Quanten-Radar soll in der Erde vergrabene Objekte finden

Physiker erforschen einen quantenmechanischen Ansatz zur Herstellung kleinerer Radiowellendetektoren, die für die Archäologie verwendet werden könnten.

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Säule vor Nachthimmel

(Bild: muratart/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Sophia Chen
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Amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen neuartigen Radartyp entwickelt, der die Bildgebung für unterirdische Strukturen deutlich verbessern könnte. Das System ist eine Art Quantensensor, ein Verfahren, bei dem die quantenmechanischen Eigenschaften von Objekten als Messinstrument verwendet werden. Im Inneren des Systems befindet sich eine Wolke aus Atomen in einer Glaszelle, die reflektierte Funkwellen detektieren kann. Mit seinem aktuellen Prototypensystem kann das Team etwa bei archäologischen Ausgrabungen helfen, Erdgasvorkommen erschließen sowie unterirdische Versorgungsleitungen erkennen, bevor Baumaßnahmen erfolgen.

Wie herkömmliche Radargeräte sendet das Gerät Funkwellen aus, die von Objekten reflektiert werden. Durch Messung der Zeit, die die reflektierten Wellen zur Rückkehr benötigen, lässt sich bestimmen, wo sich ein Objekt befindet. Bei herkömmlichen Radargeräten werden die reflektierten Wellen üblicherweise mit großen Antennen erfasst. Bei dem Quanten-Radar wird hingegen die Wechselwirkung zwischen den wieder eintreffenden Funkwellen und der Atomwolke bestimmt.

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Die aktuelle Version des Geräts ist noch recht sperrig, da die Forschenden es zur Erleichterung der Tests mit Komponenten auf einem sogenannten Optical Table verbunden haben. Sie gehen jedoch davon aus, dass der Quanten-Radar später deutlich kleiner sein könnte als konventionelle Designs. "Anstelle der großen Metallstruktur zum Empfang des Signals können wir nun diese kleine Glaszelle mit der Atomwolke verwenden, die etwa einen Zentimeter groß ist", sagt Matthew Simons, Physiker am National Institute of Standards and Technology (NIST) in Maryland, der Mitglied des Forschungsteams war. Das NIST arbeitete bei der Entwicklung des Radars auch mit dem Rüstungsunternehmen RTX zusammen.

Die Glaszelle, die als Quantenkomponente des Radarsystems dient, ist mit Cäsiumatomen gefüllt, die auf Raumtemperatur gehalten werden. Die Forschenden verwenden Laser, um jedes einzelne Cäsiumatom auf fast die Größe eines Bakteriums anschwellen zu lassen, also etwa 10.000 Mal größer als üblich. Atome in diesem aufgeblähten Zustand werden auch Rydberg-Atome genannt.

Wenn einfallende Funkwellen auf Rydberg-Atome treffen, stören sie die Verteilung der Elektronen um deren Kerne. Die Forscherinnen und Forscher können diese Störung erkennen, indem sie Laserlicht auf die Atome richten, wodurch diese Licht emittieren. Wenn die Atome mit einer Funkwelle interagieren, ändert sich die Farbe des emittierten Lichts. Durch die Überwachung des Farbspektrums können die Atome somit als eine Form von Funkempfänger verwendet werden. Rydberg-Atome reagieren empfindlich auf einen breiten Frequenzbereich, ohne dass ihre physikalische Anordnung geändert werden müsste, sagt Michał Parniak, Physiker an der Universität Warschau, der die Arbeit kennt. Das bedeutet, dass ein einziges kompaktes Quanten-Radargerät potenziell in allen Frequenzbändern arbeiten könnte, die für unterschiedliche Anwendungen erforderlich sind.

Das Team um Simons testete das Quanten-Radar in einem speziell gestalteten Raum, dessen Boden, Decke und Wände mit spitz zulaufenden Schaumstoffelementen versehen waren, die wie Stalaktiten und Stalagmiten aussehen. Der Schaumstoff reflektiert nahezu keine der auftreffenden Funkwellen, sondern absorbiert sie. Dadurch wird die Wirkung eines großen offenen Raums simuliert, sodass die Gruppe die Bildgebungsfähigkeit des Radars ohne unerwünschte Reflexionen der Wände testen konnte.

Die Gruppe platzierte einen Funkwellensender im Raum zusammen mit ihrem Rydberg-Atom-Empfangsteil, der an den Optical Table außerhalb des Raums angeschlossen war. Sie richteten die Funkwellen auf eine etwa papiergroße Kupferplatte, einige Rohre und eine Stahlstange im Raum, die jeweils bis zu fünf Meter entfernt waren. Mit dem Radar konnten sie die Objekte auf 4,7 Zentimeter genau lokalisieren. Das Team veröffentlichte Ende Juni einen Artikel über ihre Forschung auf dem Preprint-Server arXiv.

Die Arbeit bringt das Quanten-Radar einer kommerziellen Produktion näher. "Es geht wirklich darum, diese Elemente auf elegante Weise zusammenzufügen", sagt Parniak. Während andere Forschende bereits zuvor gezeigt hatten, wie Rydberg-Atome als Funkwellendetektoren funktionieren können, habe seine Gruppe das Empfangssystem eleganter als bisher in das restliche Gerät integriert. Auch andere Radaranwendungen gelten als interessant. So hat das Team um Parniak kürzlich einen Rydberg-Atom-Sensor zur Messung von Funkfrequenzen entwickelt, um Fehler in Chips für Fahrzeugradarsysteme zu beheben. Forscherinnen und Forscher untersuchten auch, ob Radar mit Rydberg-Atom-Empfängern zur Messung der Bodenfeuchte eingesetzt werden könnte.

Das neue Gerät ist nur ein Beispiel für einen Quantensensor, eine Technologie, bei der Verfahren aus der Quantenphysik in herkömmliche Geräte eingebaut werden. Die US-Regierung hat beispielsweise Gyroskope entwickelt, die die Welleneigenschaften von Atomen zur Drehungsmessung nutzen, was für die Navigation ohne GPS nützlich wäre. Forschende haben zudem Quantensensoren entwickelt, die Verunreinigungen in Diamanten für sich nutzen, um Magnetfelder zu messen, beispielsweise für biomedizinische Anwendungen.

Ein Vorteil von Quantensensoren ist die inhärente Konsistenz ihrer Kernkomponenten. Jedes Cäsiumatom in einem Gerät ist identisch. Darüber hinaus basiert der Funkempfänger auf der grundlegenden Struktur dieser Atome, die sich nie verändert. Die Eigenschaften der Atome "können direkt mit fundamentalen Konstanten verknüpft werden", sagt NIST-Forscher Simons. Aus diesem Grund sollten Quantensensoren weniger Kalibrierung erfordern als ihre nicht-quantenbasierten Produkte.

Weltweit haben Regierungen bereits Milliarden in die Entwicklung von Quantensensoren und Quantencomputern investiert, die aus ähnlichen Komponenten bestehen. Es gibt bereits Quantencomputer, die Rydberg-Atome als Qubits verwenden, die den Bits in einem herkömmlichen Computer entsprechen. So können Fortschritte in der Quantensensorik potenziell auch zu Fortschritten in der Quanteninformatik führen und umgekehrt. Parniak hat kürzlich erst eine Fehlerkorrekturtechnik aus der Quanteninformatik angepasst, um seinen auf Rydberg-Atomen basierenden Sensor zu verbessern.

Die Forscher müssen die Entwicklung des Quanten-Radars noch weiter vorantreiben, bevor ein solches System kommerziell nutzbar ist. Sie müssen etwa daran arbeiten, die Empfindlichkeit des Geräts für schwächere Signale zu optimieren, was eine Verbesserung der Beschichtung der Glaszelle erfordern könnte. "Wir glauben allerdings nicht, dass dies alle Radaranwendungen ersetzen wird", sagt Simons. Stattdessen hält er die Technik für bestimmte Szenarien nützlich, in denen besonders kompakte Geräte erforderlich sind.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(jle)