Nicht kalkulierbar? Niemand bietet auf neue Flächen für Offshore-Windenergie
Im August scheiterte eine Ausschreibung über Windenergie-Flächen in der Nordsee, weil niemand ein Gebot abgab. Schuld sollen die Ausschreibungsregeln sein.
(Bild: fokke baarssen/Shutterstock.com)
30 Gigawatt Offshore-Windenergie sollen laut dem Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) bis 2030 vor der deutschen Küsten installiert sein. Der Weg dahin ist auf dem Papier schnell erklärt: Der Bund schreibt regelmäßig neue Flächen aus, auf deren Bebauung sich die Industrie bewirbt.
Im Fall der beiden Seegebiete N-10.1 und N-10.2 ging diese Rechnung im August allerdings nicht auf: Auf die Flächen, die 2,5 Gigawatt Windleistung vorsehen, hat sich kein einziger Bieter beworben. Die Ausschreibung endete erfolglos. Erst zwei Monate zuvor entging die Ausschreibung der Fläche N-9.4 diesem Schicksal knapp: Für sie fanden sich zwei Teilnehmer. Zum Vergleich: Ein Jahr davor konnten zwei Flächen noch das Interesse von sieben Bietern finden.
Für die Verbände, die den Offshore-Windenergie-Ausbau unterstützen – etwa die Stiftung Offshore-Windenergie, der Maschinenbauindustrieverband VDMA und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) –, liegen die Gründe in den Bedingungen des Ausschreibungsverfahrens. Sie fordern eine Reform, die die Projektrisiken der Investoren reduziert.
Festpreis für Stromverkauf gefordert
Eine zentrale Forderung besteht in einer Änderung des Stromabnahmemodells. Für aktuelle Ausschreibungen würden Windparkbetreiber ihren Strom marktbasiert verkaufen, erklärt Fritz Halla von der auf Energiewirtschaft spezialisierten Unternehmensberatung Enervis Energy Advisors GmbH. Der Consulter hat sich mit dem derzeitigen Vergabeverfahren im Auftrag der Stiftung Offshore-Windenergie in einer Studie auseinandergesetzt.
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Der marktbasierte Stromverkauf ist laut Halla mit großen Unsicherheiten verbunden. 2025 und 2024 sind die Börsenstrompreise verglichen mit den Vorjahren leicht gefallen. "Das weckt bei Investoren nicht das Vertrauen, dass sie den Windstrom gemäß ihrer Kalkulation für den Ausschreibungswettbewerb kostendeckend verkaufen können", sagt Halla. Und Stromlieferverträge ließen sich maximal für zehn bis zwölf Jahre verbindlich abschließen. "Bei einem Windpark, dessen Wirtschaftlichkeit für eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren berechnet wird, ist das nur eine Hälfte der Rechnung", erklärt der Consulter.
Die Interessenverbände plädieren für die Möglichkeit zweiseitiger Differenzverträge (CfDs), um das finanzielle Risiko der Investoren zu mindern. "Zweiseitige Differenzverträge würden dafür sorgen, dass Investoren extrem verlässlich planen können", führt Halla weiter aus. Darin würde der Verkauf der Megawattstunde Windstrom zu einem Festpreis vereinbart, erklärt der Berater: Liegt der reale Verkaufserlös unterhalb dieser Schwelle, würde die Differenz vom Bund gefördert, liegt er oberhalb dieser Schwelle, zahlt der Windparkbetreiber die Differenz an den Bund aus. "Somit läge die finanzielle Unsicherheit nur noch im Faktor Windertrag."
Zu hohe Leistungsdichte vorgeschrieben
Die Planungssicherheit beim Stromverkauf ist nicht der einzige große Kritikpunkt am aktuellen Vergabeverfahren. Der BDEW mahnt auch, dass die Leistungsdichte der ausgeschriebenen Windflächen zu groß sei. Das WindSeeG, das die Regularien des Ausschreibungsverfahrens definiert, müsse Abschattungseffekte zwischen und innerhalb von Offshore-Windparks aufgrund der dichten Bebauung in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) berücksichtigen.
Die eher ungünstigen natürlichen Gegebenheiten der konkreten Seegebiete N-10.1 und N-10.2 sieht auch der Enervis-Berater als mitverantwortlich für die aktuell gescheiterte Ausschreibung. "Beide Flächen haben vergleichsweise niedrige zu erwartende Windenergieerträge", ergänzt Halla. Gleichzeitig sei das Wasser recht tief und der Meeresgrund kompliziert, was die Kosten Bau- und Installationskosten der Anlagen erhöht.
Neue Ausschreibung unter anderen Bedingungen
So geht es mit den Flächen N-10.1 und N-10.2 jetzt weiter: Die Bundesnetzagentur schreibt die Flächen zum Juni 2026 unter veränderten Bedingungen neu aus. Es gibt zwei Arten von Ausschreibungsverfahren mit unterschiedlichen Bedingungen. Bei den Gebieten N-10.1 und N-10.2 handelt es sich um "Ausschreibungen für zentral voruntersuchte Flächen". Diese hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie voruntersucht, also Bedingungen wie Baugrund und Windverhältnisse geprüft. Für sie ist keine Einspeisevergütung vorgesehen, erklärt die Bundesnetzagentur. Investoren bieten Geld an, um sie bebauen zu dürfen und nennen zusätzlich, welche qualitativen Kriterien sie erfüllen. Das betrifft etwa den Beitrag zur Dekarbonisierung, die Naturverträglichkeit der eingesetzten Fundamenttechnologie (Gründung) oder die Fachkräftesicherung.
Da es keine Gebote gegeben hat, schreibt die Bundesnetzagentur die Flächen nun unter den etwas lockeren Regularien der "Ausschreibungen für nicht zentral voruntersuchte Flächen" aus. Hier entfallen die qualitativen Kriterien und es gibt die Möglichkeit einer Einspeisevergütung. Erst wenn mehrere Gebote als sogenannte Null-Cent-Gebote keinen Förderbedarf für ihr Projekt anmelden, findet im zweiten Schritt ein dynamisches Gebotsverfahren statt, in denen Investoren Geld für die Bebauung bieten. Dieses Verfahren kam beispielsweise bei der im Juni abgeschlossenen Ausschreibung der nicht voruntersuchten Fläche N-9.4 zum Einsatz, für die sich zwei Bieter fanden. Der Gewinner zahlt für die Bebauungsrechte über ein Gigawatt Gesamtleistung 180 Millionen Euro an die Bundesregierung.
(dgi)