Gemischte Reaktionen auf Google-Verizon-Deal

Telekommunikationsanbieter und Verbände sind sich uneins in der Bewertung des Vorschlags der US-Größen zur Netzregulierung. Vom Ausverkauf der Netzneutralität ist genauso die Rede wie von einem richtungsweisenden Vorstoß.

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Deutsche Telekommunikationsanbieter und Verbände sind sich uneins in der Bewertung des Vorschlags von Google und Verizon für künftige Grundprinzipien der Netzregulierung. "Es ist schon überraschend, dass sich ausgerechnet Google jetzt vom Prinzip der Netzneutralität verabschiedet, um mit einem anderen großen Netzkonzern eine Allianz zu schmieden", erklärte ein Sprecher des Zugangsanbieters 1&1 gegenüber heise online. "Für die Millionen privater Website-Betreiber und kleineren Unternehmen könnten am Ende nur die Krümel des 'Best-Efforts' bleiben", warnt der Branchenvertreter vor einem Zwei-Klassen-Netz und der Sonderbehandlung von Datenpaketen gegen Zahlung eines Aufschlags. Das "Bündnis unter Riesen" werde deshalb sicher den öffentlichen Druck erhöhen, die Netzneutralität regulatorisch wirksam zu verankern.

Beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, der Verizon zu seinen Mitgliedern zählt, gibt es noch keine offizielle Position zu dem Thema. In einem aktuellen Diskussionspapier (PDF-Datei) wird die von Google und Verizon geforderte weitgehende Regulierungsfreistellung breitbandiger "Zusatzdienste" wie die Übertragung von Videokonferenzen oder telemedizinischer Anwendungen und die dahinter stehende Entwicklung eines "Next Generation Network" (NGN) aber skeptisch gesehen. Damit werde "das Internet zukünftig lediglich als ein Dienst in einem NGN betrachtet", heißt es in der Betrachtung. Dem herkömmlichen Netz bescheinige man zugleich "lediglich eine niedrigere Güteklasse, obwohl Internet-Diensteanbieter bereits seit Jahren nachweislich zeigen", dass darin eine hohe Übertragungsqualität "sehr wohl" möglich sei.

Packe man dagegen gemäß dem NGN-Ansatz die Intelligenz schon in die Netze und nicht erst in die Endgeräte, könne sich dafür ein "hoher Technologiebedarf" schon bei den Zugangsanbietern ergeben, konstatiert das eco-Papier weiter. Dieser wiederum dürfte Markteintrittbarrieren schaffen, die vor allem "kleine und mittlere Dienste- und Netzbetreiber sehr stark treffen" würden. Aufgrund der Gesamtlogik des Modells stelle sich gar die Frage, "ob Intelligenz im Netz sich vermeintlich nur in Situationen rechnen kann, die eine schwer zu rechtfertigende Marktkonzentration erfordern". Nicht von der Hand zu weisen sei, dass ein mit Mautstellen für Premiumangebote versehenes Netz für Startups eine große Benachteilung darstelle. Insgesamt würden nicht unkritische "Kontrollmechanismen" in die Netze eingebaut, die auch zur einfacheren Filterung von Inhalten verwendet werden könnten.

Der eco-Infrastrukturexperte Klaus Landefeld sprach daher in einem Vortrag (PDF-Datei) bereits von der "schönen neuen Welt" des NGN. Auch Nutzervertreter können der Initiative der Internetgrößen wenig Positives abgewinnen: "Sicherlich gibt es bei Next Generation Networks und dem Mobilnetz spezifische Probleme", weiß Falk Lüke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (/vzbv). "Das darf aus Sicht des vzbv aber nicht dazu führen, dass in diesen Netzen diskriminiert wird."

Für die Deutsche Telekom weist der Vorschlag aus den USA dagegen in die richtige Richtung. Grundsätzlich nehme der Datenverkehr rasant zu, erläuterte eine Konzernsprecher gegenüber heise online. Dabei werde der Anteil der Pakete, die keine Verzögerung bei der Übertragung duldeten, immer größer. Es müsse daher verschiedene Qualitätsklassen für Echtzeitanwendungen und weniger zeitkritische Dienste wie E-Mail geben. Entsprechende Leistungen könnten die Netzbetreiber gegen Entgelt anbieten. Selbstverständlich müssten diese sämtlichen Diensteanbietern diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden.

Mit dieser Position sieht sich die Telekom keineswegs allein dastehen und verweist nicht nur auf ein Lobby-Papier europäischer Branchenverbände und -größen wie der European Telecommunications Network Operators' Assocation (ETNO) oder der Mobilfunkvereinigung GSMA, sondern auch auf eine Position des Konkurrenten Vodafone. Bei diesem selbst ist zu vernehmen, dass wichtige Bestandteile der Übereinkunft den eigenen Vorstellungen entsprächen. Das gelte auch dafür, "dass Netzbetreiber im Wettbewerb Diensteklassen differenzieren können dürfen ­ also unterschiedliche Preise je nach Qualität und Leistung verlangen".

Die Regulierungsbehörde will den Deal jenseits des Atlantiks nicht konkret erörtern. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur hielt vielmehr die allgemeinen Grundsätze der Transparenz und des Wettbewerbs hoch. Über Einzelheiten zur Fassung der Netzneutralität würde derzeit auf Bundes- und EU-Ebene noch debattiert. Michael Copps, ein Kommissar des US-Regulierers FCC (Federal Communications Commissions), erteilte dem Vorstoß von Google und Verizon dagegen eine deutliche Abfuhr (PDF-Datei): Es sei nun nicht mehr an der Zeit, die Diskussion voranzutreiben, sondern eine Entscheidung. Diese müsse es der Behörde ein für allemal erlauben, ein offenes Internet zu gewährleisten und die Interessen der Verbraucher vor die von "Unternehmensgiganten" zu stellen. (vbr)