuellen Umgebungen (VR) aktivieren das menschliche Immunsystem. Dieses wird also schon bei den ersten Anzeichen einer möglichen Infektion tätig und wartet nicht ab, ob überhaupt Krankheitserreger in den Körper eindringen. Zu diesem Schluss kommt eine von der Universität Lausanne finanzierte, aufwändige Studie mit rund 250 gesunden Teilnehmern.
Die Probanden wurden mittels VR-Headset Personentypen mit neutralem Gesichtsausdruck ausgesetzt, und dann entweder solchen mit ängstlichem Antlitz oder mit Anzeichen einer Infektion, wie Hautausschlägen oder Husten. Erhoben wurden Reaktionen im Verhalten, in der Gehirnaktivität sowie des Immunsystems. Zum Einsatz kamen Methoden wie die Zählung ausgeschütteter Immunzellen im Blut, EEG und funktionale Gehirnmagnetresonanz (fMRI).
Zusätzlich wurden die Teilnehmer mechanisch oder durch Luftdüsen leicht im Gesicht berührt; wenn sie das spürten, mussten sie so schnell wie möglich einen Knopf drücken. Eine Vergleichsgruppe erhielt statt VR-Erfahrung die reale Grippeschutzimpfung.
Immunsystem reagiert schon vor der Infektion
Laut den Studienergebnissen aktiviert das Eindringen einer als infektiös wahrgenommenen, virtuellen Person in die persönliche Sphäre das Salienz-Netz im Gehirn; das löst wiederum eine Kaskade von Neuroimmunreaktionen, die schließlich zur Ausschüttung und Aktivierung bestimmter Lymphozyten, sogenannter innate lymphoid cells, führen. Das Salienz-Netz erkennt und filtert ungewöhnliche Reize.
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Die Gesichtsberührungen dienten der Messung der Reaktionszeit, wobei die "Begegnungen" in unterschiedlichen "Entfernungen" erfolgten. Dabei wurde deutlich, dass die Reaktionszeiten kürzer werden, je näher die Avatare kommen. Das deutet auf höhere Alarmbereitschaft hin. Bei den infektiös wirkenden Avatare waren die Reaktionszeiten allerdings schon in größerer Entfernung deutlich kürzer, die innere Alarmstufe der Probanden also offenbar höher.
Das Forscherteam um den Neuropsychologen Andrea Serino und die Immunologin Camilla Jandus hat seine Ergebnisse in Nature Neuroscience veröffentlicht. Auf dessen Webseite sind auch Zusatzinformationen zur Studie Neural anticipation of virtual infection triggers an immune response abrufbar.
(ds)