c't-Podcast: "Wir haben mehr Piloten als die Lufthansa“

Warum KI in Unternehmen oft scheitert: Elisabeth L’Orange über Lärm, Datenqualität und KI-Agenten.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Eva Wolfangel
  • Svea Eckert

In der aktuellen Doppelfolge des c't-Podcast „They Talk Tech“ gemeinsam mit „Tech and Tales“ sprechen die KI-Expertin Elisabeth L’Orange sowie "They Talk Tech"-Hosts Svea Eckert und Eva Wolfangel über die Realität künstlicher Intelligenz im Unternehmensalltag und darüber, warum der Hype zwar groß ist, die echten Durchbrüche noch auf sich warten lassen.

Elisabeth L’Orange kennt als Juristin, Gründerin und Beraterin beide Welten: Start-ups und Konzernstrukturen. Heute ist sie Partnerin in einer Unternehmensberatung, wo sie Konzerne beim strategischen Einsatz von KI berät. In der Podcast-Folge entmystifiziert sie den Agenten-Hype rund um generative KI und zeigt auf, warum nicht nur Technik, sondern vor allem Menschen entscheidend sind.

Besonders kritisch blicken die drei Tech-Podcasterinnen auf die aktuelle Diskussion um KI-Agenten, also Softwareinstanzen, die autonom Aufgaben erledigen sollen. Die Technik verspricht viel, gleichzeitig sind echte Anwendungsfälle rar, vor allem im Unternehmenskontext. Das liege zum Teil auch an den Trainingsdaten der Modelle, betont L’Orange: „Die Datenqualität ist der differenzierende Faktor für die Modelle." Und darin liege ein strukturelles Problem, denn es benötige viele Ressourcen, um Trainingsdaten entsprechend aufzubereiten: "Nur die allergrößten Tech-Unternehmen haben das Kapital, diese Datensätze wirklich sauber zu bekommen."

Dabei seien agentische Anwendungsfälle durchaus möglich, wie sich an einzelnen Beispielen zeigt, bei denen Fachleute eigene Agenten-Ökosystem bauen – mit einem "Überagenten" zum Beispiel, der Aufgaben an spezialisierte Unteragenten delegiert. Doch solche Setups sind Einzelfälle und bleiben meist auf persönliche Produktivität beschränkt.

Die Gründe liegen auf der Hand: mangelnde Dateninfrastruktur, zersplitterte Tech-Stacks und die Angst vor einem Vendor-Lock-in. Wer etwa nur auf ein Unternehmen setzt, bekommt vielleicht gute Agenten – aber auch starke Abhängigkeit.

Auch der wirtschaftliche Druck wächst. Unternehmen geben Millionen für neue KI-Systeme aus, vieles bleibe aber in der Pilotprojektphase stecken: "Wir haben mehr Piloten als die Lufthansa in Deutschland."

Statt vor allem auf generative KI zu setzen, rät L’Orange zur Konzentration auf Prozesse, in denen KI tatsächlich Mehrwert schafft: "Die größten Hebel liegen im Backend, also in der Optimierung der IT-Systeme", sagt sie. Lieferketten, Routenplanung, Predictive Maintenance – hier sei KI längst wirksam und messbar. Zum Beispiel in Form sensorgestützter Vorhersagen von Maschinenausfällen. Solche Systeme erhöhen nicht nur die Effizienz, sondern sparen auch Ressourcen und Emissionen.

Am häufigsten scheitern KI-Initiativen jedoch an den Menschen und nicht an der Technik. "85 Prozent aller Pilot-to-Product-Initiativen scheitern an der Akzeptanz der Mitarbeitenden", betont L’Orange. Der häufig vernachlässigte Change-Prozess sei dabei entscheidend. "Menschen dazu zu bringen, sich anders zu verhalten oder andere Dinge zu nutzen, ist die größte Herausforderung."

Hinzu kommen kulturelle Faktoren: "Die Mitarbeiter müssen mehr an die Hand genommen werden", fordert L’Orange. Rollen wie "AI Evangelists", so klischeehaft der Begriff auch klingen mag, könnten helfen, intern Expertise aufzubauen und Vertrauen zu schaffen.

Gleichzeitig sieht sie auch eine strukturelle Fehlsteuerung durch den KI-Hype: Der Drang, alles mit generativer KI zu lösen, führe oft zu ineffizienten Systemen. Aber haben Beratungsunternehmen wie Gartner nicht diesen Hype verursacht, wohl wissentlich, dass das Motto "Hauptsache Agenten" zu Enttäuschungen führen muss? Auf den Hinweis von Eva Wolfangel auf ihre Recherche zu Agenten und dem von Gartner befeuerten Hype, das Agenten erst zum Top-Trend erklärte, nur um einige Monate später zu verkünden, dass die meisten Projekte scheitern, entgegnet L’Orange, es brauche strategischen Realismus: Die Technik sei da, oft sogar erstaunlich weit. Aber sie benötigt gute Daten, stabile Infrastrukturen und vor allem: Menschen, die sie nutzen wollen – und können. "Ohne diesen Sense of Urgency hätte sich keiner bewegt." Jetzt müsse man sich ernsthaft mit der Umsetzung beschäftigen. Und das bedeutet eben auch, den Menschen mehr zuzuhören als dem nächsten Gartner-Report.

"They Talk Tech" erscheint jeden Mittwoch ĂĽberall, wo es Podcasts gibt. Svea Eckert und Eva Wolfangel diskutieren ein Tech-Thema oder treffen inspirierende Frauen aus und rund um die Tech-Welt.

(mond)