TikToks Kindermodus versagt bei kindgerechten Inhalten
TikTok hat einen Kindermodus, doch der ist nur "dem Namen nach" fĂĽr junge Nutzer. Die meisten Videos in dem Modus sind wohl nicht kindgerecht.
(Bild: Primakov/Shutterstock.com)
TikTok bewirbt seine "Under 13 Experience" als sicheren Raum für Kinder, jedoch soll überwiegend Inhalte enthalten, die nicht für diese Zielgruppe geeignet sind. Das ergab eine neue Studie der University of California, Irvine, die nun gravierende Mängel in diesem Modus aufgedeckt hat. TikTok führte diese Funktion bereits 2019 exklusiv in den USA ein. In allen anderen Ländern untersagt TikTok laut Nutzungsbedingungen den Zugang für unter 13-Jährige kategorisch.
Die Forschenden analysierten 1471 Videos aus dem Kindermodus anhand der COPPA-Kriterien für kindgerechte Inhalte und fanden heraus, dass 83 Prozent nicht den Standards entsprechen. COPPA (Children's Online Privacy Protection Act) ist das US-amerikanische Kinderschutzgesetz und definiert unter anderem, welche Inhalte als kindgerecht gelten. Dazu zählen Videos mit animierten Charakteren oder kindgerechten Aktivitäten, die Gleichaltrige darstellen oder Werbung für Kinderspielzeug enthalten.
Die meisten beobachteten Inhalte fielen in allgemeine Kategorien wie "Natur" oder "Landschaften", die zwar harmlos, aber nicht gezielt für Kinder konzipiert sind. Zusätzlich entdeckten die Forschenden neun Videos mit unangemessenen Inhalten, darunter sexuell explizite oder vulgäre Musik und Texte. Diese Befunde stehen im starken Widerspruch zum erklärten Zweck dieser Funktion, Kinder vor schädlichen Inhalten zu schützen.
Sicherheitsknopf fĂĽhrt ins Leere
Die Studie offenbart weitere Probleme des Kinderbereichs. 24 Prozent der Videos wiederholten sich mindestens zweimal, was auf einen begrenzten Inhaltsvorrat hindeutet. Teilweise sahen die Wissenschaftler identische Sequenzen aus bis zu 17 Videos mehrfach. Gerade TikToks Nutzungserfahrung lebt allerdings davon, mit jedem Swipe Inhalte aus völlig unterschiedlichen Nischen anzuzeigen. Diese Monotonie könnte Kinder dazu verleiten, auf TikToks reguläre Version zu wechseln, wo sie wiederum größeren Risiken ausgesetzt seien.
Zudem fehlten dem Kindermodus wichtige Sicherheitsfunktionen. Es gebe keine umfassende Elternkontrolle, keine Barrierefreiheitseinstellungen und der Button "Sicherheit" in den Einstellungen fĂĽhre sogar ins Leere. Die einzige Zeitbegrenzung lasse sich durch eine einfache Rechenaufgabe umgehen.
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WidersprĂĽchliche Inhaltsstrategie
Paradox wirkt die Situation im Vergleich zu TikToks Hauptplattform. Diese sei voller kindgerechter Inhalte. Die Forschenden fanden zu 25 beliebten Kinderserien und -spielen jeweils mindestens zehn spezialisierte Profile oder verifizierte Accounts. Diese Fülle an verfügbarem Material macht TikToks mangelnde Kuratierung für den Kindermodus umso unverständlicher, heißt es in dem noch nicht peer-reviewten Paper.
Die Ergebnisse könnten rechtliche Folgen haben. Nach dem COPPA müssen kinderfreundliche Dienste tatsächlich auf Kinder ausgerichtet sein. Die Forschenden empfehlen Regulierungsbehörden daher, ähnliche Untersuchungen durchzuführen und Durchsetzungsmaßnahmen zu prüfen.
TikTok steht bereits wegen angeblicher COPPA-Verletzungen unter Beschuss. Die Federal Trade Commission (FTC) und das US-Justizministerium verklagten das Unternehmen 2024 wegen illegaler Datensammlung von Kindern. Ob TikTok fĂĽr Kinder geeignet ist, spielt auĂźerdem eine Rolle im laufenden Verbotsverfahren der App in den USA. Diese neue Studie liefert weitere Belege fĂĽr grundlegende Probleme beim Kinderschutz.
(mack)