Was der Zoll-Deal der EU mit Trump fĂĽr den Tech- und Auto-Sektor bedeutet
Auf Halbleiter aus der EU wird im Rahmen des Abkommens ein Zoll von 15 Prozent erhoben. Europäische Chipfertigungsanlagen etwa von ASML bleiben indes zollfrei.
(Bild: Fred Guerdin)
Nach der Ankündigung einer politischen Verständigung zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump auf ein Abkommen über Zölle und Handel am Sonntag blieben viele Details offen. Langsam kommt Licht ins Dunkel rund um die Übereinkunft, die beide Seiten für sich als Erfolg verbuchen. Doch viele Beobachter sind weiter der Ansicht, dass sich von der Leyen von ihrem Reality-TV-geschulten Gegenspieler habe über den Tisch ziehen lassen.
Im Grundsatz kommt mit dem transatlantischen Deal eine einheitliche Zoll-Obergrenze von 15 Prozent für EU-Waren, während Großbritannien etwa einen Basiszoll von 10 Prozent aushandeln konnte. Ab dem 1. August würden die USA diesen Höchstzoll auf die überwiegende Mehrheit der EU-Ausfuhren anwenden, teilt die EU-Kommission mit. Es handele sich um einen "All-Inclusive-Tarif" und ein Limit nach oben. Inbegriffen sei auch der Meistbegünstigungszollsatz (MFN), der zuvor zusätzlich zu den von den USA eingeführten zusätzlichen Zöllen erhoben worden sei.
Die Obergrenze von 15 Prozent gilt laut der Brüsseler Regierungsinstitution auch für mögliche künftige Zölle der Trump-Regierung auf Chips und andere Halbleiter. Die USA führten dazu noch eine Untersuchung durch und wollten auf dieser Basis entscheiden, ob sie auf solche Produkte sowie auf Arzneimittel zusätzliche Abgaben erheben. Bis dahin unterlägen diese weiterhin nur dem MFN.
ASML-Nvidia-Klausel
Für Ausrüster und Hersteller von Chipfertigungsanlagen enthält der Deal eine Sonderregelung. Ihre Produkte sind vom Basiszoll von 15 Prozent ausgenommen und unterliegen einer "Null-für-Null-Bestimmung". Beide Seiten müssen dafür also keine Abgaben zahlen. Das lässt sich als Sieg interpretieren für den niederländischen Zulieferer ASML, dessen Lithografieverfahren für die Produktion ultrakleiner Chips nötig ist. Der Konzern gilt gemessen an der Marktkapitalisierung als eines der größten Unternehmen Europas. Die von ihm ausgelieferten Maschinen haben einen Wert von mehreren hundert Millionen Euro pro Stück.
Zugleich profitieren von diesem Teil der Abmachung aber auch große Chip-Hersteller aus den USA wie Nvidia, die gerade für ihre fortgeschrittenen, auf KI ausgerichteten Halbleiter und Grafikprozessoren (GPUs) auf Technik von ASML angewiesen sind. Die EU beabsichtigt zugleich, KI-Chips im Wert von 40 Milliarden Euro zu erwerben, die "für die Aufrechterhaltung des technologischen Vorsprungs der EU unerlässlich" seien. Insgesamt dürften so vor allem US-Produzenten von der Klausel profitieren, während vom viel gepredigten Ansatz der technologischen Souveränität der EU wenig übrig bleibt.
EU-Digitalgesetze sind auĂźen vor
Im Laufe der Zoll-Verhandlungen kritisierten Vertreter der Trump-Regierung auch immer wieder die vergleichsweise strikten Digitalgesetze der EU, auf deren Basis gerade US-Tech-Konzernen teils empfindliche Sanktionen drohen. In der Übereinkunft taucht dieser Aspekt nicht auf. Es gebe keinerlei Abrede für oder gegen die Digitalregulierung oder einschlägige Steuern auf Online-Plattformen, betonte ein EU-Beamter gegenüber Politico. Die Verteidigung der Autonomie der Gemeinschaft in diesem Bereich durch die Kommission habe bislang nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten.
Beobachter verunsicherten zunächst Berichte, wonach die Brüsseler Exekutivinstanz im Rahmen des Streits auf die Durchsetzung des Digital Markets Acts (DMA) für US-Konzerne zeitweise verzichten wolle. Änderungen oder Aussetzungen der EU-Wettbewerbsregeln und des Digital Services Act (DSA) sind nun erst einmal vom Tisch. Doch Apple, Google, Meta & Co. machen weiter Druck. So hat der IT-Verband Computer & Communications Industry Association (CCIA) gerade eine Studie veröffentlicht, wonach die digitalen EU-Vorschriften der US-Branche 97,6 Milliarden US-Dollar jährlich an Kosten und Einnahmeverlusten bescherten. Allein die DMA-Einhaltung schlage mit rund einer Milliarde zu Buche.
Automobilsektor leidet
15 Prozent Zoll gelten ebenfalls für Pkw und Kfz-Teile, auf die Trump derzeit einen Zollsatz bis zu 25 Prozent und ein zusätzlicher MFN von 2,5 Prozent erhebt. Das ermögliche eine sofortige Entlastung, argumentiert die Kommission. Die EU hat sich bereit erklärt, ihre Autozölle von 10 Prozent auf null zu senken. Im Rahmen eines vergleichbaren Abkommens zwischen den USA und Japan will das asiatische Land Fahrzeuge übernehmen, die nach US-amerikanischen Automobilstandards zugelassen sind. Eine entsprechende Verpflichtung zur Zusammenarbeit und zur Angleichung von Normen ist auch im EU-Deal enthalten. Das könnte sich auch auf Standards fürs autonomes Fahren erstrecken.
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Der Verband der Automobilindustrie (VDA) moniert, der US-Zollsatz werde die Unternehmen der deutschen Branche "jährlich Milliarden kosten" und sie zusätzlich belasten. Wichtig sei es, "dass die durch den Zollstreit verzerrten und eingeschränkten automobilen Lieferketten wieder funktionieren". Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Deutschen Zentrums für Automobilforschung, schätzt, dass bis zu 70.000 Arbeitsplätze bei europäischen Autokonzernen und ihren Zulieferern verloren gehen könnten, wenn die Hersteller zum Umgehen der 15 Prozent Aufschlag ihre Produktion in die USA verlagerten. Der BDI befürchtet "immense negative Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie".
Merz: Knapp an Totalschaden vorbeigeschrammt
Die Kommission verteidigt den Deal – mehr sei nicht herauszuholen gewesen. Der französische Premierminister François Bayrou sprach von einem "schwarzen Tag, an dem sich ein Bündnis freier Völker, die vereint sind, um ihre Werte zu behaupten und ihre Interessen zu verteidigen, unterwirft." Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hob den Ausschluss der Zölle im Automobilsektor als Silberstreif am Horizont hervor. Aber auch er räumte ein: "Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen."
Mit der politischen, noch nicht rechtsverbindlichen Einigung hat die EU versprochen, US-amerikanische Flüssigerdgas-, Öl- und Kernenergieprodukte im Wert von 750 Milliarden US-Dollar in den nächsten drei Jahren zu kaufen. Das halten Experten technisch und wirtschaftlich kaum für umsetzbar.
(olb)