EU-Kommission fördert "Pervasive Gaming"

Mit mehreren Millionen Euro soll die Entwicklung von Spielen vorangetrieben werden, die teils in der virtuellen, teils in der realen Welt ablaufen.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die Europäische Kommission fördert mit dem Projekt "Pervasive Gaming" (iPerG) die Entwicklung von Spielen, die sich sowohl in der virtuellen als auch in der realen Welt entfalten sollen. Sechs Millionen Euro stiftet die Kommission aus dem 6. Rahmenprogramm, weitere vier Millionen bringen Industriepartner wie Nokia, Sony Netservices und It's Alive ein.

Die beteiligten schwedischen, britischen und deutschen Forschungseinrichtungen wollen neue Werkzeuge, Infrastrukturen und Spiele-Ideen entwickeln. An dem Projekt nehmen Techniker, Psychologen, Soziologen und Künstler teil. Bereits 2005 wollen sie die Ergebnisse in experimentellen Spieleveranstaltungen präsentieren. Die Industriepartner versprechen sich von dem Projekt vor allem neue technische Anregungen: Sony will Spiele auf andere Medien übertragen, Nokia erhofft sich Input für die Weiterentwicklung des technischen Designs.

In "pervasiven" Spielen lösen Spieler oder Beobachter mobil und in Teams Aufgaben. Im Spiel verschmilzt die reale Umgebung mit virtuellen Elementen. Spieler vor Ort können ebenso teilnehmen wie Spieler in aller Welt. Anders als bei den in den 90-er Jahren entwickelten Spielen wie "Ultima Online" geht es nicht mehr darum, immer online zu sein, sondern darum, verschiedene Online- und Offline-Umgebungen sowie unterschiedliche Techniken zu benutzen. Die neuen Spiele könnten so gestaltet werden, dass technische Hilfsmittel und Informationen nicht jederzeit verfügbar sind. "Dies würde auch unserer alltäglichen Erfahrung entsprechen", sagt Annika Waern vom Schwedischen Institut für Computerwissenschaften SICS, welches das Projekt koordiniert. Die Herausforderung des "not always being connected" erfordere aber ein robustes Spiele-Design, das mit unterschiedlichen Verbindungszuständen umgehen könne.

Pervasive Games sollen außerdem verschiedene Teilnahmemöglichkeiten unterstützen, betont der britische Professor Steve Benford von der Nottingham University. Benford war unter anderem an der Entwicklung der ortsgebundenen Offline-Online-Schnitzeljagd "Uncle Roy All Around You" beteiligt, die eine Stadt in eine Theaterbühne verwandelt. Online-Spieler haben dabei die Aufgabe, real durch die Straßen streifende "Streetplayer" mit Textinformationen in das Büro des geheimnisvollen Onkel Roy zu führen. Beide Gruppen erhalten jeweils unterschiedliche Informationsstückchen, die sie kooperativ zusammenführen müssen, um zur Lösung zu kommen. Durchgeführt wurde das Spiel erstmals in London 2003, später auch in Manchester und Adelaide.

Auch das am Projekt beteiligte Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) hat gemeinsam mit vier Studenten der Fachhochschule Offenburg bereits ein Augmented-Reality-Spiel entworfen. Ziel von "NetAttack" ist es, in ein virtuelles Unternehmensnetzwerk einzudringen und dort nach Passwörtern für den zentralen Datenbank-Server zu suchen. Mit den Passwörtern können konkurrierende Hackerteams dann das Firmenkonto leer räumen. Ein Operator kommuniziert vom Desktop-Computer aus mit den mit GPS-Empfängern ausgestatteten Agenten. Er führt per Audioverbindung in einer realen, durch virtuelle Werkzeuge angereicherte Umgebung.

Das iPerG-Konsortium will auch Geschäftsmodelle für die kommerzielle Entwicklung und Nutzung von Pervasive Gaming konzipieren. Marktforschungsunternehmen sehen hier ein großes Marktpotenzial. Der schwedische Projektpartner It's Alive feierte unter anderem in Moskau bereits einen großen Erfolg mit dem mobilen, ortsgebundenen Action-Rollenspiel Botfighters, das sich mit GSM-Handys durchführen lässt. Jeder Spieler stellt einen Roboter dar, der andere Roboter ausschalten muss. Die Cell-ID der Handies wird verwendet, um festzustellen, ob sich die Spieler überhaupt in Schussweite voneinander aufhalten. Auf der Botfighters-Website können die Spieler ihre Roboter upgraden, Waffen kaufen, Spielstände ansehen und Informationen über ihre gegenwärtige Mission abrufen. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (pmz)