Kampf gegen Online-Kinderpornos: Hürden, Erfolge und Zusammenarbeit

Ruben Rodriguez, Präsident der Meldestellenverbunds INHOPE, erläutert Besonderheiten der "CyberTipline" in den USA und beklagt ein "schwarzes Loch" bei der Auslegung des amerikanischen Kinderschutzgesetzes. Die in die Wege geleitete Zusammenarbeit von FBI und BKA beim Löschen von Kinderpornos hält er für viel versprechend: Dies könnte sich als Modell für andere Ländern erweisen.

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Laut Filterlisten aus skandinavischen Ländern wird ein Großteil der im Internet verfügbaren Kinderpornografie in den USA bereit gehalten. Die vielschichtigen Gründe für diese Tatsache erläuterte Ruben Rodriguez, Präsident des Meldestellenverbunds INHOPE (International Association of Internet Hotlines), jetzt im Gespräch mit heise online. Demnach sind der Staat und die Internetwirtschaft in den Vereinigten Staaten im Kampf gegen die Verbreitung von Bildern sexuellen Kindesmissbrauchs an sich gut aufgestellt. Es gebe aber Lücken bei der Gesetzesanwendung und eine starke Anti-Zensur-Lobby.

Ähnlich wie in europäischen Ländern gibt es jenseits des Atlantiks eine zentrale Beschwerdestelle gegen illegale Inhalte im Netz in Form der sogenannten CyberTipline. Sie wird vom National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) betrieben, das in der Nähe von Washington in Virginia angesiedelt ist. Eine Besonderheit bei der Meldestelle: "Wir haben eine weltweit einzigartige Struktur, da wir direkt in einem Büro mit Vertretern von Behörden wie dem FBI, dem Zoll, dem Secret Service, nationalen Polizeistationen und dem Militär zusammenarbeiten", erklärt der vom NCMEC angestellte Rodriguez. "Deren Abgesandte sitzen direkt hier bei der CyberTipline mit am Tisch. Sie sollen vor allem helfen, eingehende Informationen zu analysieren und die Strafverfolgung zu beschleunigen."

Darüber hinaus existiert in den USA laut dem ehemaligen Strafverfolger ein Zusammenschluss lokaler Polizeibehörden, die vom Bund finanziert werden und sich auf Fälle spezialisiert haben, in denen es um den sexuellen Missbrauch von Kindern geht. Auch mit diesem Verbund arbeite die Hotline eng zusammen. Dessen Mitarbeiter hätten etwa Zugang zur Datenbank der CyberTipline und könnten diese überprüfen. Nicht zuletzt pflege man enge Kooperationen mit vielen nationalen Zugangsanbietern. Auch große Hostprovider wie Google, Microsoft oder Yahoo seien an das System angeschlossen. "Wir können an sie sofort und kontinuierlich Informationen schicken, damit sie kinderpornografische Dateien löschen", sagt Rodriguez. Insgesamt gebe es einen regelmäßigen Austausch mit 5000 bis 7000 der größeren Provider in den USA.

Die CyberTipline gibt auch eine verschlüsselte Liste mit Domain-Adressen an die Anbieter heraus, um sie auf Inhalte aufmerksam zu machen, die als rechtswidrig eingestuft werden. "Dieses Verzeichnis soll ihnen dabei helfen, den entsprechenden Content von den Servern zu entfernen, ihre Systeme zu säubern oder Filter aufzubauen", führt der INHOPE-Chef aus. Eine Verpflichtung zum Aufbau einer Filterinfrastruktur entstünde daraus aber nicht. "Provider können die Liste für die Blockade von Webseiten einsetzen, müssen es aber nicht tun." Es gebe aber eine gesetzliche Bestimmung, wonach der wissentliche Besitz von Kinderpornografie illegal sei. Wenn Zugangsanbieter Kenntnis hätten von entsprechenden Inhalten, müssten sie entsprechende Informationen an die CyberTipline weiterleiten. Bei Unterlassung drohe eine Strafe in Höhe bis zu 50.000 US-Dollar für jedes nicht gemeldete Missbrauchsbild.

Zum Bedauern des Kinderrechte-Befürworters ist diese Regelung zwar 2000 beschlossen worden. Ähnlich wie beim heftig umkämpften deutschen Zugangserschwerungsgesetz gebe es aber keine Ausführungsbestimmungen dazu. Nirgendwo sei genau festgelegt, was genau Provider tun müssten. Trotzdem hätten sich viele Internetanbieter einen Kodex zur Selbstregulierung auferlegt und befolgten das Gesetz ohne eine einschlägige Verordnung. Einige würden sich so im Kampf gegen Kinderpornografie als sehr vorausschauend erweisen und rasch tätig werden, während andere "etwas zögerlicher sind". Viel hänge so von der Reaktionsweise einzelner Zugangsanbieter ab.

Darüber hinaus haben die USA starke Bestimmungen zum Schutz der Rede- und Meinungsfreiheit. "Es gibt eine große Bewegung, die gegen Zensur in jeglicher Form eintritt", betont Rodriguez. Einige Organisationen sähen auch das Einschreiten gegen Kinderpornos als Zensur an. Aus der Perspektive der Strafverfolgung und des US-Justizministeriums sei klar, dass jedes Mal, wenn ein kinderpornografisches Bild entdeckt werde, dieses schnellstmöglich von einem Server wieder heruntergenommen werden müsse. "Viele Anwälte von Unternehmen wollen aber rechtliche Grauzonen ausgemacht haben, wonach das reine Hosting einer entsprechenden Datei nicht deren Übertragung gleichkomme und sich der Provider in einem 'sicheren Hafen' befinde", ärgert sich der Kinderschützer. "Dieser Streit geht hin und her und ist für uns sehr frustrierend. Wir tappen manchmal in das 'schwarze Loch', das sich durch die fehlende Verordnung für das Kinderschutzgesetz auftut."

Die USA haben die weltweit größte Internet-Infrastruktur und eine riesige Bevölkerung, versucht Rodriguez die Situation einzuordnen. "Wenn etwa Deutschland dieselbe Anzahl an Serverfarmen hätte, würde es eventuell auch als 'größter Hoster von Kinderpornos' angesehen". Er wolle nichts schönreden oder verteidigen, aber die Internetdurchdringung sei einfach sehr hoch in den Vereinigten Staaten.

Als viel versprechend schätzt der frühere Polizist die jüngst in die Wege geleitete engere Zusammenarbeit zwischen FBI und Bundeskriminalamt (BKA) beim Löschen von Missbrauchsbildern ein. "BKA-Chef Jörg Ziercke hat uns Anfang Mai hier besucht", berichtet Rodriguez über eine "sehr fokussierte" Unterredung. Sobald die Infrastrukturen für die engeren Beziehungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden hier und dort stünden, würden die Dienstwege nun deutlich kürzer: "Das könnte sich auch als Modell für Polizeikräfte und Hotlines in anderen Ländern erweisen." (jk)