Kontroverse um "kontroverse Domains"

Das geplante Einspruchsverfahren gegen "kontroverse" neue Domains stößt bei den Regierungsvertretern im ICANN-Regierungsrat auf wenig Gegenliebe. Sie fürchten den Zerfall des Domain Name Systems und wollen es deshalb lieber ganz sauber halten.

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Von
  • Monika Ermert

Der Regierungsbeirat (GAC) der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) will "kontroverse" neue Top Level Domains (TLD) aus dem Domain Name System (DNS) raushalten. Regierungsvertreter fürchten den Zerfall des DNS, weil einzelne Regierungen unerwünschte Domains sperren könnten. Das teilte die kanadische GAC-Chefin Heather Dryden in einem Schreiben an die ICANN-Führung mit. Der Haken daran: Die Regierungen können selbst nicht sagen, was "kontrovers" in diesem Zusammenhang eigentlich bedeutet – eine Definition dafür fehle, schreibt Dryden.

Der Regierungsbeirat lehnt deshalb auch das von der ICANN im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für neue Domains vorgeschlagene Einspruchsrecht ab. Die ICANN will einerseits den Widerspruch gegen offensichtlich diskriminierende oder rechtswidrige Domainnamen ermöglichen, gleichzeitig aber verhindern, dass Regierungen gegen Domains vorgehen, die ihnen etwa aus politischen Gründen nicht passen. Nach Vorstellung der ICANN soll der Einspruch gegen Domainnamen möglich sein, welche die "Moral" oder die "öffentliche Ordnung" verletzen.

Den Regierungen reicht das nicht. Es gebe keinen Konsens darüber, was unmoralisch sei, hatte die US-Vertreterin Suzanne Sene bereits auf dem ICANN-Treffen im Juni in Brüssel unterstrichen. Die Internetverwaltung könne daher in den Einspruchsverfahren auch nicht darüber befinden. Die private Netzverwaltung soll ein neues Verfahren schaffen, fordert der GAC nun in seinem Brief. Wie die ICANN das Dilemma konkret lösen soll, lassen die Regierungen allerdings offen.

Wenn die Akzeptanz einzelner Regierungen zum Maßstab der Domain-Zulassung werde, sei das der Weg in die Zensur, warnte Milton Mueller vom Internet Governance Project, der eine "Erosion der freien Meinungsäußerungen im Netz" fürchtet. "Wir müssen Meinungen ja gerade dann schützen, wenn sie kontrovers sind", erklärte Mueller. Andernfalls würden künftig autoritäre Staaten festlegen, was im Netz erlaubt ist. Mueller nannte es besonders traurig, dass der Vorstoß für das saubere DNS ausgerechnet aus den USA und Kanada komme. (vbr)