US-Regulierer stoppt Runden Tisch zur Netzneutralität

Die Federal Communications Commission (FCC) hat inmitten der Gerüchte über einen Deal zwischen Google und Verizon über Vorfahrtsrechte auf der Datenautobahn ihre nicht-öffentlichen Gespräche zur Internetregulierung beendet.

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Die Federal Communications Commission (FCC) hat ihre hinter geschlossenen Türen geführten Gespräche mit Netzbetreibern und anderen Akteuren aus der Internetwirtschaft über die Aufrechterhaltung der Netzneutralität beendet. Die Verhandlungen seien zwar "an mehreren Fronten produktiv gewesen", erklärte der Debattenführer auf Seiten des US-Regulierers, Edward Lazarus, am gestrigen Donnerstag. Sie hätten aber nicht zu einem "robusten Rahmenwerk geführt, das die Offenheit und die Freiheit des Internets bewahrt". Ein solches sei aber nötig, um Innovationen, die Meinungsfreiheit und die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher im Netz voranzutreiben und zugleich Investitionen zu fördern. Man halte sich alle Regulierungsoptionen offen, während man gleichzeitig weiter Stellungnahmen zu dieser wichtigen Frage einhole.

Behördenchef Julius Genachowski betonte, dass jedes Ergebnis und jegliche Absprachen, die das Internet nicht für Konsumenten und Unternehmer offen hielten, "unakzeptabel" seien. Der Demokrat sucht seit dem Frühjahr nach einem "dritten Weg" zur Festschreibung der Netzneutralität. Demnach sollen Internetprovider künftig als klassische Telekommunikationsanbieter und Carrier eingestuft werden. Das damit theoretisch verfügbare umfangreiche Arsenal an Regulierungsmitteln will die FCC aber nur zum Teil auf die Zugangsanbieter anwenden. Die Diskussionen mit Netzbetreibern und der Open Internet Coalition als Dachvereinigung der Befürworter eines offenen Internets sollten einen Kompromiss weisen, mit dem der bestehende Rechtsrahmen möglichst wenig zu ändern gewesen wäre.

Die Nachricht vom Ende des nicht-öffentlichen Runden Tischs platzt mitten in Gerüchte über einen Deal zwischen Google und Verizon über Vorfahrtsrechte auf der Datenautobahn. Beide US-Konzerne dementierten zwar mehr oder weniger nachdrücklich einen Bericht, wonach der Zugangsanbieter über seine Netzwerke Inhalte der YouTube-Mutterfirma gegen Zahlung einer Zusatzgebühr mit Priorität zu den Nutzern bringen könnte. Bei den seit Monaten laufenden bilateralen Gesprächen zwischen beiden Firmen gehe es nicht um Geld, das für die Übertragung von Googles Datenverkehr fließen solle, konstatierte der Suchmaschinenanbieter. Man trete für ein offenes und zurechenbares Netzwerk ein, solange dieses Investitionen und Innovationen beibehalte und die FCC über die Regeln wache, hieß es bei Verizon.

Keinen Widerspruch gab es derweil zu weiteren Meldungen, wonach die Telekommunikationsfirma zugesichert habe, im leitungsgebundenen Internet den Verkehr Googles nicht zu drosseln. Bewusst außen vor bleibe bei der Verabredung aber das mobile Netz, hieß es zugleich weiter. Zudem hatte Google-Chef Eric Schmidt erneut betont, dass gleiche Datentypen (etwa bei Videos) nicht unterschiedlich behandelt werden dürften, zwischen verschiedenen Datenkategorien aber eine Differenzierung möglich sein müsse. Es gibt also weiterhin verschiedene Vorstellung, was Netzneutralität bedeutet – jenseits einer Definition von Netzneutralität, die schlicht besagt, dass, unabhängig von Protokoll, Diensttyp, Quelle und Ziel, alle Datenpakete über IP-Netze gleich behandelt werden. IT-Experte Kristian Köhntopp, der in "Vokabeln für Netzneutralität" die Problematik zu verdeutlichen versucht, kommentierte bereits zu den Google-Verizon-Verhandlungen: "Es ist auf jeden Fall ein schwerer Rückschlag für Netzneutralität, da der Ansatz die Regulierung von Knappheit gegenüber der Schaffung von Überfluß bevorzugt."

Die zivilgesellschaftliche Organisation Public Knowledge, die zu den stärkten Verfechtern einer gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität zählt und bei den FCC-Treffen in den vergangenen anderthalb Monaten nicht direkt mit am Tisch saß, zeigte sich nicht unglücklich über den Abbruch der Verhandlungen. Diese seien "hauptsächlich auf die größten Industrievertreter beschränkt gewesen", hieß es bei der Vereinigung. Die Regulierungsbehörde könne und müsse nun eine Entscheidung auf Basis der längst eingegangenen Kommentare aus einer breiteren Öffentlichkeit fällen und dabei das Gemeinwohl im Auge behalten.

Auch der den Demokraten angehörende Kongress-Abgeordnete Ed Markey, der bereits vergeblich mehrere Anläufe für eine gesetzliche Festschreibung des Prinzips des offenen Internets unternahm, drängte die FCC zum raschen Handeln. Andernfalls könne die "lausche Zusammenarbeit von Kommunikationskolossen das Netz regieren". Der frühere Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Senator John Kerry, ergänzte, dass es für eine gesetzgeberische Lösung der offenen Fragen rund um die Netzneutralität weiter düster aussehe. Er sieht daher ebenfalls die FCC unter Zugzwang. (jk)